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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Die Annahme im Entwürfe der deutschen Künstlergenossenschaft, daß, wenn
kein besonderer Vertrag vorliege, zu schließen sei, daß der Käufer das Ver¬
vielfältigungsrecht für alle Industriezweige erworben habe, ist also falsch. Es
muß umgekehrt lauten: daß anzunehmen ist, daß der Käufer die Rechte nur
für seinen speziellen Industriezweig erworben habe, falls er nicht ausdrücklich
weitergehende Rechte beansprucht hat.

Eine nicht minder wichtige Differenz liegt in der Ansicht vor, daß für
die Kunstwerke an Gebrauchsgegenständen ein fünfjähriger Schutz genüge.
Dieser Schutz genügt absolut nicht, da grade die besseren und wichtigeren Er¬
findungen, die gegen die Tagesmode ankämpfen, oft erst in 5 Jahren gewinn¬
bringend werden. Man lasse sich nicht von der Hastigkeit verleiten, mit der
aus dem Markte die eine Mode die andere ablöst. Was veraltet und werth¬
los ist, wird ja ohnedies nicht nachgeahmt und verlangt also keinen Schutz.
Auch sage man nicht, das Objekt sei zu unbedeutend, um einen Schutz zu ge¬
nießen. Ist der Gegenstand Gemeingut oder zu nichtig in der Erfindung, so
ist es Sache der Jury, die Klage abzuweisen. Wo es sich aber um Orna¬
mente von classischem Werthe handelt, die zwar oft sehr einfach erscheinen,
aber nichts weniger wie leicht zu componiren sind, da hat doch der Ornamen¬
tist dasselbe Recht auf den Schutz wie ein Lyriker oder Romanschreiber. Schützt
man die hohe Kunst und Literatur bis zum 30. Jahre nach dem Tode des
Künstlers, so möge das auch der Industrie und den Kleinkünstlern zu gut
kommen. Oder soll nach zwei Maaßen gemessen werden? Entscheidend kann
doch nur sein, wer verletzt wird, wenn das Recht so lange geschützt ist. Der
Eine legt sein Vermögen, d. h. das Resultat seiner Arbeit in Werthpapieren,
der Andere in Häusern, der dritte in Werken an, die ihm eine Tantieme ein¬
bringen. Soll dieses nun dem Schriftsteller und Musiker und dem Bildhauer
u. f. w. gestattet und garantirt sein und dem Ornamentisten nicht auch? Haben
seine Erfindungen zu großen Werth für die Gesammtindustrie, gut, so erpro-
priirt sie durch einen Ankauf sämmtlicher Rechte, aber sagt nicht, daß die
Industrie gehemmt sei, wenn gewisse Fabrikanten im Stehlen verhindert
seien. --

Der dritte Einwurf gegen die Ansichten der deutschen Kunstgenossenschaft
ist der, daß nicht jede nicht berechtigte Copie an und für sich, sondern nur
die unbefugte gewerbsmäßig betriebene Vervielfältigung strafbar sei.

Eine Copie, die sich Jemand zum eigenen Vergnügen und zur Ausbil¬
dung seiner Fähigkeiten macht, darf nicht strafbar sein, denn das Interesse
des Autors wird dadurch nicht geschädigt und der Trieb der Vervollkommnung
ist durch überflüssige Verbote nicht zu beeinträchtigen.

Sonst schließen wir uns jedoch rückhaltslos der Auffassung der Genossen-


Die Annahme im Entwürfe der deutschen Künstlergenossenschaft, daß, wenn
kein besonderer Vertrag vorliege, zu schließen sei, daß der Käufer das Ver¬
vielfältigungsrecht für alle Industriezweige erworben habe, ist also falsch. Es
muß umgekehrt lauten: daß anzunehmen ist, daß der Käufer die Rechte nur
für seinen speziellen Industriezweig erworben habe, falls er nicht ausdrücklich
weitergehende Rechte beansprucht hat.

Eine nicht minder wichtige Differenz liegt in der Ansicht vor, daß für
die Kunstwerke an Gebrauchsgegenständen ein fünfjähriger Schutz genüge.
Dieser Schutz genügt absolut nicht, da grade die besseren und wichtigeren Er¬
findungen, die gegen die Tagesmode ankämpfen, oft erst in 5 Jahren gewinn¬
bringend werden. Man lasse sich nicht von der Hastigkeit verleiten, mit der
aus dem Markte die eine Mode die andere ablöst. Was veraltet und werth¬
los ist, wird ja ohnedies nicht nachgeahmt und verlangt also keinen Schutz.
Auch sage man nicht, das Objekt sei zu unbedeutend, um einen Schutz zu ge¬
nießen. Ist der Gegenstand Gemeingut oder zu nichtig in der Erfindung, so
ist es Sache der Jury, die Klage abzuweisen. Wo es sich aber um Orna¬
mente von classischem Werthe handelt, die zwar oft sehr einfach erscheinen,
aber nichts weniger wie leicht zu componiren sind, da hat doch der Ornamen¬
tist dasselbe Recht auf den Schutz wie ein Lyriker oder Romanschreiber. Schützt
man die hohe Kunst und Literatur bis zum 30. Jahre nach dem Tode des
Künstlers, so möge das auch der Industrie und den Kleinkünstlern zu gut
kommen. Oder soll nach zwei Maaßen gemessen werden? Entscheidend kann
doch nur sein, wer verletzt wird, wenn das Recht so lange geschützt ist. Der
Eine legt sein Vermögen, d. h. das Resultat seiner Arbeit in Werthpapieren,
der Andere in Häusern, der dritte in Werken an, die ihm eine Tantieme ein¬
bringen. Soll dieses nun dem Schriftsteller und Musiker und dem Bildhauer
u. f. w. gestattet und garantirt sein und dem Ornamentisten nicht auch? Haben
seine Erfindungen zu großen Werth für die Gesammtindustrie, gut, so erpro-
priirt sie durch einen Ankauf sämmtlicher Rechte, aber sagt nicht, daß die
Industrie gehemmt sei, wenn gewisse Fabrikanten im Stehlen verhindert
seien. —

Der dritte Einwurf gegen die Ansichten der deutschen Kunstgenossenschaft
ist der, daß nicht jede nicht berechtigte Copie an und für sich, sondern nur
die unbefugte gewerbsmäßig betriebene Vervielfältigung strafbar sei.

Eine Copie, die sich Jemand zum eigenen Vergnügen und zur Ausbil¬
dung seiner Fähigkeiten macht, darf nicht strafbar sein, denn das Interesse
des Autors wird dadurch nicht geschädigt und der Trieb der Vervollkommnung
ist durch überflüssige Verbote nicht zu beeinträchtigen.

Sonst schließen wir uns jedoch rückhaltslos der Auffassung der Genossen-


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[0196] Die Annahme im Entwürfe der deutschen Künstlergenossenschaft, daß, wenn kein besonderer Vertrag vorliege, zu schließen sei, daß der Käufer das Ver¬ vielfältigungsrecht für alle Industriezweige erworben habe, ist also falsch. Es muß umgekehrt lauten: daß anzunehmen ist, daß der Käufer die Rechte nur für seinen speziellen Industriezweig erworben habe, falls er nicht ausdrücklich weitergehende Rechte beansprucht hat. Eine nicht minder wichtige Differenz liegt in der Ansicht vor, daß für die Kunstwerke an Gebrauchsgegenständen ein fünfjähriger Schutz genüge. Dieser Schutz genügt absolut nicht, da grade die besseren und wichtigeren Er¬ findungen, die gegen die Tagesmode ankämpfen, oft erst in 5 Jahren gewinn¬ bringend werden. Man lasse sich nicht von der Hastigkeit verleiten, mit der aus dem Markte die eine Mode die andere ablöst. Was veraltet und werth¬ los ist, wird ja ohnedies nicht nachgeahmt und verlangt also keinen Schutz. Auch sage man nicht, das Objekt sei zu unbedeutend, um einen Schutz zu ge¬ nießen. Ist der Gegenstand Gemeingut oder zu nichtig in der Erfindung, so ist es Sache der Jury, die Klage abzuweisen. Wo es sich aber um Orna¬ mente von classischem Werthe handelt, die zwar oft sehr einfach erscheinen, aber nichts weniger wie leicht zu componiren sind, da hat doch der Ornamen¬ tist dasselbe Recht auf den Schutz wie ein Lyriker oder Romanschreiber. Schützt man die hohe Kunst und Literatur bis zum 30. Jahre nach dem Tode des Künstlers, so möge das auch der Industrie und den Kleinkünstlern zu gut kommen. Oder soll nach zwei Maaßen gemessen werden? Entscheidend kann doch nur sein, wer verletzt wird, wenn das Recht so lange geschützt ist. Der Eine legt sein Vermögen, d. h. das Resultat seiner Arbeit in Werthpapieren, der Andere in Häusern, der dritte in Werken an, die ihm eine Tantieme ein¬ bringen. Soll dieses nun dem Schriftsteller und Musiker und dem Bildhauer u. f. w. gestattet und garantirt sein und dem Ornamentisten nicht auch? Haben seine Erfindungen zu großen Werth für die Gesammtindustrie, gut, so erpro- priirt sie durch einen Ankauf sämmtlicher Rechte, aber sagt nicht, daß die Industrie gehemmt sei, wenn gewisse Fabrikanten im Stehlen verhindert seien. — Der dritte Einwurf gegen die Ansichten der deutschen Kunstgenossenschaft ist der, daß nicht jede nicht berechtigte Copie an und für sich, sondern nur die unbefugte gewerbsmäßig betriebene Vervielfältigung strafbar sei. Eine Copie, die sich Jemand zum eigenen Vergnügen und zur Ausbil¬ dung seiner Fähigkeiten macht, darf nicht strafbar sein, denn das Interesse des Autors wird dadurch nicht geschädigt und der Trieb der Vervollkommnung ist durch überflüssige Verbote nicht zu beeinträchtigen. Sonst schließen wir uns jedoch rückhaltslos der Auffassung der Genossen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/196>, abgerufen am 06.02.2025.