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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Behauptung auch den Nutzen der Museen beweist, so sagt er doch nichts anderes,
als daß ein Baum keine neuen Blätter treiben könne, weil das Auge kaum
die vorhandenen alle erkennen könne. Was würden die Herrn Ateraten dazu
sagen, wenn man sie aufforderte, nur das Alte zu reproduziren? Den Zweck
zu beweisen, daß es thöricht sei, ein derartig neues Werk schaffen zu wollen,
mit welchem kein früheres verglichen werden könne, lasse ich gelten, denn es
ist löblich der tollen Modelaune entgegen zu wirken und auf die ewig gülti¬
gen Gesetze der Kunst hinzuweisen. Die Herren Museumsdirektoren mögen
aber wohl bedenken, daß für die Industrie ein Quentchen naiver Schaffens¬
lust mehr werth ist als ein Pfund todtes Wissen. -- Geben wir zu, daß dem
Autor des Kunstproduktes an seiner Idee ein Eigenthumsrecht zusteht, so ist
es selbstverständlich Sache des Rechtsstaates, diejenigen Gesetze zu geben,
die dieses Recht schützen. Wie bei anderen Rechten ist nur die Frage des Ge^
sammtwohles entscheidend, ob das Recht voll oder modificirt zur Geltung
kommen soll.

So klar und einfach diese Grundanschauungen sind, so verwirrt spiegelt
sich in den Köpfen der Meisten die Anwendung in Bezug auf die Ornamen¬
tik. Jeder wird gleich zugeben, daß wenn Ueberhand einen Seesturm, oder
Mackart eine Catharina Cvrnaro gemalt hat, nicht gleich der erste beste Litho¬
graph und Photograph das Recht hat, diese Bilder geschäftlich zu verwerthen.
Jeder wird es begreiflich finden, daß der Bildhauer Kiß das Recht der Ver¬
vielfältigung seiner "Amazone" nicht nur einmal, sondern sehr oft und zwar
selbstverständlich unter streng einzuhaltenden Bedingungen verkaufte. Dem
Einen gab er sie für Bronce, dem Anderen für Gyps, dem Dritten für Eisen¬
guß :c. Dem Einen in halber, dem Anderen in Viertel Größe ze. :e.

Das bisherige preußische Gesetz schützt die Werke der hohen Kunst, so
lange sie ihres "idealen Zweckes" wegen vervielfältigt werden. Kiß
hatte jedoch kein Recht zu verbieten, daß seine Amazone als Schmuck eines
"Gebrauchsgegenstandes" vervielfältigt wurde. Auf diesem Gebiete
gilt bis heute die absolute Anarchie. Ich könnte einen Fabrikanten nennen,
der sich den Titel "König der Copisten" selbst beigelegt hat. Dieser wartet
jährlich ab, was die ersten Fabrikanten Deutschlands und Frankreichs in
Tapeten bringen und läßt sich die gangbarsten Muster von gefälligen Händ-
> tern bezeichnen und zuschicken. Einige Monate später erscheinen diese Muster
zu sehr ermäßigtem Preise. Die Folge ist einfach, daß die Industriellen ersten
Ranges, welche Originale kaufen, sich um einen großen Theil ihres Gewinnes
betrogen sehen. Würden sie sonst im regen Wetteifer ein größeres Atelier
halten und vorzügliche Muster entsprechend bezahlen, so müssen sie jetzt theils
diese permanente dreiste Concurrenz eines illoyalen Mannes sich gefallen lassen,
theils auf die Ausführung vieler Kunstwerke verzichten. Die geschützten Nach-


Behauptung auch den Nutzen der Museen beweist, so sagt er doch nichts anderes,
als daß ein Baum keine neuen Blätter treiben könne, weil das Auge kaum
die vorhandenen alle erkennen könne. Was würden die Herrn Ateraten dazu
sagen, wenn man sie aufforderte, nur das Alte zu reproduziren? Den Zweck
zu beweisen, daß es thöricht sei, ein derartig neues Werk schaffen zu wollen,
mit welchem kein früheres verglichen werden könne, lasse ich gelten, denn es
ist löblich der tollen Modelaune entgegen zu wirken und auf die ewig gülti¬
gen Gesetze der Kunst hinzuweisen. Die Herren Museumsdirektoren mögen
aber wohl bedenken, daß für die Industrie ein Quentchen naiver Schaffens¬
lust mehr werth ist als ein Pfund todtes Wissen. — Geben wir zu, daß dem
Autor des Kunstproduktes an seiner Idee ein Eigenthumsrecht zusteht, so ist
es selbstverständlich Sache des Rechtsstaates, diejenigen Gesetze zu geben,
die dieses Recht schützen. Wie bei anderen Rechten ist nur die Frage des Ge^
sammtwohles entscheidend, ob das Recht voll oder modificirt zur Geltung
kommen soll.

So klar und einfach diese Grundanschauungen sind, so verwirrt spiegelt
sich in den Köpfen der Meisten die Anwendung in Bezug auf die Ornamen¬
tik. Jeder wird gleich zugeben, daß wenn Ueberhand einen Seesturm, oder
Mackart eine Catharina Cvrnaro gemalt hat, nicht gleich der erste beste Litho¬
graph und Photograph das Recht hat, diese Bilder geschäftlich zu verwerthen.
Jeder wird es begreiflich finden, daß der Bildhauer Kiß das Recht der Ver¬
vielfältigung seiner „Amazone" nicht nur einmal, sondern sehr oft und zwar
selbstverständlich unter streng einzuhaltenden Bedingungen verkaufte. Dem
Einen gab er sie für Bronce, dem Anderen für Gyps, dem Dritten für Eisen¬
guß :c. Dem Einen in halber, dem Anderen in Viertel Größe ze. :e.

Das bisherige preußische Gesetz schützt die Werke der hohen Kunst, so
lange sie ihres „idealen Zweckes" wegen vervielfältigt werden. Kiß
hatte jedoch kein Recht zu verbieten, daß seine Amazone als Schmuck eines
„Gebrauchsgegenstandes" vervielfältigt wurde. Auf diesem Gebiete
gilt bis heute die absolute Anarchie. Ich könnte einen Fabrikanten nennen,
der sich den Titel „König der Copisten" selbst beigelegt hat. Dieser wartet
jährlich ab, was die ersten Fabrikanten Deutschlands und Frankreichs in
Tapeten bringen und läßt sich die gangbarsten Muster von gefälligen Händ-
> tern bezeichnen und zuschicken. Einige Monate später erscheinen diese Muster
zu sehr ermäßigtem Preise. Die Folge ist einfach, daß die Industriellen ersten
Ranges, welche Originale kaufen, sich um einen großen Theil ihres Gewinnes
betrogen sehen. Würden sie sonst im regen Wetteifer ein größeres Atelier
halten und vorzügliche Muster entsprechend bezahlen, so müssen sie jetzt theils
diese permanente dreiste Concurrenz eines illoyalen Mannes sich gefallen lassen,
theils auf die Ausführung vieler Kunstwerke verzichten. Die geschützten Nach-


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[0193] Behauptung auch den Nutzen der Museen beweist, so sagt er doch nichts anderes, als daß ein Baum keine neuen Blätter treiben könne, weil das Auge kaum die vorhandenen alle erkennen könne. Was würden die Herrn Ateraten dazu sagen, wenn man sie aufforderte, nur das Alte zu reproduziren? Den Zweck zu beweisen, daß es thöricht sei, ein derartig neues Werk schaffen zu wollen, mit welchem kein früheres verglichen werden könne, lasse ich gelten, denn es ist löblich der tollen Modelaune entgegen zu wirken und auf die ewig gülti¬ gen Gesetze der Kunst hinzuweisen. Die Herren Museumsdirektoren mögen aber wohl bedenken, daß für die Industrie ein Quentchen naiver Schaffens¬ lust mehr werth ist als ein Pfund todtes Wissen. — Geben wir zu, daß dem Autor des Kunstproduktes an seiner Idee ein Eigenthumsrecht zusteht, so ist es selbstverständlich Sache des Rechtsstaates, diejenigen Gesetze zu geben, die dieses Recht schützen. Wie bei anderen Rechten ist nur die Frage des Ge^ sammtwohles entscheidend, ob das Recht voll oder modificirt zur Geltung kommen soll. So klar und einfach diese Grundanschauungen sind, so verwirrt spiegelt sich in den Köpfen der Meisten die Anwendung in Bezug auf die Ornamen¬ tik. Jeder wird gleich zugeben, daß wenn Ueberhand einen Seesturm, oder Mackart eine Catharina Cvrnaro gemalt hat, nicht gleich der erste beste Litho¬ graph und Photograph das Recht hat, diese Bilder geschäftlich zu verwerthen. Jeder wird es begreiflich finden, daß der Bildhauer Kiß das Recht der Ver¬ vielfältigung seiner „Amazone" nicht nur einmal, sondern sehr oft und zwar selbstverständlich unter streng einzuhaltenden Bedingungen verkaufte. Dem Einen gab er sie für Bronce, dem Anderen für Gyps, dem Dritten für Eisen¬ guß :c. Dem Einen in halber, dem Anderen in Viertel Größe ze. :e. Das bisherige preußische Gesetz schützt die Werke der hohen Kunst, so lange sie ihres „idealen Zweckes" wegen vervielfältigt werden. Kiß hatte jedoch kein Recht zu verbieten, daß seine Amazone als Schmuck eines „Gebrauchsgegenstandes" vervielfältigt wurde. Auf diesem Gebiete gilt bis heute die absolute Anarchie. Ich könnte einen Fabrikanten nennen, der sich den Titel „König der Copisten" selbst beigelegt hat. Dieser wartet jährlich ab, was die ersten Fabrikanten Deutschlands und Frankreichs in Tapeten bringen und läßt sich die gangbarsten Muster von gefälligen Händ- > tern bezeichnen und zuschicken. Einige Monate später erscheinen diese Muster zu sehr ermäßigtem Preise. Die Folge ist einfach, daß die Industriellen ersten Ranges, welche Originale kaufen, sich um einen großen Theil ihres Gewinnes betrogen sehen. Würden sie sonst im regen Wetteifer ein größeres Atelier halten und vorzügliche Muster entsprechend bezahlen, so müssen sie jetzt theils diese permanente dreiste Concurrenz eines illoyalen Mannes sich gefallen lassen, theils auf die Ausführung vieler Kunstwerke verzichten. Die geschützten Nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/193>, abgerufen am 06.02.2025.