Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Um diesen kostbaren Schatz vor dem Eingreifen des preußischen Despoten zu Die italienischen Minister sind zu nüchtern, um diesen jesuitischen Traum¬ Die Regierungspartei in Italien setzt sich über den Widerspruch hinweg. Grenzboten II. 1875. 23
Um diesen kostbaren Schatz vor dem Eingreifen des preußischen Despoten zu Die italienischen Minister sind zu nüchtern, um diesen jesuitischen Traum¬ Die Regierungspartei in Italien setzt sich über den Widerspruch hinweg. Grenzboten II. 1875. 23
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Um diesen kostbaren Schatz vor dem Eingreifen des preußischen Despoten zu
schützen, öffnete die Curie dem bedrängten Italien ihre Arme. Nur unter
der.Führung des Papstthums, so hieß es, als Glied jener furchtbaren sich
erneuernden „Liga" der katholischen Mächte, wird Italien den neuen Einbruch
des Kaiserthums von sich abwehren können.
Die italienischen Minister sind zu nüchtern, um diesen jesuitischen Traum¬
bildern zu folgen, aber sie sind auch zu schwach und durch die Phrase von
der freien Kirche im freien Staat, sowie durch die alten Sympathien der
Consorterie für Frankreich zu sehr beherrscht, um an der Seite des deutschen
Reichs entschiedene Stellung zu nehmen. Für unsern Kampf mit dem Papst¬
thum hat die Mehrzahl der gebildeten Italiener kein Verständniß. Gänzlich
unkirchlich wie sie sind, begreifen sie nicht, in wie hohem Maße bet einem
religiös ernsten Volk die kirchliche Seite jener Institution zur Verwirrung der
Gewissen benutzt werden kann: das hat der Marchese Guerrieri-Gonzaga mit
erschütternder Wahrheit noch kürzlich im „Diritto" klargestellt! Die Wir¬
kungen der heillosen Preisgebung aller Staatshoheitsrechte über den Clerus,
deren das Garantiegesetz sich schuldig macht, empfinden sie noch nicht, die
Bullen und Bannflüche lassen sie gleichgültig, und sie meinen, daß auch wir
pedantische Deutschen dieselbe nicht so tragisch nehmen sollten. Hinter dieser
Indifferenz steckt aber das Interesse an der Conservirung einer Institution,
welche der Stadt Rom ihren Glanz verleiht, Millionen Geldes als Peters¬
pfennige u. f. w. jährlich dahin strömen läßt und den Italienern den Vorzug
giebt, als hohe Würdenträger der Kirche die katholische Welt zu regieren.
Im Interesse seiner nationalen Einheit hat Italien sich den Kirchenstaat ein¬
verleibt. Es hat dadurch bewirkt, daß die andern Mächte keinen directen
Angriffspunkt gegen den Papst mehr finden, wenn derselbe seinen kirchlichen
Einfluß zu politischen Uebergriffen mißbraucht. Gleichzeitig aber hat es den
Papst, der jetzt innerhalb des Königreichs lebt, mit der Souveränetät und
der vollen Freiheit in der Ausübung seiner Funktionen bekleidet, und keinen
Vorbehalt für den Fall gemacht, daß er zu diesen Funktionen auch die Auf¬
wiegelung fremder Unterthanen gegen die Gesetze ihres Staats und die An¬
stiftung des Bürgerkriegs rechnet. Das Garantiegesetz ist ein innerer Wider¬
spruch, der entweder das Papstthum zur Auswanderung aus Rom zwingen oder
Italien mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen in Conflict bringen muß.
Die Regierungspartei in Italien setzt sich über den Widerspruch hinweg.
Sie will den Nutzen nicht preisgeben, welchen die Domieilirung des Papst¬
thums in Rom für sie hat. Sie will Rom und den Papst behalten.
Sie lehnt also jede Pression aus den Vattcan ab. Wir Deutsche sollen in
Geduld den Schaden tragen, der aus der zügellosen Freiheit des landlosen
Papstkönigs für uns hervorgeht.
Grenzboten II. 1875. 23
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