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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Redaktion der Commission genehmigt, welche die Theilung fakultativ macht
und abhängig von dem späteren Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung.

Als die zweite, also die Hauptberathung, vollendet war, schien doch die
Zufriedenheit mit dem Ergebniß in den Abgeordnetenkreisen nicht groß zu
sein. Man fürchtete, das Gesetz könne bei der dritten Berathung eine Majo¬
rität gegen sich bekommen oder mit einer kleineren Majorität als wünschens-
werth durchgehen. Dieser Ausgang trat nicht ein. Am 17. April ist die
Provinzialordnung in dritter Lesung vom Abgeordnetenhaus genehmigt worden
und zwar von 240 gegen 103 Stimmen. Die Minorität bildeten das Cen¬
trum und die Polen aus nicht recht ersichtlichen Gründen, ferner der größere
Theil der Fortschrittspartei und vereinzelte Mitglieder der andern Fraktionen-

Das Hauptresultat des Gesetzes, wenn es in der jetzigen Gestalt durch¬
ginge, würde die Einrichtung einer Communalverwaltung für gemeinsame
Angelegenheiten der Provinz neben der königlichen Verwaltung sein, und
zwar würde die Communalverwaltung sich auf eine Reihe von Provinzial-
instituten beschränken, während die obrigkeitlichen Funktionen den Oberpräsi¬
denten und den Bezirksregierungen verbleiben würden. Die Theilnahme der
Provinzial- und Bezirksausschüsse an den obrigkeitlichen Funktionen ist durch
das Gesetz zwar in Aussicht -genommen, soll aber den Inhalt erst durch die
zu erwartenden Speztalgesetze einer Wegeordnung, Schulordnung u. s. w. be¬
kommen. Die ebenfalls in Aussicht genommene Theilnahme jener Ausschüsse
an der Beaufsichtigung der Lokalverwaltung kann nur zu Verwirrungen
führen. Die Verwaltungsgerichte, welche als ein drittes Organ, getrennt von
den Bezirksausschüssen, neben die Regierungen treten sollen, erwarten ihre
Einführung ebenfalls von einem besonderen Gesetz, welches, wie früher er¬
wähnt, bereits vorgelegt ist.

Der Hauptgedanke der jetzigen Provinzialordnung, nämlich die Errich¬
tung einer Communalverwaltung für die Provinzialinstitute, Verkehrsanlagen
und dergl. scheint aus der Provinz Hannover zu stammen und den Abgeord¬
neten von dort besonders theuer zu sein. Bei der angesehenen Stellung,
welche diese Abgeordneten in der nationalliberalen Partei einnehmen, ist es
natürlich, daß die nationalliberale Partei aufgefordert wurde, für die Pro¬
vinzialordnung als gleichsam ihr Werk mit besonderem Eiser einzutreten. Im
Herrenhaus soll man dazu neigen, die Communalverwaltung stehen zu
lassen, aus den Kreis derselben die neuen Organe der Selbstverwaltung aber
auch zu beschränken. Es wäre immerhin eine Verbesserung, wenn die Theil¬
nahme der Provinzial- und Bezirksausschüsse an den obrigkeitlichen Funktionen
wegfiele, womit wenigstens die Bezirksausschüsse überhaupt wegfallen würden.
Es ist dies der erste Gedanke des Regierungsentwurfs gewesen, wie er bet
der Einbringung in der vorjährigen Session gestaltet war. Es ist aber


Grenzboten it. 1875. 20

Redaktion der Commission genehmigt, welche die Theilung fakultativ macht
und abhängig von dem späteren Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung.

Als die zweite, also die Hauptberathung, vollendet war, schien doch die
Zufriedenheit mit dem Ergebniß in den Abgeordnetenkreisen nicht groß zu
sein. Man fürchtete, das Gesetz könne bei der dritten Berathung eine Majo¬
rität gegen sich bekommen oder mit einer kleineren Majorität als wünschens-
werth durchgehen. Dieser Ausgang trat nicht ein. Am 17. April ist die
Provinzialordnung in dritter Lesung vom Abgeordnetenhaus genehmigt worden
und zwar von 240 gegen 103 Stimmen. Die Minorität bildeten das Cen¬
trum und die Polen aus nicht recht ersichtlichen Gründen, ferner der größere
Theil der Fortschrittspartei und vereinzelte Mitglieder der andern Fraktionen-

Das Hauptresultat des Gesetzes, wenn es in der jetzigen Gestalt durch¬
ginge, würde die Einrichtung einer Communalverwaltung für gemeinsame
Angelegenheiten der Provinz neben der königlichen Verwaltung sein, und
zwar würde die Communalverwaltung sich auf eine Reihe von Provinzial-
instituten beschränken, während die obrigkeitlichen Funktionen den Oberpräsi¬
denten und den Bezirksregierungen verbleiben würden. Die Theilnahme der
Provinzial- und Bezirksausschüsse an den obrigkeitlichen Funktionen ist durch
das Gesetz zwar in Aussicht -genommen, soll aber den Inhalt erst durch die
zu erwartenden Speztalgesetze einer Wegeordnung, Schulordnung u. s. w. be¬
kommen. Die ebenfalls in Aussicht genommene Theilnahme jener Ausschüsse
an der Beaufsichtigung der Lokalverwaltung kann nur zu Verwirrungen
führen. Die Verwaltungsgerichte, welche als ein drittes Organ, getrennt von
den Bezirksausschüssen, neben die Regierungen treten sollen, erwarten ihre
Einführung ebenfalls von einem besonderen Gesetz, welches, wie früher er¬
wähnt, bereits vorgelegt ist.

Der Hauptgedanke der jetzigen Provinzialordnung, nämlich die Errich¬
tung einer Communalverwaltung für die Provinzialinstitute, Verkehrsanlagen
und dergl. scheint aus der Provinz Hannover zu stammen und den Abgeord¬
neten von dort besonders theuer zu sein. Bei der angesehenen Stellung,
welche diese Abgeordneten in der nationalliberalen Partei einnehmen, ist es
natürlich, daß die nationalliberale Partei aufgefordert wurde, für die Pro¬
vinzialordnung als gleichsam ihr Werk mit besonderem Eiser einzutreten. Im
Herrenhaus soll man dazu neigen, die Communalverwaltung stehen zu
lassen, aus den Kreis derselben die neuen Organe der Selbstverwaltung aber
auch zu beschränken. Es wäre immerhin eine Verbesserung, wenn die Theil¬
nahme der Provinzial- und Bezirksausschüsse an den obrigkeitlichen Funktionen
wegfiele, womit wenigstens die Bezirksausschüsse überhaupt wegfallen würden.
Es ist dies der erste Gedanke des Regierungsentwurfs gewesen, wie er bet
der Einbringung in der vorjährigen Session gestaltet war. Es ist aber


Grenzboten it. 1875. 20
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/157>, abgerufen am 06.02.2025.