Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.königliche und von den verschiedenen Wohlthätern gestiftete, sind zwar eine Aus dem bisher Gesagten geht nun wohl zur Genüge hervor, daß keine königliche und von den verschiedenen Wohlthätern gestiftete, sind zwar eine Aus dem bisher Gesagten geht nun wohl zur Genüge hervor, daß keine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133430"/> <p xml:id="ID_462" prev="#ID_461"> königliche und von den verschiedenen Wohlthätern gestiftete, sind zwar eine<lb/> ganze Anzahl vorhanden, so in Cambridge z. B. vier für Theologie, fünf für<lb/> Naturwissenschaften, drei für Mathematik, vier für orientalische Sprachen, je<lb/> eine für Philosophie, Nationalökonomie, neue Geschichte, Musik und seltsamer<lb/> Weise auch nur eine einzige für alte Sprachen, nämlich für Griechisch; in<lb/> vielen Fällen aber sind diese Stellen bloße Sinecuren, im günstigsten Falle<lb/> Belohnungen für verdienstvolle Gelehrte in diesen Fächern. Auch die ange¬<lb/> zeigten Vorlesungen, die wirklich gehalten werden, beschränken sich auf eine<lb/> sehr geringe Anzahl und werden nur von wenigen der strebsameren und fähi¬<lb/> geren Studenten besucht. Die meisten sind für diese Art des Studiums, we¬<lb/> nigstens während der ersten zwei Jahre ihrer Universitätszeit nicht genügend<lb/> vorgebildet, im Gegentheil, sie sind so weit davon entfernt, sich dieser selb¬<lb/> ständigeren Methode bedienen zu können, daß ihnen selbst der Tutor, dem sie<lb/> angewiesen sind, nicht ausreicht und sie sich statt dessen an einen der soge¬<lb/> nannten „eoiZ,eKös", zu Deutsch „Einpauker" wenden, welche sehr zahlreich<lb/> an beiden Universitäten ansässig sind und mit ihrem dort sehr einträglichen<lb/> Gewerbe des Privatunterrichts sich durchschnittlich leicht 1000 jährlich er¬<lb/> werben. Uebrigens sind diese Leute, die also, wie die Verhältnisse liegen, die<lb/> Hauptarbeit zu thun haben, durchweg sehr achtungswerthe, tüchtige Männer,<lb/> oft frühere Fellows der Colleges, die aber ein Leben in der eigenen Familie<lb/> jenen Klostermauern vorgezogen haben und neben ihrer momentanen und<lb/> sauren Arbeit doch noch Zeit finden zu ltterarischer Thätigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_463" next="#ID_464"> Aus dem bisher Gesagten geht nun wohl zur Genüge hervor, daß keine<lb/> der beiden englischen Universitäten Anspruch machen kann auf den Namen<lb/> einer Universität litorarum in unserem Sinne, da sie zunächst der wohlthätigen<lb/> Wechselwirkung entbehren, welche für Docenten und Studenten aus der<lb/> Fakultätengemeinschaft entsteht, ja daß ferner mit den dort fast ausschließlich<lb/> betriebenen klassischen, mathematischen und philosophischen Studien im<lb/> günstigsten Fall die Leistungen unserer besten Gymnasien vielleicht in einzelnen<lb/> Fächern übertroffen, nicht aber an Vielseitigkeit des gebotenen Unterrichts<lb/> erreicht werden. Von einem eigentlich wissenschaftlichen, quellenmäßigen,<lb/> selbständigen Studium der Studenten kann selbstverständlich bei der durch¬<lb/> schnittlichen Dürftigkeit der Vorbildung und der eben dadurch bis zu einem<lb/> gewissen Grade berechtigten Methode der beständigen Bevormundung und<lb/> Anleitung nicht die Rede sein. Doch dies liegt erklärter Weise auch nicht in<lb/> der Absicht der englischen Universitäten, ebensowenig, wie die Studenten für<lb/> einen besonderen Beruf, etwa den eines Juristen, Theologen oder Mediciners<lb/> auszubilden; im Gegentheil, ganz wie unsere Gymnasien wollen sie nur den<lb/> Geist bilden und für weitere Studien auf jenen Gebieten befähigen, die dann<lb/> allerdings aus Mangel an wirklichen höheren Lehranstalten nur auf privatem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
königliche und von den verschiedenen Wohlthätern gestiftete, sind zwar eine
ganze Anzahl vorhanden, so in Cambridge z. B. vier für Theologie, fünf für
Naturwissenschaften, drei für Mathematik, vier für orientalische Sprachen, je
eine für Philosophie, Nationalökonomie, neue Geschichte, Musik und seltsamer
Weise auch nur eine einzige für alte Sprachen, nämlich für Griechisch; in
vielen Fällen aber sind diese Stellen bloße Sinecuren, im günstigsten Falle
Belohnungen für verdienstvolle Gelehrte in diesen Fächern. Auch die ange¬
zeigten Vorlesungen, die wirklich gehalten werden, beschränken sich auf eine
sehr geringe Anzahl und werden nur von wenigen der strebsameren und fähi¬
geren Studenten besucht. Die meisten sind für diese Art des Studiums, we¬
nigstens während der ersten zwei Jahre ihrer Universitätszeit nicht genügend
vorgebildet, im Gegentheil, sie sind so weit davon entfernt, sich dieser selb¬
ständigeren Methode bedienen zu können, daß ihnen selbst der Tutor, dem sie
angewiesen sind, nicht ausreicht und sie sich statt dessen an einen der soge¬
nannten „eoiZ,eKös", zu Deutsch „Einpauker" wenden, welche sehr zahlreich
an beiden Universitäten ansässig sind und mit ihrem dort sehr einträglichen
Gewerbe des Privatunterrichts sich durchschnittlich leicht 1000 jährlich er¬
werben. Uebrigens sind diese Leute, die also, wie die Verhältnisse liegen, die
Hauptarbeit zu thun haben, durchweg sehr achtungswerthe, tüchtige Männer,
oft frühere Fellows der Colleges, die aber ein Leben in der eigenen Familie
jenen Klostermauern vorgezogen haben und neben ihrer momentanen und
sauren Arbeit doch noch Zeit finden zu ltterarischer Thätigkeit.
Aus dem bisher Gesagten geht nun wohl zur Genüge hervor, daß keine
der beiden englischen Universitäten Anspruch machen kann auf den Namen
einer Universität litorarum in unserem Sinne, da sie zunächst der wohlthätigen
Wechselwirkung entbehren, welche für Docenten und Studenten aus der
Fakultätengemeinschaft entsteht, ja daß ferner mit den dort fast ausschließlich
betriebenen klassischen, mathematischen und philosophischen Studien im
günstigsten Fall die Leistungen unserer besten Gymnasien vielleicht in einzelnen
Fächern übertroffen, nicht aber an Vielseitigkeit des gebotenen Unterrichts
erreicht werden. Von einem eigentlich wissenschaftlichen, quellenmäßigen,
selbständigen Studium der Studenten kann selbstverständlich bei der durch¬
schnittlichen Dürftigkeit der Vorbildung und der eben dadurch bis zu einem
gewissen Grade berechtigten Methode der beständigen Bevormundung und
Anleitung nicht die Rede sein. Doch dies liegt erklärter Weise auch nicht in
der Absicht der englischen Universitäten, ebensowenig, wie die Studenten für
einen besonderen Beruf, etwa den eines Juristen, Theologen oder Mediciners
auszubilden; im Gegentheil, ganz wie unsere Gymnasien wollen sie nur den
Geist bilden und für weitere Studien auf jenen Gebieten befähigen, die dann
allerdings aus Mangel an wirklichen höheren Lehranstalten nur auf privatem
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