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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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insofern man dort wenigstens auch in der Medicin und Jurisprudenz promo-
viren kann, und so ist denn auch nach unseren Begriffen die Möglichkeit eines
wissenschaftlichen Studiums dieser Disciplinen, die durch je einen oder zwei
Professoren vertreten sind,, nicht mehr als angedeutet. Die wenigen jungen
Leute, die sich in Oxford und Cambridge überhaupt mit medicinischen Stu¬
dien befassen, gehen zu dem Professor der Medicin so zu sagen in die Lehre,
besuchen mit ihm das Hospital und hören nebenbei einzelne Vorlesungen über
Botanik, Chemie, Anatomie und drgl. (die indeß nur spärlich gehalten wer¬
den), um sich dann später in den großen Londoner Hospitälern in ähnlicher
Weise theoretisch und praktisch auszubilden.

Der zukünftige Jurist verschafft sich seine Ausbildung ebenfalls hauptsäch¬
lich in praktischer Weise, indem er im Bureau irgend eines Londoner Urwalds
arbeitet. Zu gleicher Zeit hat er, um sich seine Berechtigung zur juristischen
Carriere zu erwerben, in eins der großen Londoner Rechts-Collegien als Stu¬
dent oder Aspirant, wie man es eher nennen könnte, nach Ablegung eines
kleinen Examens einzutreten, hat dort Gelegenheit gewisse juristische Vor¬
lesungen zu hören und namentlich die Verpflichtung, seine Angehörigkeit
an diese Corporationen dadurch zu documentiren, daß er semesterlich zu einer
bestimmten Anzahl von gemeinsamen Mahlzeiten, die an festgesetzten Tagen
in den Speisesälen der Londoner Rechts - Collegien Statt finden, zu erscheinen
hat. Würde er ein einziges dieser Diners versäumen oder etwa erst nach dem
Tischgebet erscheinen und vor dem Schlußgebet aufbrechen, so würde das ganze
Semester für seine juristische Studienzeit nicht gezählt werden. Für den ge¬
wöhnlichen Rechtsstudenten sind jährlich 24, also während der drei Studien¬
jahre 72 Mahlzeiten erforderlich, um sich die Qualification zum Juristen zu
eressen. Der allgemein gangbare, populäre englische Ausdruck für Jurispru¬
denz studiren ist deshalb auch davon hergenommen: hört man von einem
jungen Manne sagen Ils das eatsn Kis ämusr", so heißt das: er hat jma
studirt. -- Circa solchen Studenten aber, der sich schon auf einer englischen
oder schottischen Universität mit theoretischen Rechtsstudien befaßt und sich den
ersten juristischen Grad, den eines daeealaurenZ juris erworben hat, wird die
Sache wesentlich erleichtert; freilich nicht rückstchtlich der Dauer der Studien-,
zeit oder der bedeutenden semesterlichen Beitragsgelder, sondern nur in Bezug
auf das Eintrittsexamen, welches ihm erlassen wird und auf die Anzahl der
Diners, denen er beiwohnen muß, da die betreffenden Autoritäten befriedigt
find, wenn er durch 12 Mahlzeiten jährlich seine Befähigung zum Juristen
darthut. Der Student selber hat dabei höchstens den zweifelhaften Vortheil,
daß er sich bet der Gelegenheit die viel vortrefflicheren Diners seines Oxforder
oder Cambridger College ins Gedächtniß zurückrufen kann, welche, beiläufig


insofern man dort wenigstens auch in der Medicin und Jurisprudenz promo-
viren kann, und so ist denn auch nach unseren Begriffen die Möglichkeit eines
wissenschaftlichen Studiums dieser Disciplinen, die durch je einen oder zwei
Professoren vertreten sind,, nicht mehr als angedeutet. Die wenigen jungen
Leute, die sich in Oxford und Cambridge überhaupt mit medicinischen Stu¬
dien befassen, gehen zu dem Professor der Medicin so zu sagen in die Lehre,
besuchen mit ihm das Hospital und hören nebenbei einzelne Vorlesungen über
Botanik, Chemie, Anatomie und drgl. (die indeß nur spärlich gehalten wer¬
den), um sich dann später in den großen Londoner Hospitälern in ähnlicher
Weise theoretisch und praktisch auszubilden.

Der zukünftige Jurist verschafft sich seine Ausbildung ebenfalls hauptsäch¬
lich in praktischer Weise, indem er im Bureau irgend eines Londoner Urwalds
arbeitet. Zu gleicher Zeit hat er, um sich seine Berechtigung zur juristischen
Carriere zu erwerben, in eins der großen Londoner Rechts-Collegien als Stu¬
dent oder Aspirant, wie man es eher nennen könnte, nach Ablegung eines
kleinen Examens einzutreten, hat dort Gelegenheit gewisse juristische Vor¬
lesungen zu hören und namentlich die Verpflichtung, seine Angehörigkeit
an diese Corporationen dadurch zu documentiren, daß er semesterlich zu einer
bestimmten Anzahl von gemeinsamen Mahlzeiten, die an festgesetzten Tagen
in den Speisesälen der Londoner Rechts - Collegien Statt finden, zu erscheinen
hat. Würde er ein einziges dieser Diners versäumen oder etwa erst nach dem
Tischgebet erscheinen und vor dem Schlußgebet aufbrechen, so würde das ganze
Semester für seine juristische Studienzeit nicht gezählt werden. Für den ge¬
wöhnlichen Rechtsstudenten sind jährlich 24, also während der drei Studien¬
jahre 72 Mahlzeiten erforderlich, um sich die Qualification zum Juristen zu
eressen. Der allgemein gangbare, populäre englische Ausdruck für Jurispru¬
denz studiren ist deshalb auch davon hergenommen: hört man von einem
jungen Manne sagen Ils das eatsn Kis ämusr«, so heißt das: er hat jma
studirt. — Circa solchen Studenten aber, der sich schon auf einer englischen
oder schottischen Universität mit theoretischen Rechtsstudien befaßt und sich den
ersten juristischen Grad, den eines daeealaurenZ juris erworben hat, wird die
Sache wesentlich erleichtert; freilich nicht rückstchtlich der Dauer der Studien-,
zeit oder der bedeutenden semesterlichen Beitragsgelder, sondern nur in Bezug
auf das Eintrittsexamen, welches ihm erlassen wird und auf die Anzahl der
Diners, denen er beiwohnen muß, da die betreffenden Autoritäten befriedigt
find, wenn er durch 12 Mahlzeiten jährlich seine Befähigung zum Juristen
darthut. Der Student selber hat dabei höchstens den zweifelhaften Vortheil,
daß er sich bet der Gelegenheit die viel vortrefflicheren Diners seines Oxforder
oder Cambridger College ins Gedächtniß zurückrufen kann, welche, beiläufig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/138>, abgerufen am 06.02.2025.