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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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theiliger Erfahrung liegen allerdings vor (meistens dann, wenn die Ver¬
setzung vom Gymnasium an die Universität in vorgerückteren Jahren riskirt
worden ist), aber sie sind verhältnismäßig sicher nicht zahlreicher, als die
Mißerfolge mancher zu Professoren gemachten Privatdozenten.

Nach unseren Ausführungen ist also die Gefahr, der man entgegenzu¬
wirken verlangt, nicht in so hohem Maaße vorhanden, als viele dies meinen;
sie hat, wo sie sich zeigt, mehr einen vorübergehenden als bleibenden Cha¬
rakter. Und das, was wirklich ein bedenkliches Symptom unserer akademischen
Zustände ist, -- die Aufnahme wissenschaftlicher Mittelmäßigkeiten in das
Lehrerpersonal der Universitäten, die Verschlechterung des wissenschaftlichen
Durchschnittscharakters unserer Universitätslehrer -- das ist etwas, das staat¬
licher Einwirkung nicht weicht, das durch äußerliche Heilmittel nicht curirt
wird. Eine Periode neuen wissenschaftlichen Aufschwunges allein kann hier
Hülfe schaffen; sie wird eintreten, -- ob heute oder morgen, wer will dies
sagen? Wenn sie gekommen, dann wird sich auch die bisher so trefflich be¬
währte Einrichtung unseres Privatdozententhums mit neuem Leben erfüllen!
Wenn die gebildete Welt heute verlangt, daß den Privatdozenten ihre Probe¬
zeit erleichtert, ihr Beruf begehrenswerther gemacht werden sollte, und wenn
in Folge solcher Aeußerungen das preußische Ministerium schließlich zu einer
Unterstützungsmaßregel Einleitung getroffen, so wird selbstverständlich jeder
Universitätslehrer Freude und Dank für diese wohlwollenden Absichten aus¬
sprechen. Nur wird es ihm naheliegen, gleichzeitig hinzuweisen auf die Gefahr,
daß die Grundlagen dieser segensreichen und nothwendigen Einrichtung, auf
der gerade unsere Universitäten eigentlich aufgebaut sind, sehr leicht verletzt
und geschädigt werden können.

Will man fähige Leute für den akademischen Beruf gewinnen, so treffe
man Sorge, daß dem Dozenten, wenn er die in der Regel nothwendige,
immer aber heilsame Vorbereitungszett hinter sich hat, dann auch bei der
Anstellung eine menschenwürdige Existenz geboten werde! Einige Schritte
sind ja in den letzten Jahren in dieser Richtung geschehen; wenigstens das
Anfängergehalt des Professors ist jetzt leidlich bemessen. Aber wie sieht es
mit den späteren Verbesserungen aus? Darüber ließe sich viel sagen und
allerlei erzählen! Einzelne Notabilitäten erzielen ausreichendes Einkommen,
-- d. h. in dem Fall daß sie von auswärts berufen oder bei einem Rufe
nach auswärts festgehalten werden müssen. Alles Andere bewegt sich noch
immer in traurigem Geleise. Hier ist der Punkt, wo geholfen werden kann.
Nicht während der Probezeit des jüngeren Anfängers sondern nach der
Probezeit sollte man dem erprobten und bewährten eine gesicherte und be¬
queme Lage in Aussicht stellen.

Es ist oft vorgekommen, daß junge Gelehrte, deren wissenschaftliche


theiliger Erfahrung liegen allerdings vor (meistens dann, wenn die Ver¬
setzung vom Gymnasium an die Universität in vorgerückteren Jahren riskirt
worden ist), aber sie sind verhältnismäßig sicher nicht zahlreicher, als die
Mißerfolge mancher zu Professoren gemachten Privatdozenten.

Nach unseren Ausführungen ist also die Gefahr, der man entgegenzu¬
wirken verlangt, nicht in so hohem Maaße vorhanden, als viele dies meinen;
sie hat, wo sie sich zeigt, mehr einen vorübergehenden als bleibenden Cha¬
rakter. Und das, was wirklich ein bedenkliches Symptom unserer akademischen
Zustände ist, — die Aufnahme wissenschaftlicher Mittelmäßigkeiten in das
Lehrerpersonal der Universitäten, die Verschlechterung des wissenschaftlichen
Durchschnittscharakters unserer Universitätslehrer — das ist etwas, das staat¬
licher Einwirkung nicht weicht, das durch äußerliche Heilmittel nicht curirt
wird. Eine Periode neuen wissenschaftlichen Aufschwunges allein kann hier
Hülfe schaffen; sie wird eintreten, — ob heute oder morgen, wer will dies
sagen? Wenn sie gekommen, dann wird sich auch die bisher so trefflich be¬
währte Einrichtung unseres Privatdozententhums mit neuem Leben erfüllen!
Wenn die gebildete Welt heute verlangt, daß den Privatdozenten ihre Probe¬
zeit erleichtert, ihr Beruf begehrenswerther gemacht werden sollte, und wenn
in Folge solcher Aeußerungen das preußische Ministerium schließlich zu einer
Unterstützungsmaßregel Einleitung getroffen, so wird selbstverständlich jeder
Universitätslehrer Freude und Dank für diese wohlwollenden Absichten aus¬
sprechen. Nur wird es ihm naheliegen, gleichzeitig hinzuweisen auf die Gefahr,
daß die Grundlagen dieser segensreichen und nothwendigen Einrichtung, auf
der gerade unsere Universitäten eigentlich aufgebaut sind, sehr leicht verletzt
und geschädigt werden können.

Will man fähige Leute für den akademischen Beruf gewinnen, so treffe
man Sorge, daß dem Dozenten, wenn er die in der Regel nothwendige,
immer aber heilsame Vorbereitungszett hinter sich hat, dann auch bei der
Anstellung eine menschenwürdige Existenz geboten werde! Einige Schritte
sind ja in den letzten Jahren in dieser Richtung geschehen; wenigstens das
Anfängergehalt des Professors ist jetzt leidlich bemessen. Aber wie sieht es
mit den späteren Verbesserungen aus? Darüber ließe sich viel sagen und
allerlei erzählen! Einzelne Notabilitäten erzielen ausreichendes Einkommen,
— d. h. in dem Fall daß sie von auswärts berufen oder bei einem Rufe
nach auswärts festgehalten werden müssen. Alles Andere bewegt sich noch
immer in traurigem Geleise. Hier ist der Punkt, wo geholfen werden kann.
Nicht während der Probezeit des jüngeren Anfängers sondern nach der
Probezeit sollte man dem erprobten und bewährten eine gesicherte und be¬
queme Lage in Aussicht stellen.

Es ist oft vorgekommen, daß junge Gelehrte, deren wissenschaftliche


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[0134] theiliger Erfahrung liegen allerdings vor (meistens dann, wenn die Ver¬ setzung vom Gymnasium an die Universität in vorgerückteren Jahren riskirt worden ist), aber sie sind verhältnismäßig sicher nicht zahlreicher, als die Mißerfolge mancher zu Professoren gemachten Privatdozenten. Nach unseren Ausführungen ist also die Gefahr, der man entgegenzu¬ wirken verlangt, nicht in so hohem Maaße vorhanden, als viele dies meinen; sie hat, wo sie sich zeigt, mehr einen vorübergehenden als bleibenden Cha¬ rakter. Und das, was wirklich ein bedenkliches Symptom unserer akademischen Zustände ist, — die Aufnahme wissenschaftlicher Mittelmäßigkeiten in das Lehrerpersonal der Universitäten, die Verschlechterung des wissenschaftlichen Durchschnittscharakters unserer Universitätslehrer — das ist etwas, das staat¬ licher Einwirkung nicht weicht, das durch äußerliche Heilmittel nicht curirt wird. Eine Periode neuen wissenschaftlichen Aufschwunges allein kann hier Hülfe schaffen; sie wird eintreten, — ob heute oder morgen, wer will dies sagen? Wenn sie gekommen, dann wird sich auch die bisher so trefflich be¬ währte Einrichtung unseres Privatdozententhums mit neuem Leben erfüllen! Wenn die gebildete Welt heute verlangt, daß den Privatdozenten ihre Probe¬ zeit erleichtert, ihr Beruf begehrenswerther gemacht werden sollte, und wenn in Folge solcher Aeußerungen das preußische Ministerium schließlich zu einer Unterstützungsmaßregel Einleitung getroffen, so wird selbstverständlich jeder Universitätslehrer Freude und Dank für diese wohlwollenden Absichten aus¬ sprechen. Nur wird es ihm naheliegen, gleichzeitig hinzuweisen auf die Gefahr, daß die Grundlagen dieser segensreichen und nothwendigen Einrichtung, auf der gerade unsere Universitäten eigentlich aufgebaut sind, sehr leicht verletzt und geschädigt werden können. Will man fähige Leute für den akademischen Beruf gewinnen, so treffe man Sorge, daß dem Dozenten, wenn er die in der Regel nothwendige, immer aber heilsame Vorbereitungszett hinter sich hat, dann auch bei der Anstellung eine menschenwürdige Existenz geboten werde! Einige Schritte sind ja in den letzten Jahren in dieser Richtung geschehen; wenigstens das Anfängergehalt des Professors ist jetzt leidlich bemessen. Aber wie sieht es mit den späteren Verbesserungen aus? Darüber ließe sich viel sagen und allerlei erzählen! Einzelne Notabilitäten erzielen ausreichendes Einkommen, — d. h. in dem Fall daß sie von auswärts berufen oder bei einem Rufe nach auswärts festgehalten werden müssen. Alles Andere bewegt sich noch immer in traurigem Geleise. Hier ist der Punkt, wo geholfen werden kann. Nicht während der Probezeit des jüngeren Anfängers sondern nach der Probezeit sollte man dem erprobten und bewährten eine gesicherte und be¬ queme Lage in Aussicht stellen. Es ist oft vorgekommen, daß junge Gelehrte, deren wissenschaftliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/134>, abgerufen am 06.02.2025.