Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.einiger Bonner Professoren habe den trefflichen Gelehrten verjagt! Und den¬ Unserem Sinne liegt es ferne zu behaupten, daß niemals ein Fall vor¬ Die Stellung der Privatdozenten, wie sie sich bis heute gestaltet und einiger Bonner Professoren habe den trefflichen Gelehrten verjagt! Und den¬ Unserem Sinne liegt es ferne zu behaupten, daß niemals ein Fall vor¬ Die Stellung der Privatdozenten, wie sie sich bis heute gestaltet und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133417"/> <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420"> einiger Bonner Professoren habe den trefflichen Gelehrten verjagt! Und den¬<lb/> noch, wer würde, nachdem der Sachverhalt auch weiteren Kreisen klar gewor¬<lb/> den, die früheren Beschuldigungen wiederholen wollen? wer giebt heute der<lb/> Bonner Fakultät nicht Recht? — Gegenwärtig hat die Berliner Frage —<lb/> Wagner-Dühring — viel Staub aufgewirbelt. Mei sittliche Entrüstung<lb/> wird zu Markt gebracht wider die Berliner Fakultät, zu Gunsten des betref¬<lb/> fenden Dozenten. Wir fragen hier ganz ernsthaft: von allen die darüber in<lb/> der Tagespresse schreiben, wie viele haben das betreffende Werk, um das es<lb/> sich handelt, gelesen? Wenn sonst in gebildeter Gesellschaft ein Mann über<lb/> die Corporation, der er angehört und in welche er noch enger einzutreten<lb/> wünscht, oder über die College», in deren Cirkel er dauernden Einlaß ver¬<lb/> langt, in ähnlicher Weise losschimpft (von wissenschaftlicher Polemik ist hier<lb/> nicht die Rede, sondern von ganz persönlichem Schimpfen), dann Pflegt man<lb/> sonst einen solchen Herrn einfach an die Luft zu setzen. Nur einer Fakultät<lb/> spricht man dies Recht ab, das man sonst jeder Gesellschaft bereitwillig ge¬<lb/> stattet. Es ist also die Fakultät, welche hier Unrecht erduldet, nicht der ein¬<lb/> zelne Dozent, der als „gemaßregelter" dem Publikum sich präsentirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_422"> Unserem Sinne liegt es ferne zu behaupten, daß niemals ein Fall vor¬<lb/> gekommen, in dem von einer Fakultät oder einem Professor in irgend einer<lb/> Weise ein Privatdozent gekränkt oder benachtheiligt wäre. Es mag wohl<lb/> bisweilen geschehen sein, daß ein recht befähigter und würdiger Gelehrter von<lb/> der Habilitation zurückgewiesen wurde; es ist als möglich immerhin anzuneh¬<lb/> men, daß ein tüchtiger und erprobter Dozent bei der Beförderung zum Pro¬<lb/> fessor bisweilen übergangen oder zu langem Warten verurtheilt worden ist;<lb/> auch Chicanen von Seiten einer Fakultät gegen einen, in Thätigkeit befind¬<lb/> lichen Dozenten, wenn gleich uns kein Fall in den letzten Jahrzehnten bekannt<lb/> ist, wollen wir nicht als absolut undenkbar bezeichnen. Aber wenn wir alles<lb/> dies in einzelnen Ausnahmefällen zuzugeben bereit sind, wo in aller Welt<lb/> beurtheilt man menschliche Einrichtungen und Verhältnisse nach dem Maßstabe<lb/> einzelner Ausnahmen? Die allgemeine Ansicht hat sich vielmehr zu bilden<lb/> nach dem, was die Regel ist. Und die Regel entspricht nicht dem Zerrbilde,<lb/> das man in weiten Kreisen sich macht, sondern demjenigen Bilde, das wir so<lb/> eben entworfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_423" next="#ID_424"> Die Stellung der Privatdozenten, wie sie sich bis heute gestaltet und<lb/> wie sie heute sich darstellt, ist eine gesunde und richtige. Und alle die Vor¬<lb/> schläge, die offenbar in der wohlwollendsten Absicht gemacht werden, sie zu<lb/> ändern, zu verbessern und umzugestalten, würden dies bewährte Institut nur<lb/> gefährden und schädigen. Dahin rechnen wir die Idee, den Dozenten inner¬<lb/> halb der Fakultäten Sitz und Stimme oder eine Vertretung zu gewähren,<lb/> dahin gehört aber auch der Vorschlag, eine feste Besoldung ihnen zu ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
einiger Bonner Professoren habe den trefflichen Gelehrten verjagt! Und den¬
noch, wer würde, nachdem der Sachverhalt auch weiteren Kreisen klar gewor¬
den, die früheren Beschuldigungen wiederholen wollen? wer giebt heute der
Bonner Fakultät nicht Recht? — Gegenwärtig hat die Berliner Frage —
Wagner-Dühring — viel Staub aufgewirbelt. Mei sittliche Entrüstung
wird zu Markt gebracht wider die Berliner Fakultät, zu Gunsten des betref¬
fenden Dozenten. Wir fragen hier ganz ernsthaft: von allen die darüber in
der Tagespresse schreiben, wie viele haben das betreffende Werk, um das es
sich handelt, gelesen? Wenn sonst in gebildeter Gesellschaft ein Mann über
die Corporation, der er angehört und in welche er noch enger einzutreten
wünscht, oder über die College», in deren Cirkel er dauernden Einlaß ver¬
langt, in ähnlicher Weise losschimpft (von wissenschaftlicher Polemik ist hier
nicht die Rede, sondern von ganz persönlichem Schimpfen), dann Pflegt man
sonst einen solchen Herrn einfach an die Luft zu setzen. Nur einer Fakultät
spricht man dies Recht ab, das man sonst jeder Gesellschaft bereitwillig ge¬
stattet. Es ist also die Fakultät, welche hier Unrecht erduldet, nicht der ein¬
zelne Dozent, der als „gemaßregelter" dem Publikum sich präsentirt.
Unserem Sinne liegt es ferne zu behaupten, daß niemals ein Fall vor¬
gekommen, in dem von einer Fakultät oder einem Professor in irgend einer
Weise ein Privatdozent gekränkt oder benachtheiligt wäre. Es mag wohl
bisweilen geschehen sein, daß ein recht befähigter und würdiger Gelehrter von
der Habilitation zurückgewiesen wurde; es ist als möglich immerhin anzuneh¬
men, daß ein tüchtiger und erprobter Dozent bei der Beförderung zum Pro¬
fessor bisweilen übergangen oder zu langem Warten verurtheilt worden ist;
auch Chicanen von Seiten einer Fakultät gegen einen, in Thätigkeit befind¬
lichen Dozenten, wenn gleich uns kein Fall in den letzten Jahrzehnten bekannt
ist, wollen wir nicht als absolut undenkbar bezeichnen. Aber wenn wir alles
dies in einzelnen Ausnahmefällen zuzugeben bereit sind, wo in aller Welt
beurtheilt man menschliche Einrichtungen und Verhältnisse nach dem Maßstabe
einzelner Ausnahmen? Die allgemeine Ansicht hat sich vielmehr zu bilden
nach dem, was die Regel ist. Und die Regel entspricht nicht dem Zerrbilde,
das man in weiten Kreisen sich macht, sondern demjenigen Bilde, das wir so
eben entworfen.
Die Stellung der Privatdozenten, wie sie sich bis heute gestaltet und
wie sie heute sich darstellt, ist eine gesunde und richtige. Und alle die Vor¬
schläge, die offenbar in der wohlwollendsten Absicht gemacht werden, sie zu
ändern, zu verbessern und umzugestalten, würden dies bewährte Institut nur
gefährden und schädigen. Dahin rechnen wir die Idee, den Dozenten inner¬
halb der Fakultäten Sitz und Stimme oder eine Vertretung zu gewähren,
dahin gehört aber auch der Vorschlag, eine feste Besoldung ihnen zu ver-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |