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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Nun hat sich -- es ist schwer zu sagen, woher das gekommen -- im
außerakademischen Publikum eine sonderbare Auffassung über diese Dinge ge¬
bildet. Man beklagt die rechtlose Stellung der Dozenten; man bedauert, daß
sie unentgeltlich ein Lehramt auszuüben hätten; man malt sich ein melodrama¬
tisches Bild aus von dem Gegensatze zwischen Professoren und Dozenten, den
man sich etwa so denkt, wie die Gefühle des reichen Geizhalses gegen die er¬
wartungsvollen Erben. Man kann das immer wieder hören, daß der ver¬
diente Dozent von dem privilegirten Professor (der dann des besseren Effektes
halber ein abgelebter leistungsunfähiger gallsüchtiger Pedant sein muß) arg
gedrückt, mißtrauisch beobachtet und auf jede Weise niedergehalten würde;
u. dergl. mehr.

Das alles sind Einbildungen, Produkte einer den Dozenten wohlgeneig¬
ten aber einseitig ungerechten Phantasie. Das Publikum in seinem lobens-
werthen Wohlwollen für diese Klasse von Gelehrten, auf denen die Hoffnung
der Zukunft beruht, ist von vorneherein zwei Irrthümer zu begehen ge¬
neigt durch die ihm eine richtige Beurtheilung nahezu unmöglich gemacht wird.
Erstens, man übersieht, daß der Privatdozent freiwillig es übernimmt
eine Borbereitungsstufe für seinen Beruf durchzumachen. Jeder Gelehrte, der
Privatdozent wird, weiß, daß er eine Reihe von Jahren der Universität
dienen muß ohne staatliche Belohnung; er weiß von vorneherein, daß er
einer Probe- und Schulzeit entgegengeht, an deren Ende ihm erst die Pro¬
fessur als der erwartete Lohn winkt.

Man könnte die Stellung des Privatdozenten vergleichen mit der des
Referendars, nur daß dieser die unentgeltliche Probezeit nicht freiwillig, son¬
dern gezwungen auf sich nimmt. Sodann aber, man erträumt sich einen Ge¬
gensatz zwischen Professor und Privatdozent, der in der Wirklichkeit nicht vor¬
handen ist. Wer das akademische Leben kennt, weiß, daß diese Dinge ganz
anders verlaufen.

Wir Professoren sind unserer Mehrzahl nach und zwar der überwiegenden
Mehrzahl nach, früher selbst Dozenten gewesen. Wir kennen die Freuden aber
auch die Leiden eines Dozenten, besonders seine oft getäuschten Erwartungen
baldiger Anstellung, alle aus eigener Erfahrung. Und ferner, wir wissen sehr
wohl, daß jeder einzelne Dozent, der neben uns lehrt, mit unserem Zuthun,
aber ebenso gut ohne unser Zuthun in jedem Augenblicke Professor, d. h.
unser College werden kann. Sollten wir uns da versucht fühlen zu Chicanen
und Bedrängungen? Für so unpraktisch sollte uns selbst der Philister nicht
halten, der von unserem unpraktischen Wesen sich Geschichtchen zu erzählen
liebt. Doch, ernsthaft zu reden: Jeder, der Universitäten kennt, wird uns be¬
stätigen, daß die Regel, -- eine Regel von der es nur wenige Ausnahmen
giebt, -- ein sehr collegialisches und harmonisches und beiderseitig erfreuliches


Nun hat sich — es ist schwer zu sagen, woher das gekommen — im
außerakademischen Publikum eine sonderbare Auffassung über diese Dinge ge¬
bildet. Man beklagt die rechtlose Stellung der Dozenten; man bedauert, daß
sie unentgeltlich ein Lehramt auszuüben hätten; man malt sich ein melodrama¬
tisches Bild aus von dem Gegensatze zwischen Professoren und Dozenten, den
man sich etwa so denkt, wie die Gefühle des reichen Geizhalses gegen die er¬
wartungsvollen Erben. Man kann das immer wieder hören, daß der ver¬
diente Dozent von dem privilegirten Professor (der dann des besseren Effektes
halber ein abgelebter leistungsunfähiger gallsüchtiger Pedant sein muß) arg
gedrückt, mißtrauisch beobachtet und auf jede Weise niedergehalten würde;
u. dergl. mehr.

Das alles sind Einbildungen, Produkte einer den Dozenten wohlgeneig¬
ten aber einseitig ungerechten Phantasie. Das Publikum in seinem lobens-
werthen Wohlwollen für diese Klasse von Gelehrten, auf denen die Hoffnung
der Zukunft beruht, ist von vorneherein zwei Irrthümer zu begehen ge¬
neigt durch die ihm eine richtige Beurtheilung nahezu unmöglich gemacht wird.
Erstens, man übersieht, daß der Privatdozent freiwillig es übernimmt
eine Borbereitungsstufe für seinen Beruf durchzumachen. Jeder Gelehrte, der
Privatdozent wird, weiß, daß er eine Reihe von Jahren der Universität
dienen muß ohne staatliche Belohnung; er weiß von vorneherein, daß er
einer Probe- und Schulzeit entgegengeht, an deren Ende ihm erst die Pro¬
fessur als der erwartete Lohn winkt.

Man könnte die Stellung des Privatdozenten vergleichen mit der des
Referendars, nur daß dieser die unentgeltliche Probezeit nicht freiwillig, son¬
dern gezwungen auf sich nimmt. Sodann aber, man erträumt sich einen Ge¬
gensatz zwischen Professor und Privatdozent, der in der Wirklichkeit nicht vor¬
handen ist. Wer das akademische Leben kennt, weiß, daß diese Dinge ganz
anders verlaufen.

Wir Professoren sind unserer Mehrzahl nach und zwar der überwiegenden
Mehrzahl nach, früher selbst Dozenten gewesen. Wir kennen die Freuden aber
auch die Leiden eines Dozenten, besonders seine oft getäuschten Erwartungen
baldiger Anstellung, alle aus eigener Erfahrung. Und ferner, wir wissen sehr
wohl, daß jeder einzelne Dozent, der neben uns lehrt, mit unserem Zuthun,
aber ebenso gut ohne unser Zuthun in jedem Augenblicke Professor, d. h.
unser College werden kann. Sollten wir uns da versucht fühlen zu Chicanen
und Bedrängungen? Für so unpraktisch sollte uns selbst der Philister nicht
halten, der von unserem unpraktischen Wesen sich Geschichtchen zu erzählen
liebt. Doch, ernsthaft zu reden: Jeder, der Universitäten kennt, wird uns be¬
stätigen, daß die Regel, — eine Regel von der es nur wenige Ausnahmen
giebt, — ein sehr collegialisches und harmonisches und beiderseitig erfreuliches


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[0126] Nun hat sich — es ist schwer zu sagen, woher das gekommen — im außerakademischen Publikum eine sonderbare Auffassung über diese Dinge ge¬ bildet. Man beklagt die rechtlose Stellung der Dozenten; man bedauert, daß sie unentgeltlich ein Lehramt auszuüben hätten; man malt sich ein melodrama¬ tisches Bild aus von dem Gegensatze zwischen Professoren und Dozenten, den man sich etwa so denkt, wie die Gefühle des reichen Geizhalses gegen die er¬ wartungsvollen Erben. Man kann das immer wieder hören, daß der ver¬ diente Dozent von dem privilegirten Professor (der dann des besseren Effektes halber ein abgelebter leistungsunfähiger gallsüchtiger Pedant sein muß) arg gedrückt, mißtrauisch beobachtet und auf jede Weise niedergehalten würde; u. dergl. mehr. Das alles sind Einbildungen, Produkte einer den Dozenten wohlgeneig¬ ten aber einseitig ungerechten Phantasie. Das Publikum in seinem lobens- werthen Wohlwollen für diese Klasse von Gelehrten, auf denen die Hoffnung der Zukunft beruht, ist von vorneherein zwei Irrthümer zu begehen ge¬ neigt durch die ihm eine richtige Beurtheilung nahezu unmöglich gemacht wird. Erstens, man übersieht, daß der Privatdozent freiwillig es übernimmt eine Borbereitungsstufe für seinen Beruf durchzumachen. Jeder Gelehrte, der Privatdozent wird, weiß, daß er eine Reihe von Jahren der Universität dienen muß ohne staatliche Belohnung; er weiß von vorneherein, daß er einer Probe- und Schulzeit entgegengeht, an deren Ende ihm erst die Pro¬ fessur als der erwartete Lohn winkt. Man könnte die Stellung des Privatdozenten vergleichen mit der des Referendars, nur daß dieser die unentgeltliche Probezeit nicht freiwillig, son¬ dern gezwungen auf sich nimmt. Sodann aber, man erträumt sich einen Ge¬ gensatz zwischen Professor und Privatdozent, der in der Wirklichkeit nicht vor¬ handen ist. Wer das akademische Leben kennt, weiß, daß diese Dinge ganz anders verlaufen. Wir Professoren sind unserer Mehrzahl nach und zwar der überwiegenden Mehrzahl nach, früher selbst Dozenten gewesen. Wir kennen die Freuden aber auch die Leiden eines Dozenten, besonders seine oft getäuschten Erwartungen baldiger Anstellung, alle aus eigener Erfahrung. Und ferner, wir wissen sehr wohl, daß jeder einzelne Dozent, der neben uns lehrt, mit unserem Zuthun, aber ebenso gut ohne unser Zuthun in jedem Augenblicke Professor, d. h. unser College werden kann. Sollten wir uns da versucht fühlen zu Chicanen und Bedrängungen? Für so unpraktisch sollte uns selbst der Philister nicht halten, der von unserem unpraktischen Wesen sich Geschichtchen zu erzählen liebt. Doch, ernsthaft zu reden: Jeder, der Universitäten kennt, wird uns be¬ stätigen, daß die Regel, — eine Regel von der es nur wenige Ausnahmen giebt, — ein sehr collegialisches und harmonisches und beiderseitig erfreuliches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/126>, abgerufen am 06.02.2025.