Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.gründung hierarchischer Ansprüche auf das Gewissen illustrirte nun der Abge¬ Setzt der Papst den Fuß auf den elektrischen Knopf, so entsteht Gewissens¬ Er wird nicht sagen, daß er in seinem Gewissen bedrängt worden, Gerade so hätten die französischen Generale sich beklagen können, daß Der Abgeordnete Jung wußte noch andere Seiten, der Stellung, welche Aber hat der Ultramontanismus jemals daran gedacht, sich seinerseits an gründung hierarchischer Ansprüche auf das Gewissen illustrirte nun der Abge¬ Setzt der Papst den Fuß auf den elektrischen Knopf, so entsteht Gewissens¬ Er wird nicht sagen, daß er in seinem Gewissen bedrängt worden, Gerade so hätten die französischen Generale sich beklagen können, daß Der Abgeordnete Jung wußte noch andere Seiten, der Stellung, welche Aber hat der Ultramontanismus jemals daran gedacht, sich seinerseits an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133409"/> <p xml:id="ID_390" prev="#ID_389"> gründung hierarchischer Ansprüche auf das Gewissen illustrirte nun der Abge¬<lb/> ordnete Jung vortrefflich durch den Vergleich des ultramontanen Gewissens<lb/> mit einem Werkzeug, das von einem Telegraphendraht regiert wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_391"> Setzt der Papst den Fuß auf den elektrischen Knopf, so entsteht Gewissens¬<lb/> noth, zieht er ihn zurück, so hört sie auf. Keiner der Herren vom Centrum<lb/> wagte auf diese Illustration etwa zu entgegnen, daß jeder Soldat und jeder<lb/> im öffentlichen Dienst Stehende in derselben Lage sei. Das war sehr vorsichtig,<lb/> denn mit solchen Beispielen hätten die Redner unmittelbar anerkannt, wer die<lb/> Streitenden sind: nämlich der hierarchische Staat und der nationale Staat,<lb/> nicht aber der Staat und das Gewissen. Das Gewissen hört auf, wo es sich<lb/> nur gehorchend und ausführend verhält. Ein Soldat, der eine gewisse Stel¬<lb/> lung besetzt, wird sich auf den erhaltenen Befehl, aber nicht auf sein Gewissen<lb/> berufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_392"> Er wird nicht sagen, daß er in seinem Gewissen bedrängt worden,<lb/> wenn der Feind ihm die Ausführung des Befehls verwehrt. Freilich gebietet<lb/> das Gewissen, einen übernommenen Dienst oder Beruf treulich auszuführen.<lb/> Aber wenn eine dritte Gewalt den Beruf selbst schädlich findet oder mit ihrem<lb/> Recht unvereinbar, so ist es eine seltsame Verdrehung, von Bedrückung des<lb/> Gewissens zu sprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_393"> Gerade so hätten die französischen Generale sich beklagen können, daß<lb/> man ihnen 1870 nicht erlaubt, dem erhaltenen Auftrag gemäß in Deutschland<lb/> einzufallen. Heilig für Freund und Feind ist nur das persönliche Gewissen<lb/> für den Umkreis der innern Rechte der Persönlichkeit,, darum hat Niemand<lb/> daran gedacht, französische Soldaten zu einem andern Glauben oder zu einem<lb/> andern Patriotismus zu bekehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_394"> Der Abgeordnete Jung wußte noch andere Seiten, der Stellung, welche<lb/> die Hierarchie einnimmt, glücklich zu beleuchten. Von ultramontaner Seite<lb/> wird zu Gunsten der ungekränkten Ansprüche der Hierarchie nicht nur an die<lb/> Gewissensfreiheit, sondern auch an die modernen Grundsätze der Toleranz, der<lb/> Gleichberechtigung der Konfessionen u. f. w. appellirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_395"> Aber hat der Ultramontanismus jemals daran gedacht, sich seinerseits an<lb/> dieselben Grundsätze zu binden? Erst in diesem Jahre hat der Papst wiede¬<lb/> rum ein sogenanntes Jubeljahr verkündet und in Folge dessen allgemeine Ge¬<lb/> bete zur Bekehrung der abgefallenen Ketzer angeordnet. Zwei Drittheile der<lb/> Bewohner des preußischen Staates sind solche Ketzer, für deren Bekehrung<lb/> oder Ausrottung das eine Drittheil zu beten angehalten wird. Gehört es<lb/> nun zur Toleranz, solche Ansprüche nicht nur zu dulden, sondern durch jedes<lb/> erdenkliche Mittel groß zu ziehen? Ganz mit Recht fragte der Abgeordnete<lb/> Jung die Herren vom Centrum, was sie sagen würden, wenn der Oberkirchen¬<lb/> rath Gebete zur Ausrottung der Katholiken anordnen wollte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
gründung hierarchischer Ansprüche auf das Gewissen illustrirte nun der Abge¬
ordnete Jung vortrefflich durch den Vergleich des ultramontanen Gewissens
mit einem Werkzeug, das von einem Telegraphendraht regiert wird.
Setzt der Papst den Fuß auf den elektrischen Knopf, so entsteht Gewissens¬
noth, zieht er ihn zurück, so hört sie auf. Keiner der Herren vom Centrum
wagte auf diese Illustration etwa zu entgegnen, daß jeder Soldat und jeder
im öffentlichen Dienst Stehende in derselben Lage sei. Das war sehr vorsichtig,
denn mit solchen Beispielen hätten die Redner unmittelbar anerkannt, wer die
Streitenden sind: nämlich der hierarchische Staat und der nationale Staat,
nicht aber der Staat und das Gewissen. Das Gewissen hört auf, wo es sich
nur gehorchend und ausführend verhält. Ein Soldat, der eine gewisse Stel¬
lung besetzt, wird sich auf den erhaltenen Befehl, aber nicht auf sein Gewissen
berufen.
Er wird nicht sagen, daß er in seinem Gewissen bedrängt worden,
wenn der Feind ihm die Ausführung des Befehls verwehrt. Freilich gebietet
das Gewissen, einen übernommenen Dienst oder Beruf treulich auszuführen.
Aber wenn eine dritte Gewalt den Beruf selbst schädlich findet oder mit ihrem
Recht unvereinbar, so ist es eine seltsame Verdrehung, von Bedrückung des
Gewissens zu sprechen.
Gerade so hätten die französischen Generale sich beklagen können, daß
man ihnen 1870 nicht erlaubt, dem erhaltenen Auftrag gemäß in Deutschland
einzufallen. Heilig für Freund und Feind ist nur das persönliche Gewissen
für den Umkreis der innern Rechte der Persönlichkeit,, darum hat Niemand
daran gedacht, französische Soldaten zu einem andern Glauben oder zu einem
andern Patriotismus zu bekehren.
Der Abgeordnete Jung wußte noch andere Seiten, der Stellung, welche
die Hierarchie einnimmt, glücklich zu beleuchten. Von ultramontaner Seite
wird zu Gunsten der ungekränkten Ansprüche der Hierarchie nicht nur an die
Gewissensfreiheit, sondern auch an die modernen Grundsätze der Toleranz, der
Gleichberechtigung der Konfessionen u. f. w. appellirt.
Aber hat der Ultramontanismus jemals daran gedacht, sich seinerseits an
dieselben Grundsätze zu binden? Erst in diesem Jahre hat der Papst wiede¬
rum ein sogenanntes Jubeljahr verkündet und in Folge dessen allgemeine Ge¬
bete zur Bekehrung der abgefallenen Ketzer angeordnet. Zwei Drittheile der
Bewohner des preußischen Staates sind solche Ketzer, für deren Bekehrung
oder Ausrottung das eine Drittheil zu beten angehalten wird. Gehört es
nun zur Toleranz, solche Ansprüche nicht nur zu dulden, sondern durch jedes
erdenkliche Mittel groß zu ziehen? Ganz mit Recht fragte der Abgeordnete
Jung die Herren vom Centrum, was sie sagen würden, wenn der Oberkirchen¬
rath Gebete zur Ausrottung der Katholiken anordnen wollte.
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