Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.mit kräftigem Worte ausspricht. Es lag für einen andersgesinnten Dichter Die Kirche verschmäht die kleinen Mittel der Intriguen und der indirek¬ Zwischen Sindred und Roderich wird der Kirchenkampf geschlagen. Wie¬ Gleich in der ersten Scene, in der sich die Bischöfe für die Wahl Rode- "Biel für die Hörer, Brüder, Trotz aller seiner Einsicht aber läßt Sindred sich von Roderich überlisten, mit kräftigem Worte ausspricht. Es lag für einen andersgesinnten Dichter Die Kirche verschmäht die kleinen Mittel der Intriguen und der indirek¬ Zwischen Sindred und Roderich wird der Kirchenkampf geschlagen. Wie¬ Gleich in der ersten Scene, in der sich die Bischöfe für die Wahl Rode- „Biel für die Hörer, Brüder, Trotz aller seiner Einsicht aber läßt Sindred sich von Roderich überlisten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133394"/> <p xml:id="ID_328" prev="#ID_327"> mit kräftigem Worte ausspricht. Es lag für einen andersgesinnten Dichter<lb/> die Gefahr nahe, dem Vertreter der bekämpften Kirchengewalt die Züge des<lb/> hergebrachten Theaterbösewichtes und Intriganten zu verleihen. Davon ist<lb/> Dahn so weit als möglich entfernt. Sein Kirchenfürst ist in der That ein<lb/> Bild jener großen Kirchenmänner des Mittelalters, die sich die Welt zu be¬<lb/> herrschen angemaßt und eine wirkliche Herrschaft auszuüben sich befähigt er¬<lb/> wiesen haben. Nur ein ins Geistesleben des Mittelalters so tief eingedrungener<lb/> Dichter, wie der Rechtshistoriker Dahn augenscheinlich dies von sich rühmen<lb/> darf, vermochte in Zeichnung und Farbenstellung ein so treues, historisch und<lb/> psychologisch wahres Charakterbild zu schaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_329"> Die Kirche verschmäht die kleinen Mittel der Intriguen und der indirek¬<lb/> ten Wege durchaus nicht, wo sie Erfolge von ihnen erwartet; sie pflegt ihre<lb/> Feinde nicht zu unterschätzen; sie sucht lieber in freundlicher Weise den Gegner,<lb/> der als solcher ihr kräftig entgegentritt, für sich zu gewinnen, als daß sie<lb/> von vornherein auf Kampf und Krieg sich einrichtet. Erst wenn der Com-<lb/> promiß sich als unthunlich herausgestellt, dann erst erhebt sie den Kampf,<lb/> dann aber auch mit voller Wucht, mit allen Mitteln, ohne Rücksicht und<lb/> Bedenken in der Wahl ihrer Waffen. Und wo sie mit ihrer Agitation auf<lb/> Erfolg rechnen darf, an welche Gefühle sie sich wenden muß, — Niemand<lb/> weiß dies besser als derjenige, dem die Kirche die Herrschaft über Menschen<lb/> aufträgt. Der Sindred Dahn's ist ein Musterbild eines solchen Bischofs: alle<lb/> wesentlichen Züge und Elemente, welche nach Erfahrung der Geschichte den<lb/> Charakter eines solchen Bischofes ausmachen, sind in ihm mit gut gewählter<lb/> Mischung alles .Einzelnen vorhanden. Diesem Geschöpfe seiner Muse hat<lb/> Dahn das vollste Gepräge von Lebenswahrheit verliehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_330"> Zwischen Sindred und Roderich wird der Kirchenkampf geschlagen. Wie¬<lb/> derholt treten sie sich persönlich gegenüber, wiederholt sprechen sie den Gegen¬<lb/> satz der Prinzipien gegeneinander aus. Wir möchten zum Schluß dieser Be¬<lb/> sprechung auf einige Stellen hinweisen, welche in besonders gelungener Form<lb/> die streitenden Prinzipien kundgeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_331"> Gleich in der ersten Scene, in der sich die Bischöfe für die Wahl Rode-<lb/> rich's entscheiden und Sindred jenen Eid von Roderich zu erheischen vor«<lb/> schlägt, entgegnet er dem Einwurf: „Was gilt ein Eid!" mit dem gut ge¬<lb/> dachten Worte:</p><lb/> <quote> „Biel für die Hörer, Brüder,<lb/> Und d'rum auch Eiliges für den Schwörer selbst.</quote><lb/> <p xml:id="ID_332" next="#ID_333"> Trotz aller seiner Einsicht aber läßt Sindred sich von Roderich überlisten,<lb/> wie wir schon berichtet haben. Anfangs glaubt er noch nicht recht an den<lb/> Ernst des Königs, wider die Kirche zu streiten; der Priester, der die Schwä¬<lb/> chen der Menschen kennt meint, Roderich verfolge ganz andere Ziele. Aber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
mit kräftigem Worte ausspricht. Es lag für einen andersgesinnten Dichter
die Gefahr nahe, dem Vertreter der bekämpften Kirchengewalt die Züge des
hergebrachten Theaterbösewichtes und Intriganten zu verleihen. Davon ist
Dahn so weit als möglich entfernt. Sein Kirchenfürst ist in der That ein
Bild jener großen Kirchenmänner des Mittelalters, die sich die Welt zu be¬
herrschen angemaßt und eine wirkliche Herrschaft auszuüben sich befähigt er¬
wiesen haben. Nur ein ins Geistesleben des Mittelalters so tief eingedrungener
Dichter, wie der Rechtshistoriker Dahn augenscheinlich dies von sich rühmen
darf, vermochte in Zeichnung und Farbenstellung ein so treues, historisch und
psychologisch wahres Charakterbild zu schaffen.
Die Kirche verschmäht die kleinen Mittel der Intriguen und der indirek¬
ten Wege durchaus nicht, wo sie Erfolge von ihnen erwartet; sie pflegt ihre
Feinde nicht zu unterschätzen; sie sucht lieber in freundlicher Weise den Gegner,
der als solcher ihr kräftig entgegentritt, für sich zu gewinnen, als daß sie
von vornherein auf Kampf und Krieg sich einrichtet. Erst wenn der Com-
promiß sich als unthunlich herausgestellt, dann erst erhebt sie den Kampf,
dann aber auch mit voller Wucht, mit allen Mitteln, ohne Rücksicht und
Bedenken in der Wahl ihrer Waffen. Und wo sie mit ihrer Agitation auf
Erfolg rechnen darf, an welche Gefühle sie sich wenden muß, — Niemand
weiß dies besser als derjenige, dem die Kirche die Herrschaft über Menschen
aufträgt. Der Sindred Dahn's ist ein Musterbild eines solchen Bischofs: alle
wesentlichen Züge und Elemente, welche nach Erfahrung der Geschichte den
Charakter eines solchen Bischofes ausmachen, sind in ihm mit gut gewählter
Mischung alles .Einzelnen vorhanden. Diesem Geschöpfe seiner Muse hat
Dahn das vollste Gepräge von Lebenswahrheit verliehen.
Zwischen Sindred und Roderich wird der Kirchenkampf geschlagen. Wie¬
derholt treten sie sich persönlich gegenüber, wiederholt sprechen sie den Gegen¬
satz der Prinzipien gegeneinander aus. Wir möchten zum Schluß dieser Be¬
sprechung auf einige Stellen hinweisen, welche in besonders gelungener Form
die streitenden Prinzipien kundgeben.
Gleich in der ersten Scene, in der sich die Bischöfe für die Wahl Rode-
rich's entscheiden und Sindred jenen Eid von Roderich zu erheischen vor«
schlägt, entgegnet er dem Einwurf: „Was gilt ein Eid!" mit dem gut ge¬
dachten Worte:
„Biel für die Hörer, Brüder,
Und d'rum auch Eiliges für den Schwörer selbst.
Trotz aller seiner Einsicht aber läßt Sindred sich von Roderich überlisten,
wie wir schon berichtet haben. Anfangs glaubt er noch nicht recht an den
Ernst des Königs, wider die Kirche zu streiten; der Priester, der die Schwä¬
chen der Menschen kennt meint, Roderich verfolge ganz andere Ziele. Aber
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