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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Eine Ergänzung dieses Aussatzes von Dr. Beyschlag bildet die Darlegung der
Stellung der rheinischen und westfälischen Provinzialkirche zur Organisation
der preußischen Landeskirche von Prof. Dr. W. Kr äfft, insofern auch sie
einen historischen Rückblick enthält und zwar auf die Kämpfe der Provinzial-
ktrchen Rheinlands und Westfalens zur volleren Ausgestaltung der synodalen
Verfassung. Daß diese Kämpfe nur einen sehr geringen Erfolg hatten, wissen
wir. und es kann nicht unsere Aufgabe sein, die einzelnen Stadien derselben
aufzuweisen. Wir kennen auch die Ursache dieser geringen Erfolge. Jede
Fortbildung der synodalen Verfassung in Rheinland und Westfalen war eine
Nöthigung mehr, wenn nicht die evangelische Landeskirche die Einheit völlig
verlieren sollte, auch den Kirchen der östlichen Provinzen das Recht der Selbst¬
regierung zu geben. Dazu war aber keine Neigung vorhanden. Friedrich
Wilhelm IV. duldete mit innerem Widerstreben die synodale Organisation in
den westlichen Provinzen. Er sah in ihr das Product des modernen Geistes,
eine Uebertragung des politischen Constitutionalismus auf das kirchliche Le¬
ben. Das repräsentative Element war ihm antipathisch. Diese weite Kluft,
welche den König von den Grundgedanken der synodalen Verfassung trennte,
wurde besonders sichtbar, als 1851 die Revision der Verfassung von 1835,
wie sie von der westfälischen und rheinischen Provinzialsynode vollzogen war,
dem Könige zur Sanktion vorgelegt wurde. Nachdem auf seinen Befehl alle
Bestandtheile der revidirten Verfassung, welche dem bisherigen Bestände des
landeskirchlichen Regiments und der übrigen landesherrlichen Rechte entgegen
träten, beseitigt waren, gestattete er durch die Cabinetsordre vom 13. Juni
1853, daß das Revisionswerk ins Leben trete, verweigerte ihm aber die Sank¬
tion. Er lehnte jede Gemeinschaft mit demselben ab und sprach deutlich und
bestimmt die Gründe aus, die ihn dabei leiteten. Das gerechte, zum Theil
schon gewährte Streben nach Emancipation vom Staate und nach festerer
Gestaltung habe etwas krankhaft Erregtes. Der Versuch, durch Verfassungen
der evangelischen Kirche zu helfen, sei falsch und verderblich. Verfassungen
könnten nur dann unschädlich sein, wenn sie der Ausdruck bereits vorhandener,
begründeter und ausgebildeter Zustände wären. In der Verfassung sieht er
den Versuch, die göttliche Schöpfung der Kirche durch Menschenwerk und
Constitutionen zu stützen. Er verweist auf die apostolischen Anordnungen für
die äußere Gestalt der Kirche, erkennt in dem Gehorsam gegen dieselben die
Bollendung der Reformation. Die rechten Hände, in welche er die Kirchen¬
gewalt niederlegen will, sind ihm apostolisch gestaltete Kirchen, geringen über¬
sichtlichen Umfangs, in deren jeder das Leben, die Ordnungen, die Aemter
der allgemeinen Kirche des Herrn auf Erden wie in einer kleinen Welt und
für dieselbe thätig sind.

Der Oberkirchenrath konnte nicht unterlassen, dem König vorzustellen,


Eine Ergänzung dieses Aussatzes von Dr. Beyschlag bildet die Darlegung der
Stellung der rheinischen und westfälischen Provinzialkirche zur Organisation
der preußischen Landeskirche von Prof. Dr. W. Kr äfft, insofern auch sie
einen historischen Rückblick enthält und zwar auf die Kämpfe der Provinzial-
ktrchen Rheinlands und Westfalens zur volleren Ausgestaltung der synodalen
Verfassung. Daß diese Kämpfe nur einen sehr geringen Erfolg hatten, wissen
wir. und es kann nicht unsere Aufgabe sein, die einzelnen Stadien derselben
aufzuweisen. Wir kennen auch die Ursache dieser geringen Erfolge. Jede
Fortbildung der synodalen Verfassung in Rheinland und Westfalen war eine
Nöthigung mehr, wenn nicht die evangelische Landeskirche die Einheit völlig
verlieren sollte, auch den Kirchen der östlichen Provinzen das Recht der Selbst¬
regierung zu geben. Dazu war aber keine Neigung vorhanden. Friedrich
Wilhelm IV. duldete mit innerem Widerstreben die synodale Organisation in
den westlichen Provinzen. Er sah in ihr das Product des modernen Geistes,
eine Uebertragung des politischen Constitutionalismus auf das kirchliche Le¬
ben. Das repräsentative Element war ihm antipathisch. Diese weite Kluft,
welche den König von den Grundgedanken der synodalen Verfassung trennte,
wurde besonders sichtbar, als 1851 die Revision der Verfassung von 1835,
wie sie von der westfälischen und rheinischen Provinzialsynode vollzogen war,
dem Könige zur Sanktion vorgelegt wurde. Nachdem auf seinen Befehl alle
Bestandtheile der revidirten Verfassung, welche dem bisherigen Bestände des
landeskirchlichen Regiments und der übrigen landesherrlichen Rechte entgegen
träten, beseitigt waren, gestattete er durch die Cabinetsordre vom 13. Juni
1853, daß das Revisionswerk ins Leben trete, verweigerte ihm aber die Sank¬
tion. Er lehnte jede Gemeinschaft mit demselben ab und sprach deutlich und
bestimmt die Gründe aus, die ihn dabei leiteten. Das gerechte, zum Theil
schon gewährte Streben nach Emancipation vom Staate und nach festerer
Gestaltung habe etwas krankhaft Erregtes. Der Versuch, durch Verfassungen
der evangelischen Kirche zu helfen, sei falsch und verderblich. Verfassungen
könnten nur dann unschädlich sein, wenn sie der Ausdruck bereits vorhandener,
begründeter und ausgebildeter Zustände wären. In der Verfassung sieht er
den Versuch, die göttliche Schöpfung der Kirche durch Menschenwerk und
Constitutionen zu stützen. Er verweist auf die apostolischen Anordnungen für
die äußere Gestalt der Kirche, erkennt in dem Gehorsam gegen dieselben die
Bollendung der Reformation. Die rechten Hände, in welche er die Kirchen¬
gewalt niederlegen will, sind ihm apostolisch gestaltete Kirchen, geringen über¬
sichtlichen Umfangs, in deren jeder das Leben, die Ordnungen, die Aemter
der allgemeinen Kirche des Herrn auf Erden wie in einer kleinen Welt und
für dieselbe thätig sind.

Der Oberkirchenrath konnte nicht unterlassen, dem König vorzustellen,


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[0093] Eine Ergänzung dieses Aussatzes von Dr. Beyschlag bildet die Darlegung der Stellung der rheinischen und westfälischen Provinzialkirche zur Organisation der preußischen Landeskirche von Prof. Dr. W. Kr äfft, insofern auch sie einen historischen Rückblick enthält und zwar auf die Kämpfe der Provinzial- ktrchen Rheinlands und Westfalens zur volleren Ausgestaltung der synodalen Verfassung. Daß diese Kämpfe nur einen sehr geringen Erfolg hatten, wissen wir. und es kann nicht unsere Aufgabe sein, die einzelnen Stadien derselben aufzuweisen. Wir kennen auch die Ursache dieser geringen Erfolge. Jede Fortbildung der synodalen Verfassung in Rheinland und Westfalen war eine Nöthigung mehr, wenn nicht die evangelische Landeskirche die Einheit völlig verlieren sollte, auch den Kirchen der östlichen Provinzen das Recht der Selbst¬ regierung zu geben. Dazu war aber keine Neigung vorhanden. Friedrich Wilhelm IV. duldete mit innerem Widerstreben die synodale Organisation in den westlichen Provinzen. Er sah in ihr das Product des modernen Geistes, eine Uebertragung des politischen Constitutionalismus auf das kirchliche Le¬ ben. Das repräsentative Element war ihm antipathisch. Diese weite Kluft, welche den König von den Grundgedanken der synodalen Verfassung trennte, wurde besonders sichtbar, als 1851 die Revision der Verfassung von 1835, wie sie von der westfälischen und rheinischen Provinzialsynode vollzogen war, dem Könige zur Sanktion vorgelegt wurde. Nachdem auf seinen Befehl alle Bestandtheile der revidirten Verfassung, welche dem bisherigen Bestände des landeskirchlichen Regiments und der übrigen landesherrlichen Rechte entgegen träten, beseitigt waren, gestattete er durch die Cabinetsordre vom 13. Juni 1853, daß das Revisionswerk ins Leben trete, verweigerte ihm aber die Sank¬ tion. Er lehnte jede Gemeinschaft mit demselben ab und sprach deutlich und bestimmt die Gründe aus, die ihn dabei leiteten. Das gerechte, zum Theil schon gewährte Streben nach Emancipation vom Staate und nach festerer Gestaltung habe etwas krankhaft Erregtes. Der Versuch, durch Verfassungen der evangelischen Kirche zu helfen, sei falsch und verderblich. Verfassungen könnten nur dann unschädlich sein, wenn sie der Ausdruck bereits vorhandener, begründeter und ausgebildeter Zustände wären. In der Verfassung sieht er den Versuch, die göttliche Schöpfung der Kirche durch Menschenwerk und Constitutionen zu stützen. Er verweist auf die apostolischen Anordnungen für die äußere Gestalt der Kirche, erkennt in dem Gehorsam gegen dieselben die Bollendung der Reformation. Die rechten Hände, in welche er die Kirchen¬ gewalt niederlegen will, sind ihm apostolisch gestaltete Kirchen, geringen über¬ sichtlichen Umfangs, in deren jeder das Leben, die Ordnungen, die Aemter der allgemeinen Kirche des Herrn auf Erden wie in einer kleinen Welt und für dieselbe thätig sind. Der Oberkirchenrath konnte nicht unterlassen, dem König vorzustellen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/93>, abgerufen am 23.07.2024.