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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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zwischen den bestehenden und schließlich noch am direktesten durch die Erbauung
der unterirdischen Eisenbahn.

London bietet in Bezug auf die Benutzung ein und derselben Bahn, der¬
selben Station, durch die verschiedensten Eisenbahngesellschaften ein überaus
interessantes Bild dar, besonders wenn man erwägt, daß alle die Mitbenutz¬
ungsverträge freiwillig geschlossen worden sind und zwar sehr häufig zwischen
Bahngesellschaften, die sich sonst überall die entschiedenste Concurrenz machen.
So werden mehrere Stationen und ausgedehnte Viaduetstrecken auf dem rechten
Themseufer gemeinschaftlich von je zweien derjenigen drei Bahngesellschaf¬
ten benutzt, die sich zwischen London, Dover und Brighton die lebhafteste
Concurrenz machen. So fahren aus derselben Victoriastation und über die¬
selbe Mctoriabrücke Züge verschiedener Bahngesellschaften nach dem Crystall-
palast; hinter der Themsebrücke theilen sich die Bahnlinien, sie berühren ver¬
schiedene Stadttheile, gelangen aber an denselben Endpunkt und jede der
Bahngesellschaften preist ihre Linie laut und mit möglichster Reclame als
die beste und kürzeste Verbindung zwischen dem Westend und dem genannten
so beliebten Vergnügungslocal der Londoner. Aeußerliche Verhältnisse treten
uns in Manchester und Birmingham entgegen.

In letzterer Stadt vereinigen sich gerade jene zwei Bahngesellschaften, die
sich überall zwischen London und Liverpool und in den ganzen mittlern Graf¬
schaften die entschiedenste und ausgesprochenste Concurrenz machen, nämlich
die London and North Western und die Midland-Eisenbahngesellschaft -- in
derselben Centralstation und es zeigt sich dort das eigenthümliche Schauspiel,
daß von demselben Perron gleichzeitig zwei Züge der zwei verschie¬
denen Bahnen nach derselben Endstation Derby abgelassen werden. Es
gibt wohl kein eklatanteres Beispiel dafür, daß es selbst zwischen den ent¬
schiedensten Feinden gemeinsame Berührungspunkte giebt, in denen sie sich sehr
wohl vertragen. Jede der beiden Bahngesellschaften hat die feste und ent¬
schieden ausgesprochene Absicht gehabt, ihren Bahnhof im Innern von Bir¬
mingham anzulegen. Wenn nun beide Bahnen ihre getrennten Anlagen ge¬
macht hätten, so wären die Kosten auch annähernd doppelt so hoch gewesen,
als bei der jetzigen Vereinigung, sie haben also sehr wohl gethan, sich über
dieselbe zu verständigen, denn im andern Falle hätten sie sich beide sehr be¬
deutende Kapitalverschleuderung zu Schulden kommen lassen. Derartige ge-.
trennte Anlagen aber nur etwa deßwegen zu machen, um die Concurrentin
zu ärgern, fällt heut zu Tage in England Niemandem mehr ein, dazu sind
Alle viel zu praktische Geschäftsleute.

Bei der so sehr großen Einwohnerzahl von London und den weiten Ent¬
fernungen, die daraus sich ergeben, muß natürlich jede Bahngesellschaft dahin
streben, ihre Anschlusse innerhalb der Stadt und in deren nächster Umgebung


zwischen den bestehenden und schließlich noch am direktesten durch die Erbauung
der unterirdischen Eisenbahn.

London bietet in Bezug auf die Benutzung ein und derselben Bahn, der¬
selben Station, durch die verschiedensten Eisenbahngesellschaften ein überaus
interessantes Bild dar, besonders wenn man erwägt, daß alle die Mitbenutz¬
ungsverträge freiwillig geschlossen worden sind und zwar sehr häufig zwischen
Bahngesellschaften, die sich sonst überall die entschiedenste Concurrenz machen.
So werden mehrere Stationen und ausgedehnte Viaduetstrecken auf dem rechten
Themseufer gemeinschaftlich von je zweien derjenigen drei Bahngesellschaf¬
ten benutzt, die sich zwischen London, Dover und Brighton die lebhafteste
Concurrenz machen. So fahren aus derselben Victoriastation und über die¬
selbe Mctoriabrücke Züge verschiedener Bahngesellschaften nach dem Crystall-
palast; hinter der Themsebrücke theilen sich die Bahnlinien, sie berühren ver¬
schiedene Stadttheile, gelangen aber an denselben Endpunkt und jede der
Bahngesellschaften preist ihre Linie laut und mit möglichster Reclame als
die beste und kürzeste Verbindung zwischen dem Westend und dem genannten
so beliebten Vergnügungslocal der Londoner. Aeußerliche Verhältnisse treten
uns in Manchester und Birmingham entgegen.

In letzterer Stadt vereinigen sich gerade jene zwei Bahngesellschaften, die
sich überall zwischen London und Liverpool und in den ganzen mittlern Graf¬
schaften die entschiedenste und ausgesprochenste Concurrenz machen, nämlich
die London and North Western und die Midland-Eisenbahngesellschaft — in
derselben Centralstation und es zeigt sich dort das eigenthümliche Schauspiel,
daß von demselben Perron gleichzeitig zwei Züge der zwei verschie¬
denen Bahnen nach derselben Endstation Derby abgelassen werden. Es
gibt wohl kein eklatanteres Beispiel dafür, daß es selbst zwischen den ent¬
schiedensten Feinden gemeinsame Berührungspunkte giebt, in denen sie sich sehr
wohl vertragen. Jede der beiden Bahngesellschaften hat die feste und ent¬
schieden ausgesprochene Absicht gehabt, ihren Bahnhof im Innern von Bir¬
mingham anzulegen. Wenn nun beide Bahnen ihre getrennten Anlagen ge¬
macht hätten, so wären die Kosten auch annähernd doppelt so hoch gewesen,
als bei der jetzigen Vereinigung, sie haben also sehr wohl gethan, sich über
dieselbe zu verständigen, denn im andern Falle hätten sie sich beide sehr be¬
deutende Kapitalverschleuderung zu Schulden kommen lassen. Derartige ge-.
trennte Anlagen aber nur etwa deßwegen zu machen, um die Concurrentin
zu ärgern, fällt heut zu Tage in England Niemandem mehr ein, dazu sind
Alle viel zu praktische Geschäftsleute.

Bei der so sehr großen Einwohnerzahl von London und den weiten Ent¬
fernungen, die daraus sich ergeben, muß natürlich jede Bahngesellschaft dahin
streben, ihre Anschlusse innerhalb der Stadt und in deren nächster Umgebung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/85>, abgerufen am 23.07.2024.