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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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darf, als ein Pfeil bei den Schwarzen ins '.Schwärze getroffen hatte. In der
zahlreich besuchten Altkatholiken-Versammlung in H. machte ich zum Schluß
die Anwesenden darauf aufmerksam, daß sie zu Hause den mehr oder weniger
starken Widerspruch der Frauen zu bekämpfen hätten, welche ja naturgemäß
gern am alten Herkommen festhalten und grade in der Religion jede Aende¬
rung so leicht als Frevel betrachten. Ich gab den Rath, die Frauen darauf
aufmerksam zu machen, wie .wenig die römische Kirche die wahre Frauenwürde
zu ehren wisse und daß der Altkatholicismus die Frauen höher stellen werde.
Ich begründete dieses durch die zu erwartende Aufhebung des Cölibates, da
das Verbot, daß ein Geistlicher ein Weib liebe und das Oberhaupt einer
Familie werde, eine Beleidigung der Frauen sei und gleichsam andeute, daß
die Liebe zum Weibe erniedrige. Zu erwarten sei ferner die Aufhebung der
Unsitte, Wöchnerinnen in der Kirche aufzuweisen, denn jeder Geistliche be¬
schimpfe durch diesen Akt, der die Mutterschaft als eine Sünde bezeichne,
seine eigene Mutter, und seine eigene Existenz. Die Entgegnungen derbster
Art, unter denen der Vorwurf der Unwissenheit eines Laien sehr stark ver¬
treten war, veranlaßten mich, den Rath, mich besser zu informiren, zu befolgen.
Nachstehende Studie ist das Resultat und glaube ich nicht in der Lage zu
sein, ein Jota von meinen obigen Behauptungen zurücknehmen zu müssen.

Bekanntlich besteht die Politik der Geistlichen vielfach in dem Principe,
durch die Schule die Kinder, durch die Kinder die Mütter, und durch die
Mütter die Männer zu beeinflussen. Wo also ihr Einfluß auf die Kinder
und Mütter bedroht ist, ist ihre ganze Politik bedroht und zwar an der
Wurzel. Das Weib ist die Barrikade, hinter die der Geistliche sich verschanzt,
wenn er nicht direkt den Mann erreichen kann. Des lieben Hausfriedens
wegen giebt so Mancher nach und läßt 2-j-2--5 sein, oder bleibt wenigstens
indifferent. Wie einschmeichelnd ist daher die Kirche, um sich das Gemüth
und die Anhänglichkeit der Frauen zu erobern und zu bewahren. Sie speculirt
mit bestem Erfolge auf die Schwäche. Ich war Zeuge einer Predigt, wo der
freundliche Geistliche bei einer Trauung ganz naiv gestand, der Segen der
Kirche gelte zumeist der Frau, da diese denselben am nöthigsten habe. Ja
er verwies in fast galanter Weise die junge Frau mehr auf den Beistand der
Kirche als auf die Liebe des Mannes. -- So wird principiell dem Manne
Concurrenz gemacht, und nicht mit Unrecht hob ein altkatholischer Prediger
jüngst bei einer Trauung hervor, daß ein Weib, das dem Priester ein größeres
Vertrauen wie dem Manne schenke, im Geiste diesem Priester mehr vermählt
wie ihrem Manne sei. Auf dem Lande ist dieser Zustand am häufigsten zu
finden. Geben wir auch gern zu, daß der Geistliche in besonderen Fällen
das Recht hat, einen Trunkenbold oder Verschwender, oder sonst den in einem
Laster Befangenen zu warnen, und hierdurch die Familie zu retten, so ist


darf, als ein Pfeil bei den Schwarzen ins '.Schwärze getroffen hatte. In der
zahlreich besuchten Altkatholiken-Versammlung in H. machte ich zum Schluß
die Anwesenden darauf aufmerksam, daß sie zu Hause den mehr oder weniger
starken Widerspruch der Frauen zu bekämpfen hätten, welche ja naturgemäß
gern am alten Herkommen festhalten und grade in der Religion jede Aende¬
rung so leicht als Frevel betrachten. Ich gab den Rath, die Frauen darauf
aufmerksam zu machen, wie .wenig die römische Kirche die wahre Frauenwürde
zu ehren wisse und daß der Altkatholicismus die Frauen höher stellen werde.
Ich begründete dieses durch die zu erwartende Aufhebung des Cölibates, da
das Verbot, daß ein Geistlicher ein Weib liebe und das Oberhaupt einer
Familie werde, eine Beleidigung der Frauen sei und gleichsam andeute, daß
die Liebe zum Weibe erniedrige. Zu erwarten sei ferner die Aufhebung der
Unsitte, Wöchnerinnen in der Kirche aufzuweisen, denn jeder Geistliche be¬
schimpfe durch diesen Akt, der die Mutterschaft als eine Sünde bezeichne,
seine eigene Mutter, und seine eigene Existenz. Die Entgegnungen derbster
Art, unter denen der Vorwurf der Unwissenheit eines Laien sehr stark ver¬
treten war, veranlaßten mich, den Rath, mich besser zu informiren, zu befolgen.
Nachstehende Studie ist das Resultat und glaube ich nicht in der Lage zu
sein, ein Jota von meinen obigen Behauptungen zurücknehmen zu müssen.

Bekanntlich besteht die Politik der Geistlichen vielfach in dem Principe,
durch die Schule die Kinder, durch die Kinder die Mütter, und durch die
Mütter die Männer zu beeinflussen. Wo also ihr Einfluß auf die Kinder
und Mütter bedroht ist, ist ihre ganze Politik bedroht und zwar an der
Wurzel. Das Weib ist die Barrikade, hinter die der Geistliche sich verschanzt,
wenn er nicht direkt den Mann erreichen kann. Des lieben Hausfriedens
wegen giebt so Mancher nach und läßt 2-j-2—5 sein, oder bleibt wenigstens
indifferent. Wie einschmeichelnd ist daher die Kirche, um sich das Gemüth
und die Anhänglichkeit der Frauen zu erobern und zu bewahren. Sie speculirt
mit bestem Erfolge auf die Schwäche. Ich war Zeuge einer Predigt, wo der
freundliche Geistliche bei einer Trauung ganz naiv gestand, der Segen der
Kirche gelte zumeist der Frau, da diese denselben am nöthigsten habe. Ja
er verwies in fast galanter Weise die junge Frau mehr auf den Beistand der
Kirche als auf die Liebe des Mannes. — So wird principiell dem Manne
Concurrenz gemacht, und nicht mit Unrecht hob ein altkatholischer Prediger
jüngst bei einer Trauung hervor, daß ein Weib, das dem Priester ein größeres
Vertrauen wie dem Manne schenke, im Geiste diesem Priester mehr vermählt
wie ihrem Manne sei. Auf dem Lande ist dieser Zustand am häufigsten zu
finden. Geben wir auch gern zu, daß der Geistliche in besonderen Fällen
das Recht hat, einen Trunkenbold oder Verschwender, oder sonst den in einem
Laster Befangenen zu warnen, und hierdurch die Familie zu retten, so ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/80>, abgerufen am 25.08.2024.