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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Während sich nun aber, etwa um 7 Uhr abends, diese große Bewegung
auf deutscher Seite vorbereitete, wurde es plötzlich auch wieder beim Feinde
lebendig. Die französischen Batterien nahmen ihr lange zurückgehaltenes
Feuer wieder auf und ihre Geschosse erreichten sogar den Standpunkt des
Königs. Alle französischen Reserven rückten in die vorderen Stellungen ein.
Gegen Se. Hubert und die Waldungen südl. der großen Straße brachen starke
Tirailleurschwärme vor und trieben die zum Theil führerlosen deutschen Mann¬
schaften auf dem Osthange über das freie Feld ins Mancethal zurück. -- In
dieser plötzlich eintretenden Gefechtskrisis, deren Erschütterung sich bis Grave-
lotte und Malmaison fühlbar machte und sogar im Rücken der Armee vorüber¬
gehende Verwirrung erzeugte, bildete die Ruhe der vorderen Linie und vor
Allem das stark besetzte Se. Hubert, wo die Batterie Gnügge treulich aus¬
hielt, einen sicheren Wall. Bald begannen auch die Gegenstöße der frischen
Bataillone wirksam zu werden.

Der großen Straße zunächst führte General von Barnekow die vier
Bataillone der 32. Brigade vor: an ihrer Spitze Major Einecke mit dem
4. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 72. In kräftigem Vorstoß wurde
der Feind bis über das Chausseeknie zurückgeworfen. -- General v. Zastrow
richtete seinen Angriff gegen die Stellungen der Division Bastoul südlich
von Point du jour und gelangte bis aus wenige hundert Schritte an die
Chaussee heran.

Für das 2. Armee-Corps bezeichneten die sich am abenddunklen Hori¬
zonte abhebenden Chaussee-Pappeln nahe dem niedergebrannten Point du jour
die allgemeine Richtung des Vorgehns. -- Es war nicht möglich, bei dem
schwindenden Tageslichte in breiter Front durch die Waldungen vorzugehn;
vielmehr war General v. Fransecki, für den es darauf ankam, sobald als
möglich auf dem jenseitigen Hange mit starker Macht einzugreifen, genöthigt,
sein Fußvolk längs der Chaussee vorzuschieben und es jenseits der Straßen¬
enge staffelweise, doch dicht hintereinander zum Angriff zu entwickeln. Von
seiner Artillerie fand nur noch ein geringer Theil Raum zur Ausstellung.

Unter den Augen des Generals v. Moltke durcheilten die pommerschen
Bataillone mit Trommelschlag und Hörnerklang die Schlucht. Es war ein
Augenblick hoher Spannung. Furchtbares feindliches Feuer raste über die
Chaussee hin, und mit besonderer Heftigkeit tobte der Kampf nach Se. Hubert
zu, ja das Zurückströmen zahlreicher Versprengter schien den Eintritt einer
neuen Gefechtskrise anzudeuten.

Einige Zeitlang herrschte die irrige Voraussetzung, daß Se. Hubert ver¬
loren sei. Zur Wiedergewinnung dieses wichtigen Punktes wurde daher so¬
fort die Avantgarde des 2. Corps bestimmt. Das Regiment No. 54 ging
im Laufschritt gegen das Gehöft vor; die pommerschen Jäger unterstützten


Während sich nun aber, etwa um 7 Uhr abends, diese große Bewegung
auf deutscher Seite vorbereitete, wurde es plötzlich auch wieder beim Feinde
lebendig. Die französischen Batterien nahmen ihr lange zurückgehaltenes
Feuer wieder auf und ihre Geschosse erreichten sogar den Standpunkt des
Königs. Alle französischen Reserven rückten in die vorderen Stellungen ein.
Gegen Se. Hubert und die Waldungen südl. der großen Straße brachen starke
Tirailleurschwärme vor und trieben die zum Theil führerlosen deutschen Mann¬
schaften auf dem Osthange über das freie Feld ins Mancethal zurück. — In
dieser plötzlich eintretenden Gefechtskrisis, deren Erschütterung sich bis Grave-
lotte und Malmaison fühlbar machte und sogar im Rücken der Armee vorüber¬
gehende Verwirrung erzeugte, bildete die Ruhe der vorderen Linie und vor
Allem das stark besetzte Se. Hubert, wo die Batterie Gnügge treulich aus¬
hielt, einen sicheren Wall. Bald begannen auch die Gegenstöße der frischen
Bataillone wirksam zu werden.

Der großen Straße zunächst führte General von Barnekow die vier
Bataillone der 32. Brigade vor: an ihrer Spitze Major Einecke mit dem
4. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 72. In kräftigem Vorstoß wurde
der Feind bis über das Chausseeknie zurückgeworfen. — General v. Zastrow
richtete seinen Angriff gegen die Stellungen der Division Bastoul südlich
von Point du jour und gelangte bis aus wenige hundert Schritte an die
Chaussee heran.

Für das 2. Armee-Corps bezeichneten die sich am abenddunklen Hori¬
zonte abhebenden Chaussee-Pappeln nahe dem niedergebrannten Point du jour
die allgemeine Richtung des Vorgehns. — Es war nicht möglich, bei dem
schwindenden Tageslichte in breiter Front durch die Waldungen vorzugehn;
vielmehr war General v. Fransecki, für den es darauf ankam, sobald als
möglich auf dem jenseitigen Hange mit starker Macht einzugreifen, genöthigt,
sein Fußvolk längs der Chaussee vorzuschieben und es jenseits der Straßen¬
enge staffelweise, doch dicht hintereinander zum Angriff zu entwickeln. Von
seiner Artillerie fand nur noch ein geringer Theil Raum zur Ausstellung.

Unter den Augen des Generals v. Moltke durcheilten die pommerschen
Bataillone mit Trommelschlag und Hörnerklang die Schlucht. Es war ein
Augenblick hoher Spannung. Furchtbares feindliches Feuer raste über die
Chaussee hin, und mit besonderer Heftigkeit tobte der Kampf nach Se. Hubert
zu, ja das Zurückströmen zahlreicher Versprengter schien den Eintritt einer
neuen Gefechtskrise anzudeuten.

Einige Zeitlang herrschte die irrige Voraussetzung, daß Se. Hubert ver¬
loren sei. Zur Wiedergewinnung dieses wichtigen Punktes wurde daher so¬
fort die Avantgarde des 2. Corps bestimmt. Das Regiment No. 54 ging
im Laufschritt gegen das Gehöft vor; die pommerschen Jäger unterstützten


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[0067] Während sich nun aber, etwa um 7 Uhr abends, diese große Bewegung auf deutscher Seite vorbereitete, wurde es plötzlich auch wieder beim Feinde lebendig. Die französischen Batterien nahmen ihr lange zurückgehaltenes Feuer wieder auf und ihre Geschosse erreichten sogar den Standpunkt des Königs. Alle französischen Reserven rückten in die vorderen Stellungen ein. Gegen Se. Hubert und die Waldungen südl. der großen Straße brachen starke Tirailleurschwärme vor und trieben die zum Theil führerlosen deutschen Mann¬ schaften auf dem Osthange über das freie Feld ins Mancethal zurück. — In dieser plötzlich eintretenden Gefechtskrisis, deren Erschütterung sich bis Grave- lotte und Malmaison fühlbar machte und sogar im Rücken der Armee vorüber¬ gehende Verwirrung erzeugte, bildete die Ruhe der vorderen Linie und vor Allem das stark besetzte Se. Hubert, wo die Batterie Gnügge treulich aus¬ hielt, einen sicheren Wall. Bald begannen auch die Gegenstöße der frischen Bataillone wirksam zu werden. Der großen Straße zunächst führte General von Barnekow die vier Bataillone der 32. Brigade vor: an ihrer Spitze Major Einecke mit dem 4. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 72. In kräftigem Vorstoß wurde der Feind bis über das Chausseeknie zurückgeworfen. — General v. Zastrow richtete seinen Angriff gegen die Stellungen der Division Bastoul südlich von Point du jour und gelangte bis aus wenige hundert Schritte an die Chaussee heran. Für das 2. Armee-Corps bezeichneten die sich am abenddunklen Hori¬ zonte abhebenden Chaussee-Pappeln nahe dem niedergebrannten Point du jour die allgemeine Richtung des Vorgehns. — Es war nicht möglich, bei dem schwindenden Tageslichte in breiter Front durch die Waldungen vorzugehn; vielmehr war General v. Fransecki, für den es darauf ankam, sobald als möglich auf dem jenseitigen Hange mit starker Macht einzugreifen, genöthigt, sein Fußvolk längs der Chaussee vorzuschieben und es jenseits der Straßen¬ enge staffelweise, doch dicht hintereinander zum Angriff zu entwickeln. Von seiner Artillerie fand nur noch ein geringer Theil Raum zur Ausstellung. Unter den Augen des Generals v. Moltke durcheilten die pommerschen Bataillone mit Trommelschlag und Hörnerklang die Schlucht. Es war ein Augenblick hoher Spannung. Furchtbares feindliches Feuer raste über die Chaussee hin, und mit besonderer Heftigkeit tobte der Kampf nach Se. Hubert zu, ja das Zurückströmen zahlreicher Versprengter schien den Eintritt einer neuen Gefechtskrise anzudeuten. Einige Zeitlang herrschte die irrige Voraussetzung, daß Se. Hubert ver¬ loren sei. Zur Wiedergewinnung dieses wichtigen Punktes wurde daher so¬ fort die Avantgarde des 2. Corps bestimmt. Das Regiment No. 54 ging im Laufschritt gegen das Gehöft vor; die pommerschen Jäger unterstützten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/67>, abgerufen am 23.07.2024.