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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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mit sich die Epoche mit der Ankunft des Marquis de Beaufford anfängt,
dessen schätzbare Bekanntschaft ich Ihnen mit jenen angenehmen Denkmalen
der Vor- und Mitwelt zu danken habe.

Für so viel Liebes und Gutes hätte ich denn auch wieder etwas Ange¬
nehmes erzeigt und da Sie mehr für andere, als für sich leben, so wollte ich
ein Blatt übersenden, womit Sie unserer lieben Pichler einen Spaß machen
sollten. Ich hatte ihren Agathokles in hiesiger Nuhe mit Aufmerksamkeit und
vielem Vergnügen gelesen und war geneigt, dasjenige, was ich dabei empfun¬
den und gedacht, flüchtig aufzuzeichnen. Allein ich merkte bald, daß ich zu
sehr ins Weite kam und mußte daher meinen löblichen Vorsatz aufgeben.

Sagen Sie ihr daher nur kürzlich, wie sehr die Zeichnung der Charaktere,
die Anlage und Durchführung derselben meinen Beifall habe, nicht weniger
die Fabel, welche ohne verworren zu sein, in einer prägnanten Zeit und auf
einem breiten, bedeutenden Local sich so reich als faßlich ausdehnt. Wie sehr
mich das angeborne Talent der Verfasserin und die Ausbildung desselben
dabei bestach, ist schon daraus ersichtlich, daß ich über diesem liebenswürdigen
Natur- und Kunstwerke ganz vergaß, wie wenig mir sonst jenes Jahrhundert
und die Gesinnungen, die darin triumphirend auftreten, eigentlich zusagen
können. Ja unsere Freundin wird es sich hoch anrechnen, daß ich nicht im
Mindesten verdrießlich geworden bin, wenn sie meinen Großoheim Hadrian
und seine Seelchen, meine übrige heydnische Sippschaft und ihre Geister nicht
zum Besten behandelt. Die innere Konsequenz des Werkes hat mich mit allen
Einzelnen, was mir sonst hätte fremd bleiben müssen, wirklich befreundet.

Nach meiner gewöhnlichen Weise habe ich auch bei diesem Werke ange¬
fangen, mir hie und da den Plan anzudeuten, einem Charakter eine andere
Richtung, einer Begebenheit eine andere Wendung zu ertheilen; ich muß aber
der Verfasserin zum Ruhm nachsagen, daß sie mich immer wieder durch die
Folge bekehrt und auf ihren eigenen Sinn zurückgebracht hat, so daß ich mich
wohl getraute, wohldurchdachte Arbeit in menschlichem und künstlerischen Sinn,
gegen jede Einwendung in Schutz zu nehmen. Nachdem ich sie so wohl
studirt, bin ich neugierig einige Recensionen derselben zu lesen.

Wenn es nicht zu spät wäre, ein solches Werk anzuzeigen, das nunmehr
schon in Jedermanns Händen ist, so hoffte ich, wo nicht die Verfasserin, doch
das Publikum mit einer neuen Ansicht desselben zu überraschen, daß man
nämlich die liebenswürdige Calpurnia für die Hauptperson erklärte, ihr alle
übrigen subordinirte, so wie auch die Begebenheiten sämmtlich auf sie bezöge.

Auf diese Weise würde man die Harmonie dieser Komposition aufs neue
recht anschaulich machen und könnte des Beifalls der alten und jungen Herrn
wenigstens hierbei gewiß versichert sein.

Dies mag nun wieder als Beispiel gelten, was alles für Grillen ein


mit sich die Epoche mit der Ankunft des Marquis de Beaufford anfängt,
dessen schätzbare Bekanntschaft ich Ihnen mit jenen angenehmen Denkmalen
der Vor- und Mitwelt zu danken habe.

Für so viel Liebes und Gutes hätte ich denn auch wieder etwas Ange¬
nehmes erzeigt und da Sie mehr für andere, als für sich leben, so wollte ich
ein Blatt übersenden, womit Sie unserer lieben Pichler einen Spaß machen
sollten. Ich hatte ihren Agathokles in hiesiger Nuhe mit Aufmerksamkeit und
vielem Vergnügen gelesen und war geneigt, dasjenige, was ich dabei empfun¬
den und gedacht, flüchtig aufzuzeichnen. Allein ich merkte bald, daß ich zu
sehr ins Weite kam und mußte daher meinen löblichen Vorsatz aufgeben.

Sagen Sie ihr daher nur kürzlich, wie sehr die Zeichnung der Charaktere,
die Anlage und Durchführung derselben meinen Beifall habe, nicht weniger
die Fabel, welche ohne verworren zu sein, in einer prägnanten Zeit und auf
einem breiten, bedeutenden Local sich so reich als faßlich ausdehnt. Wie sehr
mich das angeborne Talent der Verfasserin und die Ausbildung desselben
dabei bestach, ist schon daraus ersichtlich, daß ich über diesem liebenswürdigen
Natur- und Kunstwerke ganz vergaß, wie wenig mir sonst jenes Jahrhundert
und die Gesinnungen, die darin triumphirend auftreten, eigentlich zusagen
können. Ja unsere Freundin wird es sich hoch anrechnen, daß ich nicht im
Mindesten verdrießlich geworden bin, wenn sie meinen Großoheim Hadrian
und seine Seelchen, meine übrige heydnische Sippschaft und ihre Geister nicht
zum Besten behandelt. Die innere Konsequenz des Werkes hat mich mit allen
Einzelnen, was mir sonst hätte fremd bleiben müssen, wirklich befreundet.

Nach meiner gewöhnlichen Weise habe ich auch bei diesem Werke ange¬
fangen, mir hie und da den Plan anzudeuten, einem Charakter eine andere
Richtung, einer Begebenheit eine andere Wendung zu ertheilen; ich muß aber
der Verfasserin zum Ruhm nachsagen, daß sie mich immer wieder durch die
Folge bekehrt und auf ihren eigenen Sinn zurückgebracht hat, so daß ich mich
wohl getraute, wohldurchdachte Arbeit in menschlichem und künstlerischen Sinn,
gegen jede Einwendung in Schutz zu nehmen. Nachdem ich sie so wohl
studirt, bin ich neugierig einige Recensionen derselben zu lesen.

Wenn es nicht zu spät wäre, ein solches Werk anzuzeigen, das nunmehr
schon in Jedermanns Händen ist, so hoffte ich, wo nicht die Verfasserin, doch
das Publikum mit einer neuen Ansicht desselben zu überraschen, daß man
nämlich die liebenswürdige Calpurnia für die Hauptperson erklärte, ihr alle
übrigen subordinirte, so wie auch die Begebenheiten sämmtlich auf sie bezöge.

Auf diese Weise würde man die Harmonie dieser Komposition aufs neue
recht anschaulich machen und könnte des Beifalls der alten und jungen Herrn
wenigstens hierbei gewiß versichert sein.

Dies mag nun wieder als Beispiel gelten, was alles für Grillen ein


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[0491] mit sich die Epoche mit der Ankunft des Marquis de Beaufford anfängt, dessen schätzbare Bekanntschaft ich Ihnen mit jenen angenehmen Denkmalen der Vor- und Mitwelt zu danken habe. Für so viel Liebes und Gutes hätte ich denn auch wieder etwas Ange¬ nehmes erzeigt und da Sie mehr für andere, als für sich leben, so wollte ich ein Blatt übersenden, womit Sie unserer lieben Pichler einen Spaß machen sollten. Ich hatte ihren Agathokles in hiesiger Nuhe mit Aufmerksamkeit und vielem Vergnügen gelesen und war geneigt, dasjenige, was ich dabei empfun¬ den und gedacht, flüchtig aufzuzeichnen. Allein ich merkte bald, daß ich zu sehr ins Weite kam und mußte daher meinen löblichen Vorsatz aufgeben. Sagen Sie ihr daher nur kürzlich, wie sehr die Zeichnung der Charaktere, die Anlage und Durchführung derselben meinen Beifall habe, nicht weniger die Fabel, welche ohne verworren zu sein, in einer prägnanten Zeit und auf einem breiten, bedeutenden Local sich so reich als faßlich ausdehnt. Wie sehr mich das angeborne Talent der Verfasserin und die Ausbildung desselben dabei bestach, ist schon daraus ersichtlich, daß ich über diesem liebenswürdigen Natur- und Kunstwerke ganz vergaß, wie wenig mir sonst jenes Jahrhundert und die Gesinnungen, die darin triumphirend auftreten, eigentlich zusagen können. Ja unsere Freundin wird es sich hoch anrechnen, daß ich nicht im Mindesten verdrießlich geworden bin, wenn sie meinen Großoheim Hadrian und seine Seelchen, meine übrige heydnische Sippschaft und ihre Geister nicht zum Besten behandelt. Die innere Konsequenz des Werkes hat mich mit allen Einzelnen, was mir sonst hätte fremd bleiben müssen, wirklich befreundet. Nach meiner gewöhnlichen Weise habe ich auch bei diesem Werke ange¬ fangen, mir hie und da den Plan anzudeuten, einem Charakter eine andere Richtung, einer Begebenheit eine andere Wendung zu ertheilen; ich muß aber der Verfasserin zum Ruhm nachsagen, daß sie mich immer wieder durch die Folge bekehrt und auf ihren eigenen Sinn zurückgebracht hat, so daß ich mich wohl getraute, wohldurchdachte Arbeit in menschlichem und künstlerischen Sinn, gegen jede Einwendung in Schutz zu nehmen. Nachdem ich sie so wohl studirt, bin ich neugierig einige Recensionen derselben zu lesen. Wenn es nicht zu spät wäre, ein solches Werk anzuzeigen, das nunmehr schon in Jedermanns Händen ist, so hoffte ich, wo nicht die Verfasserin, doch das Publikum mit einer neuen Ansicht desselben zu überraschen, daß man nämlich die liebenswürdige Calpurnia für die Hauptperson erklärte, ihr alle übrigen subordinirte, so wie auch die Begebenheiten sämmtlich auf sie bezöge. Auf diese Weise würde man die Harmonie dieser Komposition aufs neue recht anschaulich machen und könnte des Beifalls der alten und jungen Herrn wenigstens hierbei gewiß versichert sein. Dies mag nun wieder als Beispiel gelten, was alles für Grillen ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/491>, abgerufen am 25.08.2024.