Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er am wenigsten auf die Ehre eines Ministerfauteuils aus ist. Prankh's
Verdienste um die Reorganisation der bayrischen Armee sind groß; die
unglaubliche Veränderung, die mit dieser vorgegangen, der gewaltige Unter¬
schied, der zwischen dem Auftreten derselben im Jahre 1866 und dann im
Jahre 1870 und 1871 liegt, sind sein Werk. Darum ist's ihm nicht übel
zu nehmen, wenn er, wenn von den Heißspornen der Rechten immer und
immer wieder an diesem Werk gerüttelt wird, darum manchmal etwas heftig
replicirt und unmuthig die Hand an den Säbelgriff legt. -- Der Finanz-
minister, Herr von Berr, ist noch nicht lange in seinem Amte, hat sich aber
in allem, was er bisher geleistet, demselben vollkommen gewachsen gezeigt.
Eine streng rechtliche Natur, faßt er die Finanzverwaltung eines Staates von
einem etwas weitschauendern, als dem meist bei uns gewohnten bureau¬
kratischen Standpunkt auf. Sein äußeres Auftreten ist bürgerlich schlicht und
einfach. -- Nun erübrigt nur noch, da wir keinen eigenen Handelsminister
mehr haben (Handel und Verkehr ressortirt vom Ministerium des Auswärtigen),
das Bild des Ministers für Kirchen- und Schulangelegenheiten, des Herrn
Dr. von Lutz. Sein Name ist in der jüngsten Zeit der am meisten genannte
gewesen, er ist der "bestgehaßte" unter den bayrischen Ministern. Der Tag,
an dem e r den Ultramontanen fallen würde, wäre für diese ein Sieges- und
Ehrentag.

Herr v. Lutz hat jedenfalls die Bedeutung des kirchenpolitischen Zeitkampfes
gerade für Baiern am tiefsten erfaßt, mehr als einmal -- wir erinnern nur
an seine Beantwortung der sog. Herrschen Jnterpellation -- dies auch in wahr¬
haft glänzenden Reden bezeugt, aber zu einem energischen Handeln den
immer kecker vordringenden Anmaßungen der Bischöfe gegenüber, zu einer ent¬
schied enen Position der bairischen Regierung in diesem Weltconflikt hat er
es nie gebracht: die Ultramontanen zeihen ihn des unberechtigten Hasses, und
die Liberalen thatloser Lauheit. Gleich wenig gut wie die "Neukatholiken"
sind die "Altkatholiken" auf den Cultusminister zu sprechen, denn so schöne
Worte sie von ihm auch zu hören bekommen haben, so wenig thatsächliche
Unterstützung haben sie noch von ihm erlangen können, und war es doch
auch die Regierung vor allem, die sich beim letzten Budget der Einreihung
der altkatholischen Geistlichen in die Zahl der mit Staatszuschüssen zu bedeu¬
tenden widersetzte. Herr von Lutz ist eine kleine untersetzte Persönlichkeit und
hat sich, vielleicht um sein Aussehen für den letzten Kampf, den er mit dieser
Kammer zu bestehen hat. martialischer zu machen, seit neuester Zeit einen küh¬
nen Vollbart zugelegt. --

Hart neben dem Fauteuil des Cultusministers erheben sich die Sitze seiner
Gegner; zwei der erbittertsten derselben, der Advocat Schüttinger und der


daß er am wenigsten auf die Ehre eines Ministerfauteuils aus ist. Prankh's
Verdienste um die Reorganisation der bayrischen Armee sind groß; die
unglaubliche Veränderung, die mit dieser vorgegangen, der gewaltige Unter¬
schied, der zwischen dem Auftreten derselben im Jahre 1866 und dann im
Jahre 1870 und 1871 liegt, sind sein Werk. Darum ist's ihm nicht übel
zu nehmen, wenn er, wenn von den Heißspornen der Rechten immer und
immer wieder an diesem Werk gerüttelt wird, darum manchmal etwas heftig
replicirt und unmuthig die Hand an den Säbelgriff legt. — Der Finanz-
minister, Herr von Berr, ist noch nicht lange in seinem Amte, hat sich aber
in allem, was er bisher geleistet, demselben vollkommen gewachsen gezeigt.
Eine streng rechtliche Natur, faßt er die Finanzverwaltung eines Staates von
einem etwas weitschauendern, als dem meist bei uns gewohnten bureau¬
kratischen Standpunkt auf. Sein äußeres Auftreten ist bürgerlich schlicht und
einfach. — Nun erübrigt nur noch, da wir keinen eigenen Handelsminister
mehr haben (Handel und Verkehr ressortirt vom Ministerium des Auswärtigen),
das Bild des Ministers für Kirchen- und Schulangelegenheiten, des Herrn
Dr. von Lutz. Sein Name ist in der jüngsten Zeit der am meisten genannte
gewesen, er ist der „bestgehaßte" unter den bayrischen Ministern. Der Tag,
an dem e r den Ultramontanen fallen würde, wäre für diese ein Sieges- und
Ehrentag.

Herr v. Lutz hat jedenfalls die Bedeutung des kirchenpolitischen Zeitkampfes
gerade für Baiern am tiefsten erfaßt, mehr als einmal — wir erinnern nur
an seine Beantwortung der sog. Herrschen Jnterpellation — dies auch in wahr¬
haft glänzenden Reden bezeugt, aber zu einem energischen Handeln den
immer kecker vordringenden Anmaßungen der Bischöfe gegenüber, zu einer ent¬
schied enen Position der bairischen Regierung in diesem Weltconflikt hat er
es nie gebracht: die Ultramontanen zeihen ihn des unberechtigten Hasses, und
die Liberalen thatloser Lauheit. Gleich wenig gut wie die „Neukatholiken"
sind die „Altkatholiken" auf den Cultusminister zu sprechen, denn so schöne
Worte sie von ihm auch zu hören bekommen haben, so wenig thatsächliche
Unterstützung haben sie noch von ihm erlangen können, und war es doch
auch die Regierung vor allem, die sich beim letzten Budget der Einreihung
der altkatholischen Geistlichen in die Zahl der mit Staatszuschüssen zu bedeu¬
tenden widersetzte. Herr von Lutz ist eine kleine untersetzte Persönlichkeit und
hat sich, vielleicht um sein Aussehen für den letzten Kampf, den er mit dieser
Kammer zu bestehen hat. martialischer zu machen, seit neuester Zeit einen küh¬
nen Vollbart zugelegt. —

Hart neben dem Fauteuil des Cultusministers erheben sich die Sitze seiner
Gegner; zwei der erbittertsten derselben, der Advocat Schüttinger und der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133247"/>
          <p xml:id="ID_1669" prev="#ID_1668"> daß er am wenigsten auf die Ehre eines Ministerfauteuils aus ist. Prankh's<lb/>
Verdienste um die Reorganisation der bayrischen Armee sind groß; die<lb/>
unglaubliche Veränderung, die mit dieser vorgegangen, der gewaltige Unter¬<lb/>
schied, der zwischen dem Auftreten derselben im Jahre 1866 und dann im<lb/>
Jahre 1870 und 1871 liegt, sind sein Werk. Darum ist's ihm nicht übel<lb/>
zu nehmen, wenn er, wenn von den Heißspornen der Rechten immer und<lb/>
immer wieder an diesem Werk gerüttelt wird, darum manchmal etwas heftig<lb/>
replicirt und unmuthig die Hand an den Säbelgriff legt. &#x2014; Der Finanz-<lb/>
minister, Herr von Berr, ist noch nicht lange in seinem Amte, hat sich aber<lb/>
in allem, was er bisher geleistet, demselben vollkommen gewachsen gezeigt.<lb/>
Eine streng rechtliche Natur, faßt er die Finanzverwaltung eines Staates von<lb/>
einem etwas weitschauendern, als dem meist bei uns gewohnten bureau¬<lb/>
kratischen Standpunkt auf. Sein äußeres Auftreten ist bürgerlich schlicht und<lb/>
einfach. &#x2014; Nun erübrigt nur noch, da wir keinen eigenen Handelsminister<lb/>
mehr haben (Handel und Verkehr ressortirt vom Ministerium des Auswärtigen),<lb/>
das Bild des Ministers für Kirchen- und Schulangelegenheiten, des Herrn<lb/>
Dr. von Lutz. Sein Name ist in der jüngsten Zeit der am meisten genannte<lb/>
gewesen, er ist der &#x201E;bestgehaßte" unter den bayrischen Ministern. Der Tag,<lb/>
an dem e r den Ultramontanen fallen würde, wäre für diese ein Sieges- und<lb/>
Ehrentag.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1670"> Herr v. Lutz hat jedenfalls die Bedeutung des kirchenpolitischen Zeitkampfes<lb/>
gerade für Baiern am tiefsten erfaßt, mehr als einmal &#x2014; wir erinnern nur<lb/>
an seine Beantwortung der sog. Herrschen Jnterpellation &#x2014; dies auch in wahr¬<lb/>
haft glänzenden Reden bezeugt, aber zu einem energischen Handeln den<lb/>
immer kecker vordringenden Anmaßungen der Bischöfe gegenüber, zu einer ent¬<lb/>
schied enen Position der bairischen Regierung in diesem Weltconflikt hat er<lb/>
es nie gebracht: die Ultramontanen zeihen ihn des unberechtigten Hasses, und<lb/>
die Liberalen thatloser Lauheit. Gleich wenig gut wie die &#x201E;Neukatholiken"<lb/>
sind die &#x201E;Altkatholiken" auf den Cultusminister zu sprechen, denn so schöne<lb/>
Worte sie von ihm auch zu hören bekommen haben, so wenig thatsächliche<lb/>
Unterstützung haben sie noch von ihm erlangen können, und war es doch<lb/>
auch die Regierung vor allem, die sich beim letzten Budget der Einreihung<lb/>
der altkatholischen Geistlichen in die Zahl der mit Staatszuschüssen zu bedeu¬<lb/>
tenden widersetzte. Herr von Lutz ist eine kleine untersetzte Persönlichkeit und<lb/>
hat sich, vielleicht um sein Aussehen für den letzten Kampf, den er mit dieser<lb/>
Kammer zu bestehen hat. martialischer zu machen, seit neuester Zeit einen küh¬<lb/>
nen Vollbart zugelegt. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1671" next="#ID_1672"> Hart neben dem Fauteuil des Cultusministers erheben sich die Sitze seiner<lb/>
Gegner; zwei der erbittertsten derselben, der Advocat Schüttinger und der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0487] daß er am wenigsten auf die Ehre eines Ministerfauteuils aus ist. Prankh's Verdienste um die Reorganisation der bayrischen Armee sind groß; die unglaubliche Veränderung, die mit dieser vorgegangen, der gewaltige Unter¬ schied, der zwischen dem Auftreten derselben im Jahre 1866 und dann im Jahre 1870 und 1871 liegt, sind sein Werk. Darum ist's ihm nicht übel zu nehmen, wenn er, wenn von den Heißspornen der Rechten immer und immer wieder an diesem Werk gerüttelt wird, darum manchmal etwas heftig replicirt und unmuthig die Hand an den Säbelgriff legt. — Der Finanz- minister, Herr von Berr, ist noch nicht lange in seinem Amte, hat sich aber in allem, was er bisher geleistet, demselben vollkommen gewachsen gezeigt. Eine streng rechtliche Natur, faßt er die Finanzverwaltung eines Staates von einem etwas weitschauendern, als dem meist bei uns gewohnten bureau¬ kratischen Standpunkt auf. Sein äußeres Auftreten ist bürgerlich schlicht und einfach. — Nun erübrigt nur noch, da wir keinen eigenen Handelsminister mehr haben (Handel und Verkehr ressortirt vom Ministerium des Auswärtigen), das Bild des Ministers für Kirchen- und Schulangelegenheiten, des Herrn Dr. von Lutz. Sein Name ist in der jüngsten Zeit der am meisten genannte gewesen, er ist der „bestgehaßte" unter den bayrischen Ministern. Der Tag, an dem e r den Ultramontanen fallen würde, wäre für diese ein Sieges- und Ehrentag. Herr v. Lutz hat jedenfalls die Bedeutung des kirchenpolitischen Zeitkampfes gerade für Baiern am tiefsten erfaßt, mehr als einmal — wir erinnern nur an seine Beantwortung der sog. Herrschen Jnterpellation — dies auch in wahr¬ haft glänzenden Reden bezeugt, aber zu einem energischen Handeln den immer kecker vordringenden Anmaßungen der Bischöfe gegenüber, zu einer ent¬ schied enen Position der bairischen Regierung in diesem Weltconflikt hat er es nie gebracht: die Ultramontanen zeihen ihn des unberechtigten Hasses, und die Liberalen thatloser Lauheit. Gleich wenig gut wie die „Neukatholiken" sind die „Altkatholiken" auf den Cultusminister zu sprechen, denn so schöne Worte sie von ihm auch zu hören bekommen haben, so wenig thatsächliche Unterstützung haben sie noch von ihm erlangen können, und war es doch auch die Regierung vor allem, die sich beim letzten Budget der Einreihung der altkatholischen Geistlichen in die Zahl der mit Staatszuschüssen zu bedeu¬ tenden widersetzte. Herr von Lutz ist eine kleine untersetzte Persönlichkeit und hat sich, vielleicht um sein Aussehen für den letzten Kampf, den er mit dieser Kammer zu bestehen hat. martialischer zu machen, seit neuester Zeit einen küh¬ nen Vollbart zugelegt. — Hart neben dem Fauteuil des Cultusministers erheben sich die Sitze seiner Gegner; zwei der erbittertsten derselben, der Advocat Schüttinger und der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/487
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/487>, abgerufen am 01.10.2024.