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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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sich und seiner Partei zerschnitten hatte. Noch gründlicher aber that er dies,
als er seit jenem Mißtrauensvotum Jörg's gegen Herrn v. Lutz sich feierlich
trennte und unter dem Beifall der Kammer an seinen über den Sonder- und
Parteiinteressen stehenden Eid appellirte. In praktischer Beziehung" konnte
das Haus keinen bessern Secretair finden, als Herr Eder ist; klarere, gründ¬
lichere Protokolle können wohl von Wenigen gefertigt werden. Ihm zur
Seite stehen die Herren Louis, ein Pfälzer, der schon oben genannte Ab¬
geordnete Wülfert und Dürrschmidt, der sich -- er ist Appellrath und gründlich
gebildeter Jurist -- jüngst durch eine sehr interessante Schrift über "Klöster
und Klosterwesen in Bayern" verdient gemacht hat.

Vom "Bureau" wenden wir uns zum Ministertisch. Bayerns Ministerien
haben nicht mehr die Vollbedeutung, die ihnen in früheren Zeiten zukam.
Was hat z. B. ein bayrischer Minister des Aeußern viel zu thun? Welchen
Einfluß auf die Diplomatie, auf die "Beziehungen zu den fremden Mächten"
oder wie es sonst noch in der "auswärtigen" Sprache heißt, steht ihm noch
zu? So war's auch keine zu schwere Aufgabe, als Herr von Pfretzschner, der
damalige Ministerpräsident, das Finanzportefeuille aus der Hand gab und
dafür das des "Aeußern" übernahm. Seine Rednergabe, seine weltförmige
Gewandtheit und Hofmännische Feinheit kommt ihm bei letzterem jedenfalls
so gut zu statten wie bei ersterem, wo es ihm manchmal gelang, bei einzelnen
Finanzpositionen so lang und so viel zu reden, daß den Zuhörern über das,
was um die Sache herum geredet wurde, die rechte Aufmerksamkeit auf
diese selbst abhanden kam und dem Minister ein Erfolg wurde, der ihm
außerdem nicht geworden wäre. Herr von Pfretzschner hat stets ein verbind¬
liches Lächeln, auch für den enragirtesten Gegner, auf den Lippen, und ist
auch in der äußern Erscheinung, wie in seiner Toilette der "patenteste" unter
seinen College". Viel einfacher und schlichter tritt unter diesen der von der
Justiz, Dr. von Fäustle auf, eine echte, derbe, bayrische Erscheinung, der man
aber die Energie und dabei doch wieder eine große Gemüthlichkeit auf
dem Gesichte liest. Herr von Fäustle hat sehr liberale Gesinnungen aus
seiner äußerst rasch zu der höchsten Spitze hinauslaufenden juristischen Carriere
ins Ministerium gebracht und sich dieselben auch in diesem erhalten, wie er
auch über einen reichen Schatz von Wissen und Kenntnissen gebietet und
dieselben jederzeit schlagend zu verwerthen weiß. Der neben ihm sitzende
Minister des Innern, von Pfeuffer, erinnert schon in seinem strammen Aeußern
etwas an seine frühere Stellung, als er Polizeidirektor von München war,
noch mehr thut er dies aber manchmal in seinen Reden, die oft einen herben
bureaukratischen Beigeschmack haben. Ganz gLntlömarltilcL erscheint auf den
ersten Blick Freiherr von Prankh, der Leiter des bayrischen Heerwesens; ihm
merkt man's am ersten an, daß ihn kein selbstsüchtiger Gedanke leiten kann,


sich und seiner Partei zerschnitten hatte. Noch gründlicher aber that er dies,
als er seit jenem Mißtrauensvotum Jörg's gegen Herrn v. Lutz sich feierlich
trennte und unter dem Beifall der Kammer an seinen über den Sonder- und
Parteiinteressen stehenden Eid appellirte. In praktischer Beziehung" konnte
das Haus keinen bessern Secretair finden, als Herr Eder ist; klarere, gründ¬
lichere Protokolle können wohl von Wenigen gefertigt werden. Ihm zur
Seite stehen die Herren Louis, ein Pfälzer, der schon oben genannte Ab¬
geordnete Wülfert und Dürrschmidt, der sich — er ist Appellrath und gründlich
gebildeter Jurist — jüngst durch eine sehr interessante Schrift über „Klöster
und Klosterwesen in Bayern" verdient gemacht hat.

Vom „Bureau" wenden wir uns zum Ministertisch. Bayerns Ministerien
haben nicht mehr die Vollbedeutung, die ihnen in früheren Zeiten zukam.
Was hat z. B. ein bayrischer Minister des Aeußern viel zu thun? Welchen
Einfluß auf die Diplomatie, auf die „Beziehungen zu den fremden Mächten"
oder wie es sonst noch in der „auswärtigen" Sprache heißt, steht ihm noch
zu? So war's auch keine zu schwere Aufgabe, als Herr von Pfretzschner, der
damalige Ministerpräsident, das Finanzportefeuille aus der Hand gab und
dafür das des „Aeußern" übernahm. Seine Rednergabe, seine weltförmige
Gewandtheit und Hofmännische Feinheit kommt ihm bei letzterem jedenfalls
so gut zu statten wie bei ersterem, wo es ihm manchmal gelang, bei einzelnen
Finanzpositionen so lang und so viel zu reden, daß den Zuhörern über das,
was um die Sache herum geredet wurde, die rechte Aufmerksamkeit auf
diese selbst abhanden kam und dem Minister ein Erfolg wurde, der ihm
außerdem nicht geworden wäre. Herr von Pfretzschner hat stets ein verbind¬
liches Lächeln, auch für den enragirtesten Gegner, auf den Lippen, und ist
auch in der äußern Erscheinung, wie in seiner Toilette der „patenteste" unter
seinen College». Viel einfacher und schlichter tritt unter diesen der von der
Justiz, Dr. von Fäustle auf, eine echte, derbe, bayrische Erscheinung, der man
aber die Energie und dabei doch wieder eine große Gemüthlichkeit auf
dem Gesichte liest. Herr von Fäustle hat sehr liberale Gesinnungen aus
seiner äußerst rasch zu der höchsten Spitze hinauslaufenden juristischen Carriere
ins Ministerium gebracht und sich dieselben auch in diesem erhalten, wie er
auch über einen reichen Schatz von Wissen und Kenntnissen gebietet und
dieselben jederzeit schlagend zu verwerthen weiß. Der neben ihm sitzende
Minister des Innern, von Pfeuffer, erinnert schon in seinem strammen Aeußern
etwas an seine frühere Stellung, als er Polizeidirektor von München war,
noch mehr thut er dies aber manchmal in seinen Reden, die oft einen herben
bureaukratischen Beigeschmack haben. Ganz gLntlömarltilcL erscheint auf den
ersten Blick Freiherr von Prankh, der Leiter des bayrischen Heerwesens; ihm
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[0486] sich und seiner Partei zerschnitten hatte. Noch gründlicher aber that er dies, als er seit jenem Mißtrauensvotum Jörg's gegen Herrn v. Lutz sich feierlich trennte und unter dem Beifall der Kammer an seinen über den Sonder- und Parteiinteressen stehenden Eid appellirte. In praktischer Beziehung" konnte das Haus keinen bessern Secretair finden, als Herr Eder ist; klarere, gründ¬ lichere Protokolle können wohl von Wenigen gefertigt werden. Ihm zur Seite stehen die Herren Louis, ein Pfälzer, der schon oben genannte Ab¬ geordnete Wülfert und Dürrschmidt, der sich — er ist Appellrath und gründlich gebildeter Jurist — jüngst durch eine sehr interessante Schrift über „Klöster und Klosterwesen in Bayern" verdient gemacht hat. Vom „Bureau" wenden wir uns zum Ministertisch. Bayerns Ministerien haben nicht mehr die Vollbedeutung, die ihnen in früheren Zeiten zukam. Was hat z. B. ein bayrischer Minister des Aeußern viel zu thun? Welchen Einfluß auf die Diplomatie, auf die „Beziehungen zu den fremden Mächten" oder wie es sonst noch in der „auswärtigen" Sprache heißt, steht ihm noch zu? So war's auch keine zu schwere Aufgabe, als Herr von Pfretzschner, der damalige Ministerpräsident, das Finanzportefeuille aus der Hand gab und dafür das des „Aeußern" übernahm. Seine Rednergabe, seine weltförmige Gewandtheit und Hofmännische Feinheit kommt ihm bei letzterem jedenfalls so gut zu statten wie bei ersterem, wo es ihm manchmal gelang, bei einzelnen Finanzpositionen so lang und so viel zu reden, daß den Zuhörern über das, was um die Sache herum geredet wurde, die rechte Aufmerksamkeit auf diese selbst abhanden kam und dem Minister ein Erfolg wurde, der ihm außerdem nicht geworden wäre. Herr von Pfretzschner hat stets ein verbind¬ liches Lächeln, auch für den enragirtesten Gegner, auf den Lippen, und ist auch in der äußern Erscheinung, wie in seiner Toilette der „patenteste" unter seinen College». Viel einfacher und schlichter tritt unter diesen der von der Justiz, Dr. von Fäustle auf, eine echte, derbe, bayrische Erscheinung, der man aber die Energie und dabei doch wieder eine große Gemüthlichkeit auf dem Gesichte liest. Herr von Fäustle hat sehr liberale Gesinnungen aus seiner äußerst rasch zu der höchsten Spitze hinauslaufenden juristischen Carriere ins Ministerium gebracht und sich dieselben auch in diesem erhalten, wie er auch über einen reichen Schatz von Wissen und Kenntnissen gebietet und dieselben jederzeit schlagend zu verwerthen weiß. Der neben ihm sitzende Minister des Innern, von Pfeuffer, erinnert schon in seinem strammen Aeußern etwas an seine frühere Stellung, als er Polizeidirektor von München war, noch mehr thut er dies aber manchmal in seinen Reden, die oft einen herben bureaukratischen Beigeschmack haben. Ganz gLntlömarltilcL erscheint auf den ersten Blick Freiherr von Prankh, der Leiter des bayrischen Heerwesens; ihm merkt man's am ersten an, daß ihn kein selbstsüchtiger Gedanke leiten kann,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/486>, abgerufen am 23.07.2024.