Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.Entwicklung in der Natur, einer Hervorbildung des Höheren aus dem Niederen, Grenzlwtm I. 1875. 67
Entwicklung in der Natur, einer Hervorbildung des Höheren aus dem Niederen, Grenzlwtm I. 1875. 67
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Entwicklung in der Natur, einer Hervorbildung des Höheren aus dem Niederen,
und zwischen der Darlegung, wie diese Entwicklung vor sich geht. Darwin
sprach sich dafür aus, daß die Gattungen und Arten der lebendigen Wesen
keine fertigen, ein für allemal feststehenden Formen seien, sondern daß durch
die Veränderungsfähigkett der Organismen, durch ihr Anpassungsvermögen
an äußre Einflüsse, durch die natürliche Auswahl der geeignetsten Individuen,
die im Kampf ums Dasein aushalten, und durch die Vererbung ihrer Eigen¬
schaften aus wenigen, vielleicht aus einer ursprünglichen Keimzelle die mannig¬
faltigen Organismen und ihre Formen allmählich hervorgegangen. Einige
seiner Anhänger in Deutschland haben dies rein materialistisch gewandt; nicht
durch innerlich bildende Kraft, nur durch äußere Einflüsse lassen sie das Leben¬
dige seine verschiedenen Formen erhalten, als ob die Organismen von außen
zurechtgedrückt und zurechtgestutzt, nicht von innen heraus gestaltet würden;
Darwin hielt die Variabilität, die Beränderungsfähigkeit von Anfang an fest.
Wenn die Materialisten sich auf die Vererbung stützen, so sollten sie doch be¬
denken, wie schwer begreiflich solche wird, wenn unser Leib nur ein Haufwerk
von Moleculen ist ohne ordnendes einheitliches Princip. Ist dies vorhanden,
ja dann prägt es in der Keimzelle, durch die es sich fortpflanzt, sein Wesen
aus; aber wie ist es ohne dasselbe möglich, daß Atome, die in den Adern
eines Weibes hin - und Hergetrieben wurden, auch einmal durchs Gehirn ge¬
laufen sind, dann im Eierstock zusammenkamen und ausgeschieden wurden, daß
diese Atome, die im Stoffwechsel austreten, anderen Atomen, und diese wieder
andern einen Anstoß zu künftigen Bewegungen geben können, wodurch nach
fünfzehn Jahren nun im Gehirn der Tochter Schwingungen hervorgehen denen
ähnlich, welche einst im Organismus der Mutter bestimmte Gemüthseigen¬
schaften hervorriefen? Man muß das Ungeheuerliche nur einmal klar aus¬
einanderlegen, um zu sehen, daß die Vererbung von Eigenschaften auf materia¬
listische Weise eine Phrase ist. Sie setzt eben ein seelenhaftes Princip voraus.
Ich habe von Anfang an in dem was Darwin beibringt, um die Entwicklung
der Welt und die Veränderlichkeit der Lebensformen zu erweisen, nur die
Mittel und Hebel gesehen, durch welche die welteinwohnende zweckmäßige
Thätigkeit der Schöpferkraft das Höhere sich aus dem Niederen hervorbilden
läßt. In der Natur geht alles natürlich zu. Einen fertigen ausgewachsenen
Menschen zu schaffen ist ganz unmöglich, weil es dem Begriff des Organismus
widerspricht, der darin besteht, daß aus einem ursprünglichen homogenen Keime
sich durch Unterscheidung und Gliederung im allmählichen Wachsthum der
Leib gestaltet; der Mensch konnte immer nur als triebkrästige Zelle geschaffen
werden. Wo fand aber diese den Stoff, den organischen Stoff für ihre
Nahrung und für ihr Wachsthum, wo war sie erwärmt, behütet und geborgen
für die Zeit bis sie sich frei bewegen, ihre Sinne gebrauchen konnte? Doch
Grenzlwtm I. 1875. 67
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