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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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und ich selbst waren eines Nachmittags auf ver Werfte mit Fischen beschäftigt,
als mir ein Gedanke wie eine Offenbarung durch den Kopf fuhr, "Ich über¬
legte nur da soeben, was das für einen köstlichen Spaß abgeben wurde, wenn
wir einen von den alten Soldaten auf seine Beine stellten und ihm eine
Ration Schießpulver einflößten." Im Nu kamen die drei Angelschnuren in
die Höhe, Ein Unternehmen, welches der Gemüthsbeschaffenheit meiner Ge¬
fährten besser entsprochen hätte, wäre nicht in Vorschlag zu bringen gewesen.
In kurzer Zeit hatten wir eine der kleineren Kanonen auf den Rücken gelegt
und waren damit beschäftigt, den Grünspan vom Zündloche wegzuschaben.
Die Verwitterung des Metalls hatte das Geschützrohr so wirksam vernagelt,
daß wir eine Weile glaubten, wir würden unsern Versuch, den alten Soldaten
wieder ins Leben zu rufen, aufgeben müssen.

"Ein langer Zapfenbohrer würde sie reinmachen," sagte Charley Marder,
"wenn wir nur einen hätten." Ich sah nach, ob die Flagge des Matrosen-
Ben über seiner Kajütenthür wehte; denn er zog stets seine Farben ein, wenn
er zum Fischen fort ging. "Wenn Ihr wissen wollt, ob der Admiral an
Bord ist Herzchens, so braucht Ihr nur einen Blick auf die Signalflagge zu
thun," hatte Ben gesagt. Er nannte sich nämlich bisweilen in scherzhafter
Stimmung den Admiral, und wahrhaftig, er verdiente einer zu sein. Die
Flagge des Admirals wehte, und ich besorgte sehr bald einen Zapfenbohrer
aus seiner wohlerhaltenen Werkzeugliste. Nicht lange dauerte es, so hatten
wir die Kanone soweit in Ordnung gebracht, daß sie Dienste thun konnte.
Ein Zeitungsblatt, an das Ende einer Latte gebunden, diente als Wischer,
um die Bohrung von Staub zu reinigen. Jack Harris blies durch das Zünd¬
loch und erklärte, daß Alles rein sei. Als wir sahen, daß unsre Aufgabe so
leicht zu Stande gebracht war, wendeten wir unsre Aufmerksamkeit den andern
Geschützen zu, die in allerlei Positionen in dem wuchernden Grase umherlagen.
Indem wir uns vom Matrosen-Ben ein Tau liehen, brachten wir es mit
unermeßlicher Mühe zu Stande, die schweren Stücke in Position zu schleppen
und unter jede Mündung einen Bauziegel zu legen, so daß sie die gehörige
Elevation erhielt. Als wir sie alle in einer Reihe wie eine regelmäßige
Batterie sahen, kam uns allen gleichzeitig eine Idee, deren Großartigkeit uns
für einen Augenblick vollständig verblüffte. Unsere Absicht war zuerst nur
dahingegangen, jene einzige Kanone zu laden und abzufeuern. Wie schwächlich
und unbedeutend war dieser Plan im Vergleich mit demjenigen, der es uns
jetzt schwindelartig vor den Augen flimmern ließ! - "Was können wir uns
nur gedacht haben?" schrie Jack Harris. "Natürlich wollen wir ihnen eine
Breitseite geben, und wenn es uns den Hals kostet." Nach tagelangem Vor¬
bereitungen und nachdem der Matrosen-Ben (Bailey's Freund, der die Haus¬
hälterin seines Großvaters gehenathet hatte) ihnen die Luntenleitung ange-


und ich selbst waren eines Nachmittags auf ver Werfte mit Fischen beschäftigt,
als mir ein Gedanke wie eine Offenbarung durch den Kopf fuhr, „Ich über¬
legte nur da soeben, was das für einen köstlichen Spaß abgeben wurde, wenn
wir einen von den alten Soldaten auf seine Beine stellten und ihm eine
Ration Schießpulver einflößten." Im Nu kamen die drei Angelschnuren in
die Höhe, Ein Unternehmen, welches der Gemüthsbeschaffenheit meiner Ge¬
fährten besser entsprochen hätte, wäre nicht in Vorschlag zu bringen gewesen.
In kurzer Zeit hatten wir eine der kleineren Kanonen auf den Rücken gelegt
und waren damit beschäftigt, den Grünspan vom Zündloche wegzuschaben.
Die Verwitterung des Metalls hatte das Geschützrohr so wirksam vernagelt,
daß wir eine Weile glaubten, wir würden unsern Versuch, den alten Soldaten
wieder ins Leben zu rufen, aufgeben müssen.

„Ein langer Zapfenbohrer würde sie reinmachen," sagte Charley Marder,
„wenn wir nur einen hätten." Ich sah nach, ob die Flagge des Matrosen-
Ben über seiner Kajütenthür wehte; denn er zog stets seine Farben ein, wenn
er zum Fischen fort ging. „Wenn Ihr wissen wollt, ob der Admiral an
Bord ist Herzchens, so braucht Ihr nur einen Blick auf die Signalflagge zu
thun," hatte Ben gesagt. Er nannte sich nämlich bisweilen in scherzhafter
Stimmung den Admiral, und wahrhaftig, er verdiente einer zu sein. Die
Flagge des Admirals wehte, und ich besorgte sehr bald einen Zapfenbohrer
aus seiner wohlerhaltenen Werkzeugliste. Nicht lange dauerte es, so hatten
wir die Kanone soweit in Ordnung gebracht, daß sie Dienste thun konnte.
Ein Zeitungsblatt, an das Ende einer Latte gebunden, diente als Wischer,
um die Bohrung von Staub zu reinigen. Jack Harris blies durch das Zünd¬
loch und erklärte, daß Alles rein sei. Als wir sahen, daß unsre Aufgabe so
leicht zu Stande gebracht war, wendeten wir unsre Aufmerksamkeit den andern
Geschützen zu, die in allerlei Positionen in dem wuchernden Grase umherlagen.
Indem wir uns vom Matrosen-Ben ein Tau liehen, brachten wir es mit
unermeßlicher Mühe zu Stande, die schweren Stücke in Position zu schleppen
und unter jede Mündung einen Bauziegel zu legen, so daß sie die gehörige
Elevation erhielt. Als wir sie alle in einer Reihe wie eine regelmäßige
Batterie sahen, kam uns allen gleichzeitig eine Idee, deren Großartigkeit uns
für einen Augenblick vollständig verblüffte. Unsere Absicht war zuerst nur
dahingegangen, jene einzige Kanone zu laden und abzufeuern. Wie schwächlich
und unbedeutend war dieser Plan im Vergleich mit demjenigen, der es uns
jetzt schwindelartig vor den Augen flimmern ließ! - „Was können wir uns
nur gedacht haben?" schrie Jack Harris. „Natürlich wollen wir ihnen eine
Breitseite geben, und wenn es uns den Hals kostet." Nach tagelangem Vor¬
bereitungen und nachdem der Matrosen-Ben (Bailey's Freund, der die Haus¬
hälterin seines Großvaters gehenathet hatte) ihnen die Luntenleitung ange-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/440>, abgerufen am 23.07.2024.