Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

höchsten Grade wünschenswerth ist, so wäre es sehr zu empfehlen, daß alle
städtischen Behörden die Eisenbahngesellschaften aufmunterten, den englischen
Vorbildern nachzuahmen. Dieses Entgegenkommen seitens der Städte ist
um so mehr zu wünschen, als Stadtbahnen in deutschen Städten wohl noch
für lange Jahre hin keine all zu hohe Rente versprechen können und sich so
die Eisenbahngesellschaften nur schwer zu deren Anlage entschließen werden,
wenn nicht alle einschlagenden Faktoren zusammenwirken, um den betreffenden
Städten den Segen bequemerer Verkehrsmittel zu Theil werden zu lassen.
Leider sind aber auch schon Fälle vorgekommen, wo die Eisenbahngesellschaften
die redlichsten besten Absichten hatten und dieselben nur, oder doch haupt¬
sächlich an dem geringen Entgegenkommen, um nicht einen noch schärferen
Ausdruck zu gebrauchen, scheiterten, das die städtischen Behörden diesen gewiß
sehr gemeinnützigen Bestrebungen entgegenbrachten.

Mir ist ein bestimmter Fall bekannt, wo in einer großen Handelsstadt
Sachsens eine besonders früher schlechtbeleumdete Eisenbahngesellschaft, deren
Bahnhof sehr weit von der Stadt entfernt liegt, die bestimmte Absicht hatte
mit demselben der Stadt wesentlich näher zu rücken. Sie wünschte als Bau¬
platz ein Terrain, welches theilweise der Stadt gehörte, das dieselbe aber zu
Schulzwecken verwenden wollte. Die Verhandlungen zerschlugen sich, da die
Stadt beinahe gar keine Concessionen machen wollte, trotz aller nur möglichen
Anerbietungen seitens der Bahngesellschaft.

Gewiß ist es sehr löblich, für Schulzwecke möglichst viel, und das was
verwendet wird, möglichst vorsorglich zu verwenden. Meiner Ansicht nach lassen
sich aber Schulhäuser so ziemlich überall erbauen, Bahnhöfe aber, der viel
größeren Bodenfläche wegen nicht. Wenn es sich daher wie in diesem Falle
darum handelt, eine sehr wesentliche Verkehrserleichterung zu schaffen,
so müßte ausnahmsweise einmal ein Schulhausbauplatz zum Opfer gebracht
werden, besonders wenn er sich ganz in der Nähe ersetzen läßt, wie das hier
der Fall war. Die beireffende Stadt ist wegen ihrer ausgezeichneten Schulen
berühmt und sie wacht mit rühmlichem Eifer über deren unveränderter Vor¬
züglichkeit. Ihr geringes Entgegenkommen mag sich daher aus diesem Eifer
erklären und einigermaßen entschuldigen; es ist aber um so weniger ganz
zu rechtfertigen, als der andere hier verhandelnde Theil eine Eisenbahn-
gesellschaft war, welche lange Zeit wegen schlechter Einrichtungen verschrieen
gewesen war und bei ihrer ersten Wendung zur Besserung durch diese Art
und Weise der Behandlung natürlich nicht in ihren Besserungsabsichten bestärkt
werden konnte.

Derartige Fälle könnten wohl kaum vorkommen, wenn den Technikern
in den betreffenden Verwaltungszweigen mehr Einfluß eingeräumt wäre, so¬
wohl in den Eisenbahnverwaltungen selbst, als auch besonders innerhalb der


höchsten Grade wünschenswerth ist, so wäre es sehr zu empfehlen, daß alle
städtischen Behörden die Eisenbahngesellschaften aufmunterten, den englischen
Vorbildern nachzuahmen. Dieses Entgegenkommen seitens der Städte ist
um so mehr zu wünschen, als Stadtbahnen in deutschen Städten wohl noch
für lange Jahre hin keine all zu hohe Rente versprechen können und sich so
die Eisenbahngesellschaften nur schwer zu deren Anlage entschließen werden,
wenn nicht alle einschlagenden Faktoren zusammenwirken, um den betreffenden
Städten den Segen bequemerer Verkehrsmittel zu Theil werden zu lassen.
Leider sind aber auch schon Fälle vorgekommen, wo die Eisenbahngesellschaften
die redlichsten besten Absichten hatten und dieselben nur, oder doch haupt¬
sächlich an dem geringen Entgegenkommen, um nicht einen noch schärferen
Ausdruck zu gebrauchen, scheiterten, das die städtischen Behörden diesen gewiß
sehr gemeinnützigen Bestrebungen entgegenbrachten.

Mir ist ein bestimmter Fall bekannt, wo in einer großen Handelsstadt
Sachsens eine besonders früher schlechtbeleumdete Eisenbahngesellschaft, deren
Bahnhof sehr weit von der Stadt entfernt liegt, die bestimmte Absicht hatte
mit demselben der Stadt wesentlich näher zu rücken. Sie wünschte als Bau¬
platz ein Terrain, welches theilweise der Stadt gehörte, das dieselbe aber zu
Schulzwecken verwenden wollte. Die Verhandlungen zerschlugen sich, da die
Stadt beinahe gar keine Concessionen machen wollte, trotz aller nur möglichen
Anerbietungen seitens der Bahngesellschaft.

Gewiß ist es sehr löblich, für Schulzwecke möglichst viel, und das was
verwendet wird, möglichst vorsorglich zu verwenden. Meiner Ansicht nach lassen
sich aber Schulhäuser so ziemlich überall erbauen, Bahnhöfe aber, der viel
größeren Bodenfläche wegen nicht. Wenn es sich daher wie in diesem Falle
darum handelt, eine sehr wesentliche Verkehrserleichterung zu schaffen,
so müßte ausnahmsweise einmal ein Schulhausbauplatz zum Opfer gebracht
werden, besonders wenn er sich ganz in der Nähe ersetzen läßt, wie das hier
der Fall war. Die beireffende Stadt ist wegen ihrer ausgezeichneten Schulen
berühmt und sie wacht mit rühmlichem Eifer über deren unveränderter Vor¬
züglichkeit. Ihr geringes Entgegenkommen mag sich daher aus diesem Eifer
erklären und einigermaßen entschuldigen; es ist aber um so weniger ganz
zu rechtfertigen, als der andere hier verhandelnde Theil eine Eisenbahn-
gesellschaft war, welche lange Zeit wegen schlechter Einrichtungen verschrieen
gewesen war und bei ihrer ersten Wendung zur Besserung durch diese Art
und Weise der Behandlung natürlich nicht in ihren Besserungsabsichten bestärkt
werden konnte.

Derartige Fälle könnten wohl kaum vorkommen, wenn den Technikern
in den betreffenden Verwaltungszweigen mehr Einfluß eingeräumt wäre, so¬
wohl in den Eisenbahnverwaltungen selbst, als auch besonders innerhalb der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132804"/>
          <p xml:id="ID_152" prev="#ID_151"> höchsten Grade wünschenswerth ist, so wäre es sehr zu empfehlen, daß alle<lb/>
städtischen Behörden die Eisenbahngesellschaften aufmunterten, den englischen<lb/>
Vorbildern nachzuahmen. Dieses Entgegenkommen seitens der Städte ist<lb/>
um so mehr zu wünschen, als Stadtbahnen in deutschen Städten wohl noch<lb/>
für lange Jahre hin keine all zu hohe Rente versprechen können und sich so<lb/>
die Eisenbahngesellschaften nur schwer zu deren Anlage entschließen werden,<lb/>
wenn nicht alle einschlagenden Faktoren zusammenwirken, um den betreffenden<lb/>
Städten den Segen bequemerer Verkehrsmittel zu Theil werden zu lassen.<lb/>
Leider sind aber auch schon Fälle vorgekommen, wo die Eisenbahngesellschaften<lb/>
die redlichsten besten Absichten hatten und dieselben nur, oder doch haupt¬<lb/>
sächlich an dem geringen Entgegenkommen, um nicht einen noch schärferen<lb/>
Ausdruck zu gebrauchen, scheiterten, das die städtischen Behörden diesen gewiß<lb/>
sehr gemeinnützigen Bestrebungen entgegenbrachten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_153"> Mir ist ein bestimmter Fall bekannt, wo in einer großen Handelsstadt<lb/>
Sachsens eine besonders früher schlechtbeleumdete Eisenbahngesellschaft, deren<lb/>
Bahnhof sehr weit von der Stadt entfernt liegt, die bestimmte Absicht hatte<lb/>
mit demselben der Stadt wesentlich näher zu rücken. Sie wünschte als Bau¬<lb/>
platz ein Terrain, welches theilweise der Stadt gehörte, das dieselbe aber zu<lb/>
Schulzwecken verwenden wollte. Die Verhandlungen zerschlugen sich, da die<lb/>
Stadt beinahe gar keine Concessionen machen wollte, trotz aller nur möglichen<lb/>
Anerbietungen seitens der Bahngesellschaft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_154"> Gewiß ist es sehr löblich, für Schulzwecke möglichst viel, und das was<lb/>
verwendet wird, möglichst vorsorglich zu verwenden. Meiner Ansicht nach lassen<lb/>
sich aber Schulhäuser so ziemlich überall erbauen, Bahnhöfe aber, der viel<lb/>
größeren Bodenfläche wegen nicht. Wenn es sich daher wie in diesem Falle<lb/>
darum handelt, eine sehr wesentliche Verkehrserleichterung zu schaffen,<lb/>
so müßte ausnahmsweise einmal ein Schulhausbauplatz zum Opfer gebracht<lb/>
werden, besonders wenn er sich ganz in der Nähe ersetzen läßt, wie das hier<lb/>
der Fall war. Die beireffende Stadt ist wegen ihrer ausgezeichneten Schulen<lb/>
berühmt und sie wacht mit rühmlichem Eifer über deren unveränderter Vor¬<lb/>
züglichkeit. Ihr geringes Entgegenkommen mag sich daher aus diesem Eifer<lb/>
erklären und einigermaßen entschuldigen; es ist aber um so weniger ganz<lb/>
zu rechtfertigen, als der andere hier verhandelnde Theil eine Eisenbahn-<lb/>
gesellschaft war, welche lange Zeit wegen schlechter Einrichtungen verschrieen<lb/>
gewesen war und bei ihrer ersten Wendung zur Besserung durch diese Art<lb/>
und Weise der Behandlung natürlich nicht in ihren Besserungsabsichten bestärkt<lb/>
werden konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_155" next="#ID_156"> Derartige Fälle könnten wohl kaum vorkommen, wenn den Technikern<lb/>
in den betreffenden Verwaltungszweigen mehr Einfluß eingeräumt wäre, so¬<lb/>
wohl in den Eisenbahnverwaltungen selbst, als auch besonders innerhalb der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] höchsten Grade wünschenswerth ist, so wäre es sehr zu empfehlen, daß alle städtischen Behörden die Eisenbahngesellschaften aufmunterten, den englischen Vorbildern nachzuahmen. Dieses Entgegenkommen seitens der Städte ist um so mehr zu wünschen, als Stadtbahnen in deutschen Städten wohl noch für lange Jahre hin keine all zu hohe Rente versprechen können und sich so die Eisenbahngesellschaften nur schwer zu deren Anlage entschließen werden, wenn nicht alle einschlagenden Faktoren zusammenwirken, um den betreffenden Städten den Segen bequemerer Verkehrsmittel zu Theil werden zu lassen. Leider sind aber auch schon Fälle vorgekommen, wo die Eisenbahngesellschaften die redlichsten besten Absichten hatten und dieselben nur, oder doch haupt¬ sächlich an dem geringen Entgegenkommen, um nicht einen noch schärferen Ausdruck zu gebrauchen, scheiterten, das die städtischen Behörden diesen gewiß sehr gemeinnützigen Bestrebungen entgegenbrachten. Mir ist ein bestimmter Fall bekannt, wo in einer großen Handelsstadt Sachsens eine besonders früher schlechtbeleumdete Eisenbahngesellschaft, deren Bahnhof sehr weit von der Stadt entfernt liegt, die bestimmte Absicht hatte mit demselben der Stadt wesentlich näher zu rücken. Sie wünschte als Bau¬ platz ein Terrain, welches theilweise der Stadt gehörte, das dieselbe aber zu Schulzwecken verwenden wollte. Die Verhandlungen zerschlugen sich, da die Stadt beinahe gar keine Concessionen machen wollte, trotz aller nur möglichen Anerbietungen seitens der Bahngesellschaft. Gewiß ist es sehr löblich, für Schulzwecke möglichst viel, und das was verwendet wird, möglichst vorsorglich zu verwenden. Meiner Ansicht nach lassen sich aber Schulhäuser so ziemlich überall erbauen, Bahnhöfe aber, der viel größeren Bodenfläche wegen nicht. Wenn es sich daher wie in diesem Falle darum handelt, eine sehr wesentliche Verkehrserleichterung zu schaffen, so müßte ausnahmsweise einmal ein Schulhausbauplatz zum Opfer gebracht werden, besonders wenn er sich ganz in der Nähe ersetzen läßt, wie das hier der Fall war. Die beireffende Stadt ist wegen ihrer ausgezeichneten Schulen berühmt und sie wacht mit rühmlichem Eifer über deren unveränderter Vor¬ züglichkeit. Ihr geringes Entgegenkommen mag sich daher aus diesem Eifer erklären und einigermaßen entschuldigen; es ist aber um so weniger ganz zu rechtfertigen, als der andere hier verhandelnde Theil eine Eisenbahn- gesellschaft war, welche lange Zeit wegen schlechter Einrichtungen verschrieen gewesen war und bei ihrer ersten Wendung zur Besserung durch diese Art und Weise der Behandlung natürlich nicht in ihren Besserungsabsichten bestärkt werden konnte. Derartige Fälle könnten wohl kaum vorkommen, wenn den Technikern in den betreffenden Verwaltungszweigen mehr Einfluß eingeräumt wäre, so¬ wohl in den Eisenbahnverwaltungen selbst, als auch besonders innerhalb der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/44
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/44>, abgerufen am 23.07.2024.