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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Weltmanne Jack Harris ertheilt wurde, der volle siebzehn Jahre auf dem
Rücken hatte." So war das amerikanische Mädchen von fünfzehn oder sech¬
zehn, das er charakterisirte. Wer Deutsche desselben Alters geschildert sehen
will, wie sie sind, der lese Reichenau's hübsche Kapitel: "Erste Liebe", "der
Gegenstand noch einmal" u. s. w.

Doch genug, wie gesagt, von diesen Vergleichungen.

Wir geben zum Schlüsse einige spezifisch amerikanische Züge aus der Ge¬
schichte des bösen Buben, die sich kaum mit irgend etwas im alten Europa
vergleichen lassen. Dahin gehört die lebendige liebenswürdige Schilderung von
Nivermvuth -- desselben Hafenstädtchens, in dem "Prudence Palfrey" spielt --
mit seiner verschollenen Handelsbedeutung und seinen letzten menschlichen und
architectonischen Ueberresten aus den großen Tagen Georg Washington's und
dem Seekrieg gegen England. Dahin gehören die köstlichen Mysterien vom
Geheimbund der "Tausendfüße", deren ältestes Mitglied beim Ausgang der
Geschichte etwa gleichfalls in dem reifen Alter von siebenzehn Sommern stehen
mag. und in dem die Albernheiten und Schrecknisse der nordamerikanischen
Geheimbünde für Erwachsene von den Jungen virtuos nachgeäfft werden.
Dahin gehört auch die traurige Bootfahrt das "Delphin", bei welcher der
arme kleine Binnie Wallace in die wilde See hinaustreibt. Vor allem aber
gehören hierhin "Die Abenteuer eines vierten Juli" -- des großen National¬
festtags der Vereinigten Staaten -- und die Knalleffecte, durch welche der
böse Bube und die- übrigen "Tausendfüße" die Rivermouther in Staunen
versetzen. Wir theilen die beiden Capitel im Auszug mit.

Bereits am Vorabend des vierten Juli,hat Bailey mit seinen Genossen
eine alte Postkutsche widerrechtlich den Flammen überliefert und mit seinen
Spießgesellen dafür die Freuden des Gefängnisses von Rivermoulh zu schmecken
bekommen, die sie indessen bald mit Hülfe des Fensters wieder mit der
Freiheit vertauschen. Bailey hält die Genossen frei in Wurzelbier. "Indem
meine Freigebigkeit ihren Einfluß auf Charley Marder ausübte, lud er uns
allesammt ein, in Pettingil's Salon ein Glas Eis mit ihm zu essen. Pet-
tingil war der Delmonico") von Nivermvuth. Er lieferte Eis und Con-
ditonvaarcn für aristokratische Bälle und Gesellschaften, und verschmähte es
nicht, zugleich den Dirigenten des Orchesters bei denselben zu machen; denn
Pettingil spielte die Violine, wie der gepfefferte Whitcomb sich ausdrückte,
"wie eine alte Kratzbürste". Pettingils Conditoret befand sich an der Ecke
der Weiden- und der Hochstraße. Der Salon, von dem Laden durch eine
Treppe von drei Stufen getrennt, die nach einer mit verschossenen rothen Vor¬
hängen geschmückten Thür führten, hatte ein geheimnißvolles und abgeschlossnes



") Datum'nico ist seit Jahren der bcrühnUcste Nest.nircmt i" Neuyork.

Weltmanne Jack Harris ertheilt wurde, der volle siebzehn Jahre auf dem
Rücken hatte." So war das amerikanische Mädchen von fünfzehn oder sech¬
zehn, das er charakterisirte. Wer Deutsche desselben Alters geschildert sehen
will, wie sie sind, der lese Reichenau's hübsche Kapitel: „Erste Liebe", „der
Gegenstand noch einmal" u. s. w.

Doch genug, wie gesagt, von diesen Vergleichungen.

Wir geben zum Schlüsse einige spezifisch amerikanische Züge aus der Ge¬
schichte des bösen Buben, die sich kaum mit irgend etwas im alten Europa
vergleichen lassen. Dahin gehört die lebendige liebenswürdige Schilderung von
Nivermvuth — desselben Hafenstädtchens, in dem „Prudence Palfrey" spielt —
mit seiner verschollenen Handelsbedeutung und seinen letzten menschlichen und
architectonischen Ueberresten aus den großen Tagen Georg Washington's und
dem Seekrieg gegen England. Dahin gehören die köstlichen Mysterien vom
Geheimbund der „Tausendfüße", deren ältestes Mitglied beim Ausgang der
Geschichte etwa gleichfalls in dem reifen Alter von siebenzehn Sommern stehen
mag. und in dem die Albernheiten und Schrecknisse der nordamerikanischen
Geheimbünde für Erwachsene von den Jungen virtuos nachgeäfft werden.
Dahin gehört auch die traurige Bootfahrt das „Delphin", bei welcher der
arme kleine Binnie Wallace in die wilde See hinaustreibt. Vor allem aber
gehören hierhin „Die Abenteuer eines vierten Juli" — des großen National¬
festtags der Vereinigten Staaten — und die Knalleffecte, durch welche der
böse Bube und die- übrigen „Tausendfüße" die Rivermouther in Staunen
versetzen. Wir theilen die beiden Capitel im Auszug mit.

Bereits am Vorabend des vierten Juli,hat Bailey mit seinen Genossen
eine alte Postkutsche widerrechtlich den Flammen überliefert und mit seinen
Spießgesellen dafür die Freuden des Gefängnisses von Rivermoulh zu schmecken
bekommen, die sie indessen bald mit Hülfe des Fensters wieder mit der
Freiheit vertauschen. Bailey hält die Genossen frei in Wurzelbier. „Indem
meine Freigebigkeit ihren Einfluß auf Charley Marder ausübte, lud er uns
allesammt ein, in Pettingil's Salon ein Glas Eis mit ihm zu essen. Pet-
tingil war der Delmonico") von Nivermvuth. Er lieferte Eis und Con-
ditonvaarcn für aristokratische Bälle und Gesellschaften, und verschmähte es
nicht, zugleich den Dirigenten des Orchesters bei denselben zu machen; denn
Pettingil spielte die Violine, wie der gepfefferte Whitcomb sich ausdrückte,
„wie eine alte Kratzbürste". Pettingils Conditoret befand sich an der Ecke
der Weiden- und der Hochstraße. Der Salon, von dem Laden durch eine
Treppe von drei Stufen getrennt, die nach einer mit verschossenen rothen Vor¬
hängen geschmückten Thür führten, hatte ein geheimnißvolles und abgeschlossnes



") Datum'nico ist seit Jahren der bcrühnUcste Nest.nircmt i» Neuyork.
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[0436] Weltmanne Jack Harris ertheilt wurde, der volle siebzehn Jahre auf dem Rücken hatte." So war das amerikanische Mädchen von fünfzehn oder sech¬ zehn, das er charakterisirte. Wer Deutsche desselben Alters geschildert sehen will, wie sie sind, der lese Reichenau's hübsche Kapitel: „Erste Liebe", „der Gegenstand noch einmal" u. s. w. Doch genug, wie gesagt, von diesen Vergleichungen. Wir geben zum Schlüsse einige spezifisch amerikanische Züge aus der Ge¬ schichte des bösen Buben, die sich kaum mit irgend etwas im alten Europa vergleichen lassen. Dahin gehört die lebendige liebenswürdige Schilderung von Nivermvuth — desselben Hafenstädtchens, in dem „Prudence Palfrey" spielt — mit seiner verschollenen Handelsbedeutung und seinen letzten menschlichen und architectonischen Ueberresten aus den großen Tagen Georg Washington's und dem Seekrieg gegen England. Dahin gehören die köstlichen Mysterien vom Geheimbund der „Tausendfüße", deren ältestes Mitglied beim Ausgang der Geschichte etwa gleichfalls in dem reifen Alter von siebenzehn Sommern stehen mag. und in dem die Albernheiten und Schrecknisse der nordamerikanischen Geheimbünde für Erwachsene von den Jungen virtuos nachgeäfft werden. Dahin gehört auch die traurige Bootfahrt das „Delphin", bei welcher der arme kleine Binnie Wallace in die wilde See hinaustreibt. Vor allem aber gehören hierhin „Die Abenteuer eines vierten Juli" — des großen National¬ festtags der Vereinigten Staaten — und die Knalleffecte, durch welche der böse Bube und die- übrigen „Tausendfüße" die Rivermouther in Staunen versetzen. Wir theilen die beiden Capitel im Auszug mit. Bereits am Vorabend des vierten Juli,hat Bailey mit seinen Genossen eine alte Postkutsche widerrechtlich den Flammen überliefert und mit seinen Spießgesellen dafür die Freuden des Gefängnisses von Rivermoulh zu schmecken bekommen, die sie indessen bald mit Hülfe des Fensters wieder mit der Freiheit vertauschen. Bailey hält die Genossen frei in Wurzelbier. „Indem meine Freigebigkeit ihren Einfluß auf Charley Marder ausübte, lud er uns allesammt ein, in Pettingil's Salon ein Glas Eis mit ihm zu essen. Pet- tingil war der Delmonico") von Nivermvuth. Er lieferte Eis und Con- ditonvaarcn für aristokratische Bälle und Gesellschaften, und verschmähte es nicht, zugleich den Dirigenten des Orchesters bei denselben zu machen; denn Pettingil spielte die Violine, wie der gepfefferte Whitcomb sich ausdrückte, „wie eine alte Kratzbürste". Pettingils Conditoret befand sich an der Ecke der Weiden- und der Hochstraße. Der Salon, von dem Laden durch eine Treppe von drei Stufen getrennt, die nach einer mit verschossenen rothen Vor¬ hängen geschmückten Thür führten, hatte ein geheimnißvolles und abgeschlossnes ") Datum'nico ist seit Jahren der bcrühnUcste Nest.nircmt i» Neuyork.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/436>, abgerufen am 23.07.2024.