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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Arbeiter der National-Union fern und deshalb in Dienst geblieben war und
überdies das Wetter sich günstig gestaltete, so waren die Pächter im Stande,
ihre Ernte wohlbehalten, unbeschädigt einzubringen. Die Arbeit war etwas
langsamer, vielleicht auch etwas schlechter vollendet, aber sie war doch gemacht
worden.

Die Mitglieder der National-Union hatten bis über die Heu-Ernte
ausgehalten in der Hoffnung, daß die Pächter bei Beginn der Getreide-Ernte
endlich nachgeben müßten. Allein als diese Hoffnung sich als eitel heraus¬
stellte, erkannte endlich der Vorstand der National-Union die Unmöglichkeit,
die unternommene Aufgabe durchzuführen. Er kündigte Ende Juli seinen
Mitgliedern an, daß die Casse nicht mehr zur Vertheilung der bisher bewillig¬
ten Unterstützungsgelder ausreiche und daß aus ihr fortan nur Beiträge zur
Auswanderung nach Schottland, nach den Bereinigten Staaten oder nach
Canada bewilligt werden könnten. Den ausgeschlossenen Landarbeitern war
nur die Wahl zwischen unbedingter Unterwerfung unter das Verlangen der
Pachter oder Auswanderung geblieben. Viele haben, müde und hoffnungslos
den ersteren Ausweg gewählt, die Tüchtigeren aber haben sich zur Auswan¬
derung entschlossen, welche seitdem namentlich in der Richtung von Canada
größeren Umfang angenommen hat. In beiden Fällen aber waren sie für
die National-Union verloren. Obwohl dieser Verein durch das Scheitern
einer so hartnäckig behaupteten Bewegung seinem Untergang nahe gebracht
ist, und obwohl diese Niederlage noch auf Jahre hinaus den Muth zum ge¬
meinsamen Aufraffen der Landarbeiter zu besseren Verhältnissen benommen
haben wird, so ist die Frage doch nur vertagt und keineswegs als gelöst zu
betrachten.

Nicht blos dem ungünstig gewählten Zeitpunkt wird die Niederlage dieses
ersten Aufraffens der Landarbeiter beizumessen sein, auch noch ein anderer
Umstand mag zur raschen Dämpfung desselben beigetragen haben -- die kluge
Passivität, mit welcher die Grundeigenthümer dem Streite zusahen, ohne für
den einen oder andern Theil Partei zu nehmen. Und doch hatte Josef Ares
bereits das weitgehende Losungswort ausgesprochen: "Was soll mit dem Bo¬
den geschehen?" Jene kluge Zurückhaltung der Grundeigenthümer wirkte da¬
hin, den Streit zu begrenzen, so daß alle die Dinge, welche im Grunde für
sie bestimmt sind, zunächst an die Adresse der Pachter gerichtet wurden. Die
Agenten der Union, welche während des 4 Monate dauernden Streites fort¬
während die Arbeiter an Ort und Stelle zu beeinflußen suchten und dazu
häufig genug Gelegenheit hatten, weil die Wirthshäuser von den müssigen
Leuten mehr als je besucht wurden und es namentlich an Markttagen zwischen
Pächtern und Arbeitern häusig zu Reibungen kam, setzten den Leuten ganz
neue Dinge in den Kopf. Eine der Hauptförderungen in dieser Beziehung


Grenzboten I. 187b. 53

Arbeiter der National-Union fern und deshalb in Dienst geblieben war und
überdies das Wetter sich günstig gestaltete, so waren die Pächter im Stande,
ihre Ernte wohlbehalten, unbeschädigt einzubringen. Die Arbeit war etwas
langsamer, vielleicht auch etwas schlechter vollendet, aber sie war doch gemacht
worden.

Die Mitglieder der National-Union hatten bis über die Heu-Ernte
ausgehalten in der Hoffnung, daß die Pächter bei Beginn der Getreide-Ernte
endlich nachgeben müßten. Allein als diese Hoffnung sich als eitel heraus¬
stellte, erkannte endlich der Vorstand der National-Union die Unmöglichkeit,
die unternommene Aufgabe durchzuführen. Er kündigte Ende Juli seinen
Mitgliedern an, daß die Casse nicht mehr zur Vertheilung der bisher bewillig¬
ten Unterstützungsgelder ausreiche und daß aus ihr fortan nur Beiträge zur
Auswanderung nach Schottland, nach den Bereinigten Staaten oder nach
Canada bewilligt werden könnten. Den ausgeschlossenen Landarbeitern war
nur die Wahl zwischen unbedingter Unterwerfung unter das Verlangen der
Pachter oder Auswanderung geblieben. Viele haben, müde und hoffnungslos
den ersteren Ausweg gewählt, die Tüchtigeren aber haben sich zur Auswan¬
derung entschlossen, welche seitdem namentlich in der Richtung von Canada
größeren Umfang angenommen hat. In beiden Fällen aber waren sie für
die National-Union verloren. Obwohl dieser Verein durch das Scheitern
einer so hartnäckig behaupteten Bewegung seinem Untergang nahe gebracht
ist, und obwohl diese Niederlage noch auf Jahre hinaus den Muth zum ge¬
meinsamen Aufraffen der Landarbeiter zu besseren Verhältnissen benommen
haben wird, so ist die Frage doch nur vertagt und keineswegs als gelöst zu
betrachten.

Nicht blos dem ungünstig gewählten Zeitpunkt wird die Niederlage dieses
ersten Aufraffens der Landarbeiter beizumessen sein, auch noch ein anderer
Umstand mag zur raschen Dämpfung desselben beigetragen haben — die kluge
Passivität, mit welcher die Grundeigenthümer dem Streite zusahen, ohne für
den einen oder andern Theil Partei zu nehmen. Und doch hatte Josef Ares
bereits das weitgehende Losungswort ausgesprochen: „Was soll mit dem Bo¬
den geschehen?" Jene kluge Zurückhaltung der Grundeigenthümer wirkte da¬
hin, den Streit zu begrenzen, so daß alle die Dinge, welche im Grunde für
sie bestimmt sind, zunächst an die Adresse der Pachter gerichtet wurden. Die
Agenten der Union, welche während des 4 Monate dauernden Streites fort¬
während die Arbeiter an Ort und Stelle zu beeinflußen suchten und dazu
häufig genug Gelegenheit hatten, weil die Wirthshäuser von den müssigen
Leuten mehr als je besucht wurden und es namentlich an Markttagen zwischen
Pächtern und Arbeitern häusig zu Reibungen kam, setzten den Leuten ganz
neue Dinge in den Kopf. Eine der Hauptförderungen in dieser Beziehung


Grenzboten I. 187b. 53
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[0425] Arbeiter der National-Union fern und deshalb in Dienst geblieben war und überdies das Wetter sich günstig gestaltete, so waren die Pächter im Stande, ihre Ernte wohlbehalten, unbeschädigt einzubringen. Die Arbeit war etwas langsamer, vielleicht auch etwas schlechter vollendet, aber sie war doch gemacht worden. Die Mitglieder der National-Union hatten bis über die Heu-Ernte ausgehalten in der Hoffnung, daß die Pächter bei Beginn der Getreide-Ernte endlich nachgeben müßten. Allein als diese Hoffnung sich als eitel heraus¬ stellte, erkannte endlich der Vorstand der National-Union die Unmöglichkeit, die unternommene Aufgabe durchzuführen. Er kündigte Ende Juli seinen Mitgliedern an, daß die Casse nicht mehr zur Vertheilung der bisher bewillig¬ ten Unterstützungsgelder ausreiche und daß aus ihr fortan nur Beiträge zur Auswanderung nach Schottland, nach den Bereinigten Staaten oder nach Canada bewilligt werden könnten. Den ausgeschlossenen Landarbeitern war nur die Wahl zwischen unbedingter Unterwerfung unter das Verlangen der Pachter oder Auswanderung geblieben. Viele haben, müde und hoffnungslos den ersteren Ausweg gewählt, die Tüchtigeren aber haben sich zur Auswan¬ derung entschlossen, welche seitdem namentlich in der Richtung von Canada größeren Umfang angenommen hat. In beiden Fällen aber waren sie für die National-Union verloren. Obwohl dieser Verein durch das Scheitern einer so hartnäckig behaupteten Bewegung seinem Untergang nahe gebracht ist, und obwohl diese Niederlage noch auf Jahre hinaus den Muth zum ge¬ meinsamen Aufraffen der Landarbeiter zu besseren Verhältnissen benommen haben wird, so ist die Frage doch nur vertagt und keineswegs als gelöst zu betrachten. Nicht blos dem ungünstig gewählten Zeitpunkt wird die Niederlage dieses ersten Aufraffens der Landarbeiter beizumessen sein, auch noch ein anderer Umstand mag zur raschen Dämpfung desselben beigetragen haben — die kluge Passivität, mit welcher die Grundeigenthümer dem Streite zusahen, ohne für den einen oder andern Theil Partei zu nehmen. Und doch hatte Josef Ares bereits das weitgehende Losungswort ausgesprochen: „Was soll mit dem Bo¬ den geschehen?" Jene kluge Zurückhaltung der Grundeigenthümer wirkte da¬ hin, den Streit zu begrenzen, so daß alle die Dinge, welche im Grunde für sie bestimmt sind, zunächst an die Adresse der Pachter gerichtet wurden. Die Agenten der Union, welche während des 4 Monate dauernden Streites fort¬ während die Arbeiter an Ort und Stelle zu beeinflußen suchten und dazu häufig genug Gelegenheit hatten, weil die Wirthshäuser von den müssigen Leuten mehr als je besucht wurden und es namentlich an Markttagen zwischen Pächtern und Arbeitern häusig zu Reibungen kam, setzten den Leuten ganz neue Dinge in den Kopf. Eine der Hauptförderungen in dieser Beziehung Grenzboten I. 187b. 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/425>, abgerufen am 23.07.2024.