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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Geistesfrische und ein wunderbares Gedächtniß für jene längst vergangene
Zeit bewahrt holte, erzählte noch wenige Wochen vor seinem im Jahre
1874 erfolgten Tod das, was er in jenen Aufzeichnungen niedergelegt, dem
Schreiber dieser Zeilen frei aus dem Gedächtniß, und fast gleichzeitig fand
ich in einem im Archiv des hiesigen Kreisgerichts befindlichen Aktenstück eine
beachtenswerthe Bestätigung der Angaben des Justizraths Windorf, welch
letzterem diese Akten nicht bekannt waren. Ehe wir jedoch das
Mitrheilenswerthe aus diesen Akten hier zur Sprache bringen, möge es zuvor
gestattet sein, die entscheidenden Momente aus den Windorf'schen Angaben
hier kurz zu rekapituliren.

Nach Windorf's Erzählung hatte nämlich der Prinz während des Treffens
mit seinen Adjutanten in dem Bock'schen Garten gehalten, und dort wurde
ihm ein Pferd unter dem Leibe erschossen. Er bestieg ein anderes und ritt,
da die Massen des an Zahl weit überlegenen Feindes immer ungestümer
herandrängten und den linken Flügel seiner Truppen zu umgehen drohten,
in den Hohlweg hinein, welcher von Wölsdorf aus auf die an der Saale
gelegenen Wiesen führt, um den Rückzug seiner Truppen auf Rudolstadt zu
leiten. Allein der Ausgang des Hohlwegs war bereits nicht mehr frei, und
schnell war der Prinz von feindlichen Reitern umringt, nur im Rücken durch
die steil abfallende Lehmwand des Hohlwegs gedeckt. Wie nun jener fran¬
zösische Korporal unserem Gewährsmann erzählte, hieb und stach der Prinz
wie verzweifelt um sich und wies den ihm angebotenen Pardon mit Wort
und Degen zurück, bis er von seinem Gegner die tödtliche Wunde erhielt.
Jener Franzose zeigte Windorf auch die blutgedrängte Stelle bei einem an
dem Hohlweg stehenden alten Eichstumpf, woselbst der Prinz gefallen sei.

Wir bemerken hierzu, daß der fragliche Hohlweg, welcher übrigens durch
den inzwischen vorgenommenen Chausseebau bedeutend abgekürzt worden ist,
sich rechter Hand für den von Saalfeld her Kommenden von dem großen
Monument und unterhalb des letzteren befindet. Windorf macht nun darauf
aufmerksam, und es fällt bei näherer Betrachtung auch sofort ins Auge, daß
der aus dem Denkmal dargestellte Genius mit dem Zeigefinger der rechten
Hand nach dem Hohlweg hinunter zeigt, und daß auch dessen Blick dorthin
gerichtet ist. "Folgt man diesem Wink -- sagt Windorf -- und zieht man
nach seiner Richtung eine gerade Linie über die Feldspitze, auf welcher das
Monument steht, und den Hohlweg hinunterwärts bis an die Abschneidung
der Hohle durch die Lehmwand rechts, dann befindet man sich gerade auf
dem Punkt, aus welchem der Prinz gefallen ist." Bemerkt mag hierbei noch
werden, daß der einige hundert Schritte von diesem Monument entfernte
kleine Denkstein, bet welchem vordem die neuerdings gefällte Linde stand, nach
Windorf's Angabe von preußischen Offizieren im Jahre 1807 gesetzt worden


Geistesfrische und ein wunderbares Gedächtniß für jene längst vergangene
Zeit bewahrt holte, erzählte noch wenige Wochen vor seinem im Jahre
1874 erfolgten Tod das, was er in jenen Aufzeichnungen niedergelegt, dem
Schreiber dieser Zeilen frei aus dem Gedächtniß, und fast gleichzeitig fand
ich in einem im Archiv des hiesigen Kreisgerichts befindlichen Aktenstück eine
beachtenswerthe Bestätigung der Angaben des Justizraths Windorf, welch
letzterem diese Akten nicht bekannt waren. Ehe wir jedoch das
Mitrheilenswerthe aus diesen Akten hier zur Sprache bringen, möge es zuvor
gestattet sein, die entscheidenden Momente aus den Windorf'schen Angaben
hier kurz zu rekapituliren.

Nach Windorf's Erzählung hatte nämlich der Prinz während des Treffens
mit seinen Adjutanten in dem Bock'schen Garten gehalten, und dort wurde
ihm ein Pferd unter dem Leibe erschossen. Er bestieg ein anderes und ritt,
da die Massen des an Zahl weit überlegenen Feindes immer ungestümer
herandrängten und den linken Flügel seiner Truppen zu umgehen drohten,
in den Hohlweg hinein, welcher von Wölsdorf aus auf die an der Saale
gelegenen Wiesen führt, um den Rückzug seiner Truppen auf Rudolstadt zu
leiten. Allein der Ausgang des Hohlwegs war bereits nicht mehr frei, und
schnell war der Prinz von feindlichen Reitern umringt, nur im Rücken durch
die steil abfallende Lehmwand des Hohlwegs gedeckt. Wie nun jener fran¬
zösische Korporal unserem Gewährsmann erzählte, hieb und stach der Prinz
wie verzweifelt um sich und wies den ihm angebotenen Pardon mit Wort
und Degen zurück, bis er von seinem Gegner die tödtliche Wunde erhielt.
Jener Franzose zeigte Windorf auch die blutgedrängte Stelle bei einem an
dem Hohlweg stehenden alten Eichstumpf, woselbst der Prinz gefallen sei.

Wir bemerken hierzu, daß der fragliche Hohlweg, welcher übrigens durch
den inzwischen vorgenommenen Chausseebau bedeutend abgekürzt worden ist,
sich rechter Hand für den von Saalfeld her Kommenden von dem großen
Monument und unterhalb des letzteren befindet. Windorf macht nun darauf
aufmerksam, und es fällt bei näherer Betrachtung auch sofort ins Auge, daß
der aus dem Denkmal dargestellte Genius mit dem Zeigefinger der rechten
Hand nach dem Hohlweg hinunter zeigt, und daß auch dessen Blick dorthin
gerichtet ist. „Folgt man diesem Wink — sagt Windorf — und zieht man
nach seiner Richtung eine gerade Linie über die Feldspitze, auf welcher das
Monument steht, und den Hohlweg hinunterwärts bis an die Abschneidung
der Hohle durch die Lehmwand rechts, dann befindet man sich gerade auf
dem Punkt, aus welchem der Prinz gefallen ist." Bemerkt mag hierbei noch
werden, daß der einige hundert Schritte von diesem Monument entfernte
kleine Denkstein, bet welchem vordem die neuerdings gefällte Linde stand, nach
Windorf's Angabe von preußischen Offizieren im Jahre 1807 gesetzt worden


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[0036] Geistesfrische und ein wunderbares Gedächtniß für jene längst vergangene Zeit bewahrt holte, erzählte noch wenige Wochen vor seinem im Jahre 1874 erfolgten Tod das, was er in jenen Aufzeichnungen niedergelegt, dem Schreiber dieser Zeilen frei aus dem Gedächtniß, und fast gleichzeitig fand ich in einem im Archiv des hiesigen Kreisgerichts befindlichen Aktenstück eine beachtenswerthe Bestätigung der Angaben des Justizraths Windorf, welch letzterem diese Akten nicht bekannt waren. Ehe wir jedoch das Mitrheilenswerthe aus diesen Akten hier zur Sprache bringen, möge es zuvor gestattet sein, die entscheidenden Momente aus den Windorf'schen Angaben hier kurz zu rekapituliren. Nach Windorf's Erzählung hatte nämlich der Prinz während des Treffens mit seinen Adjutanten in dem Bock'schen Garten gehalten, und dort wurde ihm ein Pferd unter dem Leibe erschossen. Er bestieg ein anderes und ritt, da die Massen des an Zahl weit überlegenen Feindes immer ungestümer herandrängten und den linken Flügel seiner Truppen zu umgehen drohten, in den Hohlweg hinein, welcher von Wölsdorf aus auf die an der Saale gelegenen Wiesen führt, um den Rückzug seiner Truppen auf Rudolstadt zu leiten. Allein der Ausgang des Hohlwegs war bereits nicht mehr frei, und schnell war der Prinz von feindlichen Reitern umringt, nur im Rücken durch die steil abfallende Lehmwand des Hohlwegs gedeckt. Wie nun jener fran¬ zösische Korporal unserem Gewährsmann erzählte, hieb und stach der Prinz wie verzweifelt um sich und wies den ihm angebotenen Pardon mit Wort und Degen zurück, bis er von seinem Gegner die tödtliche Wunde erhielt. Jener Franzose zeigte Windorf auch die blutgedrängte Stelle bei einem an dem Hohlweg stehenden alten Eichstumpf, woselbst der Prinz gefallen sei. Wir bemerken hierzu, daß der fragliche Hohlweg, welcher übrigens durch den inzwischen vorgenommenen Chausseebau bedeutend abgekürzt worden ist, sich rechter Hand für den von Saalfeld her Kommenden von dem großen Monument und unterhalb des letzteren befindet. Windorf macht nun darauf aufmerksam, und es fällt bei näherer Betrachtung auch sofort ins Auge, daß der aus dem Denkmal dargestellte Genius mit dem Zeigefinger der rechten Hand nach dem Hohlweg hinunter zeigt, und daß auch dessen Blick dorthin gerichtet ist. „Folgt man diesem Wink — sagt Windorf — und zieht man nach seiner Richtung eine gerade Linie über die Feldspitze, auf welcher das Monument steht, und den Hohlweg hinunterwärts bis an die Abschneidung der Hohle durch die Lehmwand rechts, dann befindet man sich gerade auf dem Punkt, aus welchem der Prinz gefallen ist." Bemerkt mag hierbei noch werden, daß der einige hundert Schritte von diesem Monument entfernte kleine Denkstein, bet welchem vordem die neuerdings gefällte Linde stand, nach Windorf's Angabe von preußischen Offizieren im Jahre 1807 gesetzt worden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/36>, abgerufen am 23.07.2024.