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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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süddeutschen Städtebundes, sein fortwährenden Schwankungen unterworfenes
Verhältniß zu den Fürsten und die Stellung, die der König dazu einnimmt,
erwecken in dem vorliegenden Bande, der bis 1387 reicht, in erster Reihe das
Interesse.

Ins Jahr 1376. als Karl IV. eben die Wahl seines Sohnes Wenzel
erreicht hatte, wobei "tapfer der Gulden anlief", fallen die Anfänge des
schwäbischen Städtebundes. Eben die großen Kosten der Wahl, fürchteten
die Reichsstädte, würden auf sie abgewälzt werden; denn die Verpfändung
von Reichsstädten war ein beliebtes Mittel des Kaisers Geldverpflichtungen
abzuwickeln. jetzt stand dessen Anwendung in umfassender Weise bevor. So
vereinten sich zunächst 14 Städte in Schwaben: Ulm, Konstanz. Reutlingen
u. s. w. trotz der goldenen Bulle zu einem Bunde und stellten dem neuen
König die Huldigung nur gegen die Zustcherung nicht verpfändet zu werden
in Aussicht. Karl's Versuch Gewalt zu brauchen scheiterte an den festen Mau¬
ern Ukas, und als er den Krieg den baierischen Herzögen und dem Würtem-
Verger Eberhard überläßt, ziehen sich die ersteren am Erfolge verzweifelnd im
Winter zurück, und Letzterer erleidet im folgenden Frühjahr seine bekannte
Niederlage bei Reutlingen. Dieser erste Erfolg verleiht dem Bunde Festigkeit
und Vergrößerung; da Wenzel jetzt die Städte zwar nicht als Bund sondern
einzeln gegen Versetzung sicher stellte und ihnen vereinte Vertheidigung gegen
Bruch des Friedens gestattete, auch Eberhard sich ein Jahr später "nach der
Städte Willen" mit ihnen verrichtete, stieg der Bund bald bis auf 31 Städte,
denen sich 1379'auch das mächtige Augsburg anschloß.

Die Zukunft des Bundes und seine Bedeutung für die Weiterentwicklung
der Reichsverfassung hing von der Frage ab. ob er, gegen die ausdrückliche
Bestimmung der goldenen Bulle entstanden, die Anerkennung des Kaisers und
der Fürsten des Reichs erlangen würde. Wenn das glückte, dann war den
deutschen Städten der Weg gewiesen, wie sie zu einem mitbestimmenden Fac-
tor der Reichsverfassung werden konnten. Den Mitgliedern des anerkannten
Bundes konnte die Einladung zum Reichstag, die bisher von der Willkür
des Königs abhing, nicht wohl versagt werden; eine regelmäßige Vertretung
der Städte im Reichstage hatte sich angebahnt. Warum konnte das nicht zu
ähnlichem Ziele führen wie in England, dessen Beispiel seit einem Jahrhun¬
dert vorlag! Aber zunächst haben wir uns die Frage vorzulegen, ob die
Städte wirklich nach politischen Zielen gestrebt haben, ob nicht allein das
Interesse ihrer Erhaltung und Sicherung gegen augenblickliche Gefahr dem
Bunde Ursprung und Fortgang gegeben habe. Die Urtheile des Verfassers
hierüber sind sehr vorsichtig. Die gleichzeitigen Quellen, etwa die Städtechro-
uikeu, sind nicht derart um sich darüber zu verbreiten, und der Verlauf der
Ereignisse läßt auch nicht recht zur Gewißheit darüber kommen. Daß in ein-


süddeutschen Städtebundes, sein fortwährenden Schwankungen unterworfenes
Verhältniß zu den Fürsten und die Stellung, die der König dazu einnimmt,
erwecken in dem vorliegenden Bande, der bis 1387 reicht, in erster Reihe das
Interesse.

Ins Jahr 1376. als Karl IV. eben die Wahl seines Sohnes Wenzel
erreicht hatte, wobei „tapfer der Gulden anlief", fallen die Anfänge des
schwäbischen Städtebundes. Eben die großen Kosten der Wahl, fürchteten
die Reichsstädte, würden auf sie abgewälzt werden; denn die Verpfändung
von Reichsstädten war ein beliebtes Mittel des Kaisers Geldverpflichtungen
abzuwickeln. jetzt stand dessen Anwendung in umfassender Weise bevor. So
vereinten sich zunächst 14 Städte in Schwaben: Ulm, Konstanz. Reutlingen
u. s. w. trotz der goldenen Bulle zu einem Bunde und stellten dem neuen
König die Huldigung nur gegen die Zustcherung nicht verpfändet zu werden
in Aussicht. Karl's Versuch Gewalt zu brauchen scheiterte an den festen Mau¬
ern Ukas, und als er den Krieg den baierischen Herzögen und dem Würtem-
Verger Eberhard überläßt, ziehen sich die ersteren am Erfolge verzweifelnd im
Winter zurück, und Letzterer erleidet im folgenden Frühjahr seine bekannte
Niederlage bei Reutlingen. Dieser erste Erfolg verleiht dem Bunde Festigkeit
und Vergrößerung; da Wenzel jetzt die Städte zwar nicht als Bund sondern
einzeln gegen Versetzung sicher stellte und ihnen vereinte Vertheidigung gegen
Bruch des Friedens gestattete, auch Eberhard sich ein Jahr später „nach der
Städte Willen" mit ihnen verrichtete, stieg der Bund bald bis auf 31 Städte,
denen sich 1379'auch das mächtige Augsburg anschloß.

Die Zukunft des Bundes und seine Bedeutung für die Weiterentwicklung
der Reichsverfassung hing von der Frage ab. ob er, gegen die ausdrückliche
Bestimmung der goldenen Bulle entstanden, die Anerkennung des Kaisers und
der Fürsten des Reichs erlangen würde. Wenn das glückte, dann war den
deutschen Städten der Weg gewiesen, wie sie zu einem mitbestimmenden Fac-
tor der Reichsverfassung werden konnten. Den Mitgliedern des anerkannten
Bundes konnte die Einladung zum Reichstag, die bisher von der Willkür
des Königs abhing, nicht wohl versagt werden; eine regelmäßige Vertretung
der Städte im Reichstage hatte sich angebahnt. Warum konnte das nicht zu
ähnlichem Ziele führen wie in England, dessen Beispiel seit einem Jahrhun¬
dert vorlag! Aber zunächst haben wir uns die Frage vorzulegen, ob die
Städte wirklich nach politischen Zielen gestrebt haben, ob nicht allein das
Interesse ihrer Erhaltung und Sicherung gegen augenblickliche Gefahr dem
Bunde Ursprung und Fortgang gegeben habe. Die Urtheile des Verfassers
hierüber sind sehr vorsichtig. Die gleichzeitigen Quellen, etwa die Städtechro-
uikeu, sind nicht derart um sich darüber zu verbreiten, und der Verlauf der
Ereignisse läßt auch nicht recht zur Gewißheit darüber kommen. Daß in ein-


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[0317] süddeutschen Städtebundes, sein fortwährenden Schwankungen unterworfenes Verhältniß zu den Fürsten und die Stellung, die der König dazu einnimmt, erwecken in dem vorliegenden Bande, der bis 1387 reicht, in erster Reihe das Interesse. Ins Jahr 1376. als Karl IV. eben die Wahl seines Sohnes Wenzel erreicht hatte, wobei „tapfer der Gulden anlief", fallen die Anfänge des schwäbischen Städtebundes. Eben die großen Kosten der Wahl, fürchteten die Reichsstädte, würden auf sie abgewälzt werden; denn die Verpfändung von Reichsstädten war ein beliebtes Mittel des Kaisers Geldverpflichtungen abzuwickeln. jetzt stand dessen Anwendung in umfassender Weise bevor. So vereinten sich zunächst 14 Städte in Schwaben: Ulm, Konstanz. Reutlingen u. s. w. trotz der goldenen Bulle zu einem Bunde und stellten dem neuen König die Huldigung nur gegen die Zustcherung nicht verpfändet zu werden in Aussicht. Karl's Versuch Gewalt zu brauchen scheiterte an den festen Mau¬ ern Ukas, und als er den Krieg den baierischen Herzögen und dem Würtem- Verger Eberhard überläßt, ziehen sich die ersteren am Erfolge verzweifelnd im Winter zurück, und Letzterer erleidet im folgenden Frühjahr seine bekannte Niederlage bei Reutlingen. Dieser erste Erfolg verleiht dem Bunde Festigkeit und Vergrößerung; da Wenzel jetzt die Städte zwar nicht als Bund sondern einzeln gegen Versetzung sicher stellte und ihnen vereinte Vertheidigung gegen Bruch des Friedens gestattete, auch Eberhard sich ein Jahr später „nach der Städte Willen" mit ihnen verrichtete, stieg der Bund bald bis auf 31 Städte, denen sich 1379'auch das mächtige Augsburg anschloß. Die Zukunft des Bundes und seine Bedeutung für die Weiterentwicklung der Reichsverfassung hing von der Frage ab. ob er, gegen die ausdrückliche Bestimmung der goldenen Bulle entstanden, die Anerkennung des Kaisers und der Fürsten des Reichs erlangen würde. Wenn das glückte, dann war den deutschen Städten der Weg gewiesen, wie sie zu einem mitbestimmenden Fac- tor der Reichsverfassung werden konnten. Den Mitgliedern des anerkannten Bundes konnte die Einladung zum Reichstag, die bisher von der Willkür des Königs abhing, nicht wohl versagt werden; eine regelmäßige Vertretung der Städte im Reichstage hatte sich angebahnt. Warum konnte das nicht zu ähnlichem Ziele führen wie in England, dessen Beispiel seit einem Jahrhun¬ dert vorlag! Aber zunächst haben wir uns die Frage vorzulegen, ob die Städte wirklich nach politischen Zielen gestrebt haben, ob nicht allein das Interesse ihrer Erhaltung und Sicherung gegen augenblickliche Gefahr dem Bunde Ursprung und Fortgang gegeben habe. Die Urtheile des Verfassers hierüber sind sehr vorsichtig. Die gleichzeitigen Quellen, etwa die Städtechro- uikeu, sind nicht derart um sich darüber zu verbreiten, und der Verlauf der Ereignisse läßt auch nicht recht zur Gewißheit darüber kommen. Daß in ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/317>, abgerufen am 23.07.2024.