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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Zeitungsnachrichten in manchen Landeskirchen beabsichtigt wird (Dänemark? ze.).
Wir wollen natürlich damit nicht sagen, daß man den Zehnten hätte beibehalten
sollen, aber allein richtig wäre doch überall nur die Wiederanlage der Capitalien
in Grund und Boden gewesen, also Vermehrung des Grundbesitzes der einzelnen
Stellen, der nicht allein gleichen Schritt hält mit dem Werthe der Werthzeichen,
sondern umgekehrt der Regulator des Werthes derselben ist. Einzelne Vor¬
kommnisse in einzelnen Gegenden, wo durch die Industrie, den höheren Ar¬
beitslohn, der Werth des Grundbesitzes sinkt, sind vorübergehend, während
umgekehrt in einzelnen Gegenden (Zuckerrübenindustrie) die Erträgnisse des
Grundbesitzes steigen. Die katholische Kirche ist darin von jeher klüger ge¬
wesen, als die evangelische.

Ein zweiter Punkt ist die Ordnung der rechtzeitigen Pensionirung der
Geistlichen, und die Fürsorge für ihren Unterhalt, wie dann für ihre Wittwen
und Waisen- In einzelnen Landeskirchen sind diese Verhältnisse zum Theil aller¬
dings schon in der Reformationszeit von ebenso umsichtigen als frommen Fürsten
(Braunschweig-Lüneburgische Lande) ins Auge gefaßt, und sogar Wittwenhäuser
für die Wittwen der Geistlichen geschaffen worden (wenn nicht die Fälle, die
der Verfasser im Auge hat, den Patronen verdankt werden), und darf wohl
gehofft werden, daß die neue Ordnung auch für diese Bedürfnisse sorgen wird.

Ein dritter Hauptpunkt wird die Schaffung einer allgemeinen Kirchen¬
kasse (eines kirchlichen Budget) in jeder Landeskirche sein müssen, durch welches
nicht nur für die genannten und andere sich herausstellenden Bedürfnisse hin¬
reichend gesorgt wird, sondern auch den einzelnen Geistlichen nach einer Classen¬
ordnung in steigender Progression Zulagen gegeben werden können, Das
hängt freilich zusammen mit der großen Frage, ob man es vorziehen solle,
die Geistlichen nach einer aufgestellten Classification der Stellen, immer auf
bessere Stellen zu versetzen, oder sie, wenn sonst die Verhältnisse die Versetzung
nicht durchaus wünschenswert!) machen, auf ihren Stellen zu belassen, und
nach den Dienstjahren, wie die anderen Beamten auch, mit besserem Einkommen
zu versehen. Wo nicht besondere Verhältnisse die Versetzung durchaus wün¬
schenswert!) machen, dürfte das Zweite ebenso im Interesse der Gemeinde als
des Geistlichen liegen.

Weiter können wir uns nicht damit einverstanden erklären, daß man so
große Bordseite für den geistlichen Stand, bezw. für das Verhältniß der Laien
zu dem geistlichen Stande und dem kirchlichen Leben überhaupt von der Auf¬
hebung der sog. Accidenzien als eines bestimmten Honorars (Taxe) für die
geistlichen Handlungen erwartet, indem man in ihnen einen Grund der Ab¬
neigung gegen die Theilnahme am kirchlichen Leben sieht. Einmal ist es
Psychologisch nicht wahr, daß eine Sache umsomehr an Werthschätzung ge¬
winnt, je weniger sie kostet, namentlich in den Augen der Ungebildeten, im


Grenzboten I. 1875. 32

Zeitungsnachrichten in manchen Landeskirchen beabsichtigt wird (Dänemark? ze.).
Wir wollen natürlich damit nicht sagen, daß man den Zehnten hätte beibehalten
sollen, aber allein richtig wäre doch überall nur die Wiederanlage der Capitalien
in Grund und Boden gewesen, also Vermehrung des Grundbesitzes der einzelnen
Stellen, der nicht allein gleichen Schritt hält mit dem Werthe der Werthzeichen,
sondern umgekehrt der Regulator des Werthes derselben ist. Einzelne Vor¬
kommnisse in einzelnen Gegenden, wo durch die Industrie, den höheren Ar¬
beitslohn, der Werth des Grundbesitzes sinkt, sind vorübergehend, während
umgekehrt in einzelnen Gegenden (Zuckerrübenindustrie) die Erträgnisse des
Grundbesitzes steigen. Die katholische Kirche ist darin von jeher klüger ge¬
wesen, als die evangelische.

Ein zweiter Punkt ist die Ordnung der rechtzeitigen Pensionirung der
Geistlichen, und die Fürsorge für ihren Unterhalt, wie dann für ihre Wittwen
und Waisen- In einzelnen Landeskirchen sind diese Verhältnisse zum Theil aller¬
dings schon in der Reformationszeit von ebenso umsichtigen als frommen Fürsten
(Braunschweig-Lüneburgische Lande) ins Auge gefaßt, und sogar Wittwenhäuser
für die Wittwen der Geistlichen geschaffen worden (wenn nicht die Fälle, die
der Verfasser im Auge hat, den Patronen verdankt werden), und darf wohl
gehofft werden, daß die neue Ordnung auch für diese Bedürfnisse sorgen wird.

Ein dritter Hauptpunkt wird die Schaffung einer allgemeinen Kirchen¬
kasse (eines kirchlichen Budget) in jeder Landeskirche sein müssen, durch welches
nicht nur für die genannten und andere sich herausstellenden Bedürfnisse hin¬
reichend gesorgt wird, sondern auch den einzelnen Geistlichen nach einer Classen¬
ordnung in steigender Progression Zulagen gegeben werden können, Das
hängt freilich zusammen mit der großen Frage, ob man es vorziehen solle,
die Geistlichen nach einer aufgestellten Classification der Stellen, immer auf
bessere Stellen zu versetzen, oder sie, wenn sonst die Verhältnisse die Versetzung
nicht durchaus wünschenswert!) machen, auf ihren Stellen zu belassen, und
nach den Dienstjahren, wie die anderen Beamten auch, mit besserem Einkommen
zu versehen. Wo nicht besondere Verhältnisse die Versetzung durchaus wün¬
schenswert!) machen, dürfte das Zweite ebenso im Interesse der Gemeinde als
des Geistlichen liegen.

Weiter können wir uns nicht damit einverstanden erklären, daß man so
große Bordseite für den geistlichen Stand, bezw. für das Verhältniß der Laien
zu dem geistlichen Stande und dem kirchlichen Leben überhaupt von der Auf¬
hebung der sog. Accidenzien als eines bestimmten Honorars (Taxe) für die
geistlichen Handlungen erwartet, indem man in ihnen einen Grund der Ab¬
neigung gegen die Theilnahme am kirchlichen Leben sieht. Einmal ist es
Psychologisch nicht wahr, daß eine Sache umsomehr an Werthschätzung ge¬
winnt, je weniger sie kostet, namentlich in den Augen der Ungebildeten, im


Grenzboten I. 1875. 32
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[0257] Zeitungsnachrichten in manchen Landeskirchen beabsichtigt wird (Dänemark? ze.). Wir wollen natürlich damit nicht sagen, daß man den Zehnten hätte beibehalten sollen, aber allein richtig wäre doch überall nur die Wiederanlage der Capitalien in Grund und Boden gewesen, also Vermehrung des Grundbesitzes der einzelnen Stellen, der nicht allein gleichen Schritt hält mit dem Werthe der Werthzeichen, sondern umgekehrt der Regulator des Werthes derselben ist. Einzelne Vor¬ kommnisse in einzelnen Gegenden, wo durch die Industrie, den höheren Ar¬ beitslohn, der Werth des Grundbesitzes sinkt, sind vorübergehend, während umgekehrt in einzelnen Gegenden (Zuckerrübenindustrie) die Erträgnisse des Grundbesitzes steigen. Die katholische Kirche ist darin von jeher klüger ge¬ wesen, als die evangelische. Ein zweiter Punkt ist die Ordnung der rechtzeitigen Pensionirung der Geistlichen, und die Fürsorge für ihren Unterhalt, wie dann für ihre Wittwen und Waisen- In einzelnen Landeskirchen sind diese Verhältnisse zum Theil aller¬ dings schon in der Reformationszeit von ebenso umsichtigen als frommen Fürsten (Braunschweig-Lüneburgische Lande) ins Auge gefaßt, und sogar Wittwenhäuser für die Wittwen der Geistlichen geschaffen worden (wenn nicht die Fälle, die der Verfasser im Auge hat, den Patronen verdankt werden), und darf wohl gehofft werden, daß die neue Ordnung auch für diese Bedürfnisse sorgen wird. Ein dritter Hauptpunkt wird die Schaffung einer allgemeinen Kirchen¬ kasse (eines kirchlichen Budget) in jeder Landeskirche sein müssen, durch welches nicht nur für die genannten und andere sich herausstellenden Bedürfnisse hin¬ reichend gesorgt wird, sondern auch den einzelnen Geistlichen nach einer Classen¬ ordnung in steigender Progression Zulagen gegeben werden können, Das hängt freilich zusammen mit der großen Frage, ob man es vorziehen solle, die Geistlichen nach einer aufgestellten Classification der Stellen, immer auf bessere Stellen zu versetzen, oder sie, wenn sonst die Verhältnisse die Versetzung nicht durchaus wünschenswert!) machen, auf ihren Stellen zu belassen, und nach den Dienstjahren, wie die anderen Beamten auch, mit besserem Einkommen zu versehen. Wo nicht besondere Verhältnisse die Versetzung durchaus wün¬ schenswert!) machen, dürfte das Zweite ebenso im Interesse der Gemeinde als des Geistlichen liegen. Weiter können wir uns nicht damit einverstanden erklären, daß man so große Bordseite für den geistlichen Stand, bezw. für das Verhältniß der Laien zu dem geistlichen Stande und dem kirchlichen Leben überhaupt von der Auf¬ hebung der sog. Accidenzien als eines bestimmten Honorars (Taxe) für die geistlichen Handlungen erwartet, indem man in ihnen einen Grund der Ab¬ neigung gegen die Theilnahme am kirchlichen Leben sieht. Einmal ist es Psychologisch nicht wahr, daß eine Sache umsomehr an Werthschätzung ge¬ winnt, je weniger sie kostet, namentlich in den Augen der Ungebildeten, im Grenzboten I. 1875. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/257>, abgerufen am 23.07.2024.