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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Stimmung, oder vielmehr Verwirrung der Begriffe über die kirchlichen In¬
teressen nicht an Stimmen gefehlt hat, welche sich bereits gegen jede Hülfe
vom Staate ausgesprochen haben. Noch viel größer ist aber natürlich die
moralische Verpflichtung des Staates. Ohne die religiös-sittliche Idee giebt
es überhaupt keine Idee des Rechts, wie sehr sich auch Philosophen, wie Ju¬
risten gegen diese einfache Wahrheit gesträubt und andere Grundlagen des
Rechts zu ersinnen und aufzustellen gesucht haben und noch suchen.") Darum
wird der Staat, da er an der Religion, als der Grundlage aller Ordnungen
des Lebens (so verschieden auch die Form sein und bleiben wird), das höchste
Interesse hat, nicht nur alle kirchlichen Ordnungen beaufsichtigen, sondern
schließlich doch allen Confessionen die nöthige Beihülfe geben müssen, wenn
er nicht den Boden aller Ordnungen des Lebens sich entziehen lassen will.
Es werden also allerdings die Gemeinden, aber auch der Staat zu besserer
Dotirung der geistlichen Stellen zusammen wirken müssen, -- wir sagen aber
ausdrücklich für alle Confessionen, deren Inhalt die Staatszwecke nicht gefährdet.

Es ist nun sicher zu erwarten, daß wenigstens die evangelische Kirche in
ihrer zu hoffenden neuen Ordnung durch die Synoden alles Mögliche thun
wird, die jetzige klägliche Lage des größten Theils der Geistlichen zu bessern,
und es kann nicht unsere Absicht sein, die nun zu ergreifenden Maßregeln
im Einzelnen zu erschöpfen.

Doch können wir uns nicht versagen, einige Punkte hervorzuheben, die
eben bis jetzt, wenigstens von vielen, nicht recht beurtheilt werden dürften,
uns aber von der größten Wichtigkeit scheinen.

Wie die Kirche schon von Anfang gethan hatte, hatte dann auch Karl
der Große die geistlichen Stellen mit Grundbesitz und Naturalien dotirt (man-
8us oeelesiastieus, Zehnten). Und darin lag und liegt sicher die höchste
Weisheit, und die allein richtige Sicherung des geistlichen Einkommens.
Denn der einzige wahre Regulator des Werthes aller Tauschmittel der mate¬
riellen Bedürfnisse, d. h. des Geldes, sind und bleiben die Naturalien, wäh¬
rend die Edelmetalle schon durch ihre Vermehrung, noch mehr durch ihr Sur¬
rogat, das Papiergeld, zumal so massenhafte Fabrikation des Papiergeldes
in unserer Zeit, immer mehr an Werth verlieren. Es war darum keine
Weisheit von Seite der Geistlichen und kirchlichen Behörden, das Einkommen
der Geistlichen in Geld zu verwandeln, wie das ja vielfach geschehen ist und nach



'1 Man vergleiche was ich über "die Idee des Rechts" von Jhering in seinem Werke
"Geist des römischen Rechts ze." bemerkt habe in der Abhandlung - "die Grundlagen des Rechts"
in meiner Schrift: "Die wichtigsten Fragen der Gegenwart in Staat und
Kirche". I. Die Diätcnftagc und das allgemeine gleiche Wahlrecht. II. Die Grundlagen
des Rechts (Idee des Rechts), Folgen des Materialismus u. s. w. -- Zur Würdigung des
wahren und falschen Liberalismus in Staat unb Kirche. Offenes Sendschreiben an den
deutsche" Reichstag von einem Theologen. Mona, C, I, Fr. Hammerich. 1874.

Stimmung, oder vielmehr Verwirrung der Begriffe über die kirchlichen In¬
teressen nicht an Stimmen gefehlt hat, welche sich bereits gegen jede Hülfe
vom Staate ausgesprochen haben. Noch viel größer ist aber natürlich die
moralische Verpflichtung des Staates. Ohne die religiös-sittliche Idee giebt
es überhaupt keine Idee des Rechts, wie sehr sich auch Philosophen, wie Ju¬
risten gegen diese einfache Wahrheit gesträubt und andere Grundlagen des
Rechts zu ersinnen und aufzustellen gesucht haben und noch suchen.") Darum
wird der Staat, da er an der Religion, als der Grundlage aller Ordnungen
des Lebens (so verschieden auch die Form sein und bleiben wird), das höchste
Interesse hat, nicht nur alle kirchlichen Ordnungen beaufsichtigen, sondern
schließlich doch allen Confessionen die nöthige Beihülfe geben müssen, wenn
er nicht den Boden aller Ordnungen des Lebens sich entziehen lassen will.
Es werden also allerdings die Gemeinden, aber auch der Staat zu besserer
Dotirung der geistlichen Stellen zusammen wirken müssen, — wir sagen aber
ausdrücklich für alle Confessionen, deren Inhalt die Staatszwecke nicht gefährdet.

Es ist nun sicher zu erwarten, daß wenigstens die evangelische Kirche in
ihrer zu hoffenden neuen Ordnung durch die Synoden alles Mögliche thun
wird, die jetzige klägliche Lage des größten Theils der Geistlichen zu bessern,
und es kann nicht unsere Absicht sein, die nun zu ergreifenden Maßregeln
im Einzelnen zu erschöpfen.

Doch können wir uns nicht versagen, einige Punkte hervorzuheben, die
eben bis jetzt, wenigstens von vielen, nicht recht beurtheilt werden dürften,
uns aber von der größten Wichtigkeit scheinen.

Wie die Kirche schon von Anfang gethan hatte, hatte dann auch Karl
der Große die geistlichen Stellen mit Grundbesitz und Naturalien dotirt (man-
8us oeelesiastieus, Zehnten). Und darin lag und liegt sicher die höchste
Weisheit, und die allein richtige Sicherung des geistlichen Einkommens.
Denn der einzige wahre Regulator des Werthes aller Tauschmittel der mate¬
riellen Bedürfnisse, d. h. des Geldes, sind und bleiben die Naturalien, wäh¬
rend die Edelmetalle schon durch ihre Vermehrung, noch mehr durch ihr Sur¬
rogat, das Papiergeld, zumal so massenhafte Fabrikation des Papiergeldes
in unserer Zeit, immer mehr an Werth verlieren. Es war darum keine
Weisheit von Seite der Geistlichen und kirchlichen Behörden, das Einkommen
der Geistlichen in Geld zu verwandeln, wie das ja vielfach geschehen ist und nach



'1 Man vergleiche was ich über „die Idee des Rechts" von Jhering in seinem Werke
„Geist des römischen Rechts ze." bemerkt habe in der Abhandlung - „die Grundlagen des Rechts"
in meiner Schrift: „Die wichtigsten Fragen der Gegenwart in Staat und
Kirche". I. Die Diätcnftagc und das allgemeine gleiche Wahlrecht. II. Die Grundlagen
des Rechts (Idee des Rechts), Folgen des Materialismus u. s. w. — Zur Würdigung des
wahren und falschen Liberalismus in Staat unb Kirche. Offenes Sendschreiben an den
deutsche» Reichstag von einem Theologen. Mona, C, I, Fr. Hammerich. 1874.
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[0256] Stimmung, oder vielmehr Verwirrung der Begriffe über die kirchlichen In¬ teressen nicht an Stimmen gefehlt hat, welche sich bereits gegen jede Hülfe vom Staate ausgesprochen haben. Noch viel größer ist aber natürlich die moralische Verpflichtung des Staates. Ohne die religiös-sittliche Idee giebt es überhaupt keine Idee des Rechts, wie sehr sich auch Philosophen, wie Ju¬ risten gegen diese einfache Wahrheit gesträubt und andere Grundlagen des Rechts zu ersinnen und aufzustellen gesucht haben und noch suchen.") Darum wird der Staat, da er an der Religion, als der Grundlage aller Ordnungen des Lebens (so verschieden auch die Form sein und bleiben wird), das höchste Interesse hat, nicht nur alle kirchlichen Ordnungen beaufsichtigen, sondern schließlich doch allen Confessionen die nöthige Beihülfe geben müssen, wenn er nicht den Boden aller Ordnungen des Lebens sich entziehen lassen will. Es werden also allerdings die Gemeinden, aber auch der Staat zu besserer Dotirung der geistlichen Stellen zusammen wirken müssen, — wir sagen aber ausdrücklich für alle Confessionen, deren Inhalt die Staatszwecke nicht gefährdet. Es ist nun sicher zu erwarten, daß wenigstens die evangelische Kirche in ihrer zu hoffenden neuen Ordnung durch die Synoden alles Mögliche thun wird, die jetzige klägliche Lage des größten Theils der Geistlichen zu bessern, und es kann nicht unsere Absicht sein, die nun zu ergreifenden Maßregeln im Einzelnen zu erschöpfen. Doch können wir uns nicht versagen, einige Punkte hervorzuheben, die eben bis jetzt, wenigstens von vielen, nicht recht beurtheilt werden dürften, uns aber von der größten Wichtigkeit scheinen. Wie die Kirche schon von Anfang gethan hatte, hatte dann auch Karl der Große die geistlichen Stellen mit Grundbesitz und Naturalien dotirt (man- 8us oeelesiastieus, Zehnten). Und darin lag und liegt sicher die höchste Weisheit, und die allein richtige Sicherung des geistlichen Einkommens. Denn der einzige wahre Regulator des Werthes aller Tauschmittel der mate¬ riellen Bedürfnisse, d. h. des Geldes, sind und bleiben die Naturalien, wäh¬ rend die Edelmetalle schon durch ihre Vermehrung, noch mehr durch ihr Sur¬ rogat, das Papiergeld, zumal so massenhafte Fabrikation des Papiergeldes in unserer Zeit, immer mehr an Werth verlieren. Es war darum keine Weisheit von Seite der Geistlichen und kirchlichen Behörden, das Einkommen der Geistlichen in Geld zu verwandeln, wie das ja vielfach geschehen ist und nach '1 Man vergleiche was ich über „die Idee des Rechts" von Jhering in seinem Werke „Geist des römischen Rechts ze." bemerkt habe in der Abhandlung - „die Grundlagen des Rechts" in meiner Schrift: „Die wichtigsten Fragen der Gegenwart in Staat und Kirche". I. Die Diätcnftagc und das allgemeine gleiche Wahlrecht. II. Die Grundlagen des Rechts (Idee des Rechts), Folgen des Materialismus u. s. w. — Zur Würdigung des wahren und falschen Liberalismus in Staat unb Kirche. Offenes Sendschreiben an den deutsche» Reichstag von einem Theologen. Mona, C, I, Fr. Hammerich. 1874.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/256>, abgerufen am 23.07.2024.