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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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die nie ausgetragenen Gegensätze der Theorie so stark herausfordert, die große
Majorität auf dem Wege einer durchaus würdigen Verhandlung zu vereinigen,
wohl gemerkt, was das beste ist, ohne den einheitlichen Grundgedanken des
Gesetzes durch Comvromisse, welche ein halbes Werk bedingen, abzuschwächen.
Wir haben ein ganzes Werk behalten, in demselben Grade wie die Bundes¬
regierungen es vorgelegt hatten und wie es durch seine innere Consequenz bei
der Mittheilung im ersten Entwurf die allgemeine Bewunderung fand.

Das Gesetz, welches wir nun haben, ist ein Gelegenheitsgesetz, aber nicht
im tadelhaften, sondern im lobenswerthen Sinne. Gelegenheitsgesetze sind
verwerflich, wenn sie besagen, daß der Gesetzgeber von einem oberflächlichen
Anlaß sich hinreißen ließ. Gelegenheitsgesetze sind andrerseits die besten Werke
der Gesetzgebungskunst, wenn sie bezeigen, daß der Gesetzgeber eine tiefliegende
concrete Situation sicher erfaßt hat und ihr mit den rechten Mitteln begegnet
ist. Ein solches Gesetz ist das neue Reichsgesetz über das Bankwesen. Aus
der Theorie allein, die man gleichwohl nicht hoch genug halten kann, ent¬
stehen doch niemals zweckmäßige Gesetze. Die Gesetzgebung muß immer den
gegebenen Faktor einer historischen Lage mit allen ihren concreten Bedingungen
neben den Axiomen der Theorie auf das Lebendigste berücksichtigen.

Was auch die Theorie an Streitgründen für und wider vorbringen mag,
wie weit die Banknoten das Metallgeld ergänzen oder sogar, daß sie bedingungs¬
weise es ganz ersetzen können, das deutsche Reich steht unter dem Gebot der
ganz concreten Aufgabe, sich die Goldwährung zu erhalten, die es durchführen
will und zu der es die Mittel angeschafft hat. Vor der zwingenden Klarheit
dieses Gebotes schwanden alle Gegensätze der Theorie und, was noch weit erfreu¬
licher ist, jeder erfolgreiche Widerspruch der entgegengesetzten Interessen.

An zwei Stellen des Gesetzes, wie erwähnt, kam der Kampf der ent¬
gegenstehenden Ansicht zu einem lebhafteren Ausbruch. Zuerst bei der Frage,
ob die Gesammtsumme der ungedeckten Noten, welche von der fünfvrocentigeu
Steuer ungetroffen umlaufen sollen, eine Summe, welche im Regierungsent¬
wurf auf 380 Millionen Mark normirt, von der Commission um S Millionen
erhöht war, um eine weit beträchtlichere Summe erhöht werden sollte. Alles,
was für diese Erhöhung geltend gemacht wurde, zu deren Befürwortern, so^'
fern sie lediglich der Neichsbank zu Gute kommen sollte, auch der geistreiche,
finanzerfahrene und patriotische Referent gehörte, Alles scheiterte an den uner¬
schütterlichen Argumenten vom Tische des Bundesrathes. Einen Theil dieser
Argumente trug der Bundeskommissar, Geh. Rath Michaelis vor, dessen
Name als ingeniösen Erfinders der ersten in den Grundzügen beibehaltenen
Vorlage mit diesem Gesetz in unvergeßlicher Verbindung bleibt, einen andern
Theil der Bundesbevollmächtigte, Finanzminister Camphausen. Michaelis
führte aus, daß die Nothwendigkeit, dem freien Umlauf ungedeckter Banknoten


die nie ausgetragenen Gegensätze der Theorie so stark herausfordert, die große
Majorität auf dem Wege einer durchaus würdigen Verhandlung zu vereinigen,
wohl gemerkt, was das beste ist, ohne den einheitlichen Grundgedanken des
Gesetzes durch Comvromisse, welche ein halbes Werk bedingen, abzuschwächen.
Wir haben ein ganzes Werk behalten, in demselben Grade wie die Bundes¬
regierungen es vorgelegt hatten und wie es durch seine innere Consequenz bei
der Mittheilung im ersten Entwurf die allgemeine Bewunderung fand.

Das Gesetz, welches wir nun haben, ist ein Gelegenheitsgesetz, aber nicht
im tadelhaften, sondern im lobenswerthen Sinne. Gelegenheitsgesetze sind
verwerflich, wenn sie besagen, daß der Gesetzgeber von einem oberflächlichen
Anlaß sich hinreißen ließ. Gelegenheitsgesetze sind andrerseits die besten Werke
der Gesetzgebungskunst, wenn sie bezeigen, daß der Gesetzgeber eine tiefliegende
concrete Situation sicher erfaßt hat und ihr mit den rechten Mitteln begegnet
ist. Ein solches Gesetz ist das neue Reichsgesetz über das Bankwesen. Aus
der Theorie allein, die man gleichwohl nicht hoch genug halten kann, ent¬
stehen doch niemals zweckmäßige Gesetze. Die Gesetzgebung muß immer den
gegebenen Faktor einer historischen Lage mit allen ihren concreten Bedingungen
neben den Axiomen der Theorie auf das Lebendigste berücksichtigen.

Was auch die Theorie an Streitgründen für und wider vorbringen mag,
wie weit die Banknoten das Metallgeld ergänzen oder sogar, daß sie bedingungs¬
weise es ganz ersetzen können, das deutsche Reich steht unter dem Gebot der
ganz concreten Aufgabe, sich die Goldwährung zu erhalten, die es durchführen
will und zu der es die Mittel angeschafft hat. Vor der zwingenden Klarheit
dieses Gebotes schwanden alle Gegensätze der Theorie und, was noch weit erfreu¬
licher ist, jeder erfolgreiche Widerspruch der entgegengesetzten Interessen.

An zwei Stellen des Gesetzes, wie erwähnt, kam der Kampf der ent¬
gegenstehenden Ansicht zu einem lebhafteren Ausbruch. Zuerst bei der Frage,
ob die Gesammtsumme der ungedeckten Noten, welche von der fünfvrocentigeu
Steuer ungetroffen umlaufen sollen, eine Summe, welche im Regierungsent¬
wurf auf 380 Millionen Mark normirt, von der Commission um S Millionen
erhöht war, um eine weit beträchtlichere Summe erhöht werden sollte. Alles,
was für diese Erhöhung geltend gemacht wurde, zu deren Befürwortern, so^'
fern sie lediglich der Neichsbank zu Gute kommen sollte, auch der geistreiche,
finanzerfahrene und patriotische Referent gehörte, Alles scheiterte an den uner¬
schütterlichen Argumenten vom Tische des Bundesrathes. Einen Theil dieser
Argumente trug der Bundeskommissar, Geh. Rath Michaelis vor, dessen
Name als ingeniösen Erfinders der ersten in den Grundzügen beibehaltenen
Vorlage mit diesem Gesetz in unvergeßlicher Verbindung bleibt, einen andern
Theil der Bundesbevollmächtigte, Finanzminister Camphausen. Michaelis
führte aus, daß die Nothwendigkeit, dem freien Umlauf ungedeckter Banknoten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/236>, abgerufen am 23.07.2024.