Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wird. Alles war vertreten im Reichslande, nur nicht die kleine Neichsmünze,
Gold - und Silber-Mark schon eher, da die französischen Gold- und Silber¬
stücke frühzeitig über die Börsen gewandert waren. Daneben alle möglichen
"wilden" und zahmen Thalerscheine und sonstigen Bankbillete, mit denen man
no1on8 voler" vorlieb nehmen mußte. Alles das hatte natürlich die größten
Unannehmlichkeiten im täglichen Handel und Wandel und häufige Klagen
von Hoch und Gering zur Folge. Hoffentlich wird es binnen Kurzem der
neuen Neichsmünze gelingen, alles fremde Geld über die Grenze zu jagen,
wohin es gehört.

Im Verein hiermit tauchten in jüngster Zeit vielfache Klagen über die
Härte und Unnachsichtigkeit der deutschen Steuer-Erecution auf. Man warf
den Executoren vor, daß sie es geradezu darauf abgesehen hätten, die Steuer¬
zahler zu prellen und zu veriren, um nur möglichst viele Strafgroschen in
die Taschen zu bekommen. Ein oberelsässisches Blatt, der "<Ä<-wour du
lltwt Min", hatte sogar die Kühnheit, diesen und ähnlichen übertriebenen
Klagen öffentlich Ausdruck zu verleihen und zwar in einer wenig glimpflichen
und für die deutsche Steuerbehörde geradezu beleidigenden Manier. Letztere
stellte Strafantrag gegen den Redacteur. Dieser, ein gewisser Wolflin,
deutschen Namens und französischen Gepräges, dem es nur darauf ankommt,
die Unzufriedenheit seiner Mitbürger, statt sie mit ihrem Schicksal zu ver¬
söhnen, periodisch zu steigern, wurde wegen Verbreitung wahrheitswidriger
Behauptungen und Beleidigung eines Steuerempfängers kürzlich vor dem
Colmarer Zuchtpolizeigericht zur Verantwortung und wohlverdienten Strafe
gezogen. Bei der Verhandlung, welche absichtlich genauer auf das Principielle
der Frage einging, als es der einfache Injurienprozeß verlangte, stellte es sich
nun auf das Evidenteste heraus, daß die jetzigen Executionsgebühren durch¬
schnittlich nur die Hälfte von dem betragen, was die säumigen Steuerpflich¬
tigen zur französischen Zeit zu zahlen hatten. Allerdings ist die deutsche Be¬
hörde coulanter und präziser mit der (Anforderung der fälligen Anträge
sowie im Säumungsfalle mit Einhaltung der Fristen für die Androhung und
event. Vollziehung der Pfändung, wobei dann regelmäßig dem Executor ca.
2 Fras. (früher 5 Fras.) zukommen. Insofern aber eine correcte Geschäfts-
führung in dieser Hinsicht selbst für die Steuerzahler angenehmer sein muß,
als der alte Schlendrian, wo es von dem Belieben gewisser Subalternen ab¬
hing, wen sie die Schärfe des Gesetzes fühlen lassen wollten, insofern also
Jedem mit gleichem Maße gemessen wird, ist ein wirklicher Grund zu Klagen
'n dieser Hinsicht nicht erkennbar.

In Straßburg ist seit dem Beginn der gelinden Witterung -- der
Winter scheint uns schon seit Anfang Januar für immer Ade gesagt und
seinem heitern Genossen, dem Frühling Platz gemacht zu haben - die Vaw


Grenzboten 1, le>"5.

wird. Alles war vertreten im Reichslande, nur nicht die kleine Neichsmünze,
Gold - und Silber-Mark schon eher, da die französischen Gold- und Silber¬
stücke frühzeitig über die Börsen gewandert waren. Daneben alle möglichen
„wilden" und zahmen Thalerscheine und sonstigen Bankbillete, mit denen man
no1on8 voler« vorlieb nehmen mußte. Alles das hatte natürlich die größten
Unannehmlichkeiten im täglichen Handel und Wandel und häufige Klagen
von Hoch und Gering zur Folge. Hoffentlich wird es binnen Kurzem der
neuen Neichsmünze gelingen, alles fremde Geld über die Grenze zu jagen,
wohin es gehört.

Im Verein hiermit tauchten in jüngster Zeit vielfache Klagen über die
Härte und Unnachsichtigkeit der deutschen Steuer-Erecution auf. Man warf
den Executoren vor, daß sie es geradezu darauf abgesehen hätten, die Steuer¬
zahler zu prellen und zu veriren, um nur möglichst viele Strafgroschen in
die Taschen zu bekommen. Ein oberelsässisches Blatt, der „<Ä<-wour du
lltwt Min", hatte sogar die Kühnheit, diesen und ähnlichen übertriebenen
Klagen öffentlich Ausdruck zu verleihen und zwar in einer wenig glimpflichen
und für die deutsche Steuerbehörde geradezu beleidigenden Manier. Letztere
stellte Strafantrag gegen den Redacteur. Dieser, ein gewisser Wolflin,
deutschen Namens und französischen Gepräges, dem es nur darauf ankommt,
die Unzufriedenheit seiner Mitbürger, statt sie mit ihrem Schicksal zu ver¬
söhnen, periodisch zu steigern, wurde wegen Verbreitung wahrheitswidriger
Behauptungen und Beleidigung eines Steuerempfängers kürzlich vor dem
Colmarer Zuchtpolizeigericht zur Verantwortung und wohlverdienten Strafe
gezogen. Bei der Verhandlung, welche absichtlich genauer auf das Principielle
der Frage einging, als es der einfache Injurienprozeß verlangte, stellte es sich
nun auf das Evidenteste heraus, daß die jetzigen Executionsgebühren durch¬
schnittlich nur die Hälfte von dem betragen, was die säumigen Steuerpflich¬
tigen zur französischen Zeit zu zahlen hatten. Allerdings ist die deutsche Be¬
hörde coulanter und präziser mit der (Anforderung der fälligen Anträge
sowie im Säumungsfalle mit Einhaltung der Fristen für die Androhung und
event. Vollziehung der Pfändung, wobei dann regelmäßig dem Executor ca.
2 Fras. (früher 5 Fras.) zukommen. Insofern aber eine correcte Geschäfts-
führung in dieser Hinsicht selbst für die Steuerzahler angenehmer sein muß,
als der alte Schlendrian, wo es von dem Belieben gewisser Subalternen ab¬
hing, wen sie die Schärfe des Gesetzes fühlen lassen wollten, insofern also
Jedem mit gleichem Maße gemessen wird, ist ein wirklicher Grund zu Klagen
'n dieser Hinsicht nicht erkennbar.

In Straßburg ist seit dem Beginn der gelinden Witterung — der
Winter scheint uns schon seit Anfang Januar für immer Ade gesagt und
seinem heitern Genossen, dem Frühling Platz gemacht zu haben - die Vaw


Grenzboten 1, le>"5.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132993"/>
          <p xml:id="ID_785" prev="#ID_784"> wird. Alles war vertreten im Reichslande, nur nicht die kleine Neichsmünze,<lb/>
Gold - und Silber-Mark schon eher, da die französischen Gold- und Silber¬<lb/>
stücke frühzeitig über die Börsen gewandert waren. Daneben alle möglichen<lb/>
&#x201E;wilden" und zahmen Thalerscheine und sonstigen Bankbillete, mit denen man<lb/>
no1on8 voler« vorlieb nehmen mußte. Alles das hatte natürlich die größten<lb/>
Unannehmlichkeiten im täglichen Handel und Wandel und häufige Klagen<lb/>
von Hoch und Gering zur Folge. Hoffentlich wird es binnen Kurzem der<lb/>
neuen Neichsmünze gelingen, alles fremde Geld über die Grenze zu jagen,<lb/>
wohin es gehört.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_786"> Im Verein hiermit tauchten in jüngster Zeit vielfache Klagen über die<lb/>
Härte und Unnachsichtigkeit der deutschen Steuer-Erecution auf. Man warf<lb/>
den Executoren vor, daß sie es geradezu darauf abgesehen hätten, die Steuer¬<lb/>
zahler zu prellen und zu veriren, um nur möglichst viele Strafgroschen in<lb/>
die Taschen zu bekommen. Ein oberelsässisches Blatt, der &#x201E;&lt;Ä&lt;-wour du<lb/>
lltwt Min", hatte sogar die Kühnheit, diesen und ähnlichen übertriebenen<lb/>
Klagen öffentlich Ausdruck zu verleihen und zwar in einer wenig glimpflichen<lb/>
und für die deutsche Steuerbehörde geradezu beleidigenden Manier. Letztere<lb/>
stellte Strafantrag gegen den Redacteur. Dieser, ein gewisser Wolflin,<lb/>
deutschen Namens und französischen Gepräges, dem es nur darauf ankommt,<lb/>
die Unzufriedenheit seiner Mitbürger, statt sie mit ihrem Schicksal zu ver¬<lb/>
söhnen, periodisch zu steigern, wurde wegen Verbreitung wahrheitswidriger<lb/>
Behauptungen und Beleidigung eines Steuerempfängers kürzlich vor dem<lb/>
Colmarer Zuchtpolizeigericht zur Verantwortung und wohlverdienten Strafe<lb/>
gezogen. Bei der Verhandlung, welche absichtlich genauer auf das Principielle<lb/>
der Frage einging, als es der einfache Injurienprozeß verlangte, stellte es sich<lb/>
nun auf das Evidenteste heraus, daß die jetzigen Executionsgebühren durch¬<lb/>
schnittlich nur die Hälfte von dem betragen, was die säumigen Steuerpflich¬<lb/>
tigen zur französischen Zeit zu zahlen hatten. Allerdings ist die deutsche Be¬<lb/>
hörde coulanter und präziser mit der (Anforderung der fälligen Anträge<lb/>
sowie im Säumungsfalle mit Einhaltung der Fristen für die Androhung und<lb/>
event. Vollziehung der Pfändung, wobei dann regelmäßig dem Executor ca.<lb/>
2 Fras. (früher 5 Fras.) zukommen. Insofern aber eine correcte Geschäfts-<lb/>
führung in dieser Hinsicht selbst für die Steuerzahler angenehmer sein muß,<lb/>
als der alte Schlendrian, wo es von dem Belieben gewisser Subalternen ab¬<lb/>
hing, wen sie die Schärfe des Gesetzes fühlen lassen wollten, insofern also<lb/>
Jedem mit gleichem Maße gemessen wird, ist ein wirklicher Grund zu Klagen<lb/>
'n dieser Hinsicht nicht erkennbar.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_787" next="#ID_788"> In Straßburg ist seit dem Beginn der gelinden Witterung &#x2014; der<lb/>
Winter scheint uns schon seit Anfang Januar für immer Ade gesagt und<lb/>
seinem heitern Genossen, dem Frühling Platz gemacht zu haben - die Vaw</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1, le&gt;"5.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0233] wird. Alles war vertreten im Reichslande, nur nicht die kleine Neichsmünze, Gold - und Silber-Mark schon eher, da die französischen Gold- und Silber¬ stücke frühzeitig über die Börsen gewandert waren. Daneben alle möglichen „wilden" und zahmen Thalerscheine und sonstigen Bankbillete, mit denen man no1on8 voler« vorlieb nehmen mußte. Alles das hatte natürlich die größten Unannehmlichkeiten im täglichen Handel und Wandel und häufige Klagen von Hoch und Gering zur Folge. Hoffentlich wird es binnen Kurzem der neuen Neichsmünze gelingen, alles fremde Geld über die Grenze zu jagen, wohin es gehört. Im Verein hiermit tauchten in jüngster Zeit vielfache Klagen über die Härte und Unnachsichtigkeit der deutschen Steuer-Erecution auf. Man warf den Executoren vor, daß sie es geradezu darauf abgesehen hätten, die Steuer¬ zahler zu prellen und zu veriren, um nur möglichst viele Strafgroschen in die Taschen zu bekommen. Ein oberelsässisches Blatt, der „<Ä<-wour du lltwt Min", hatte sogar die Kühnheit, diesen und ähnlichen übertriebenen Klagen öffentlich Ausdruck zu verleihen und zwar in einer wenig glimpflichen und für die deutsche Steuerbehörde geradezu beleidigenden Manier. Letztere stellte Strafantrag gegen den Redacteur. Dieser, ein gewisser Wolflin, deutschen Namens und französischen Gepräges, dem es nur darauf ankommt, die Unzufriedenheit seiner Mitbürger, statt sie mit ihrem Schicksal zu ver¬ söhnen, periodisch zu steigern, wurde wegen Verbreitung wahrheitswidriger Behauptungen und Beleidigung eines Steuerempfängers kürzlich vor dem Colmarer Zuchtpolizeigericht zur Verantwortung und wohlverdienten Strafe gezogen. Bei der Verhandlung, welche absichtlich genauer auf das Principielle der Frage einging, als es der einfache Injurienprozeß verlangte, stellte es sich nun auf das Evidenteste heraus, daß die jetzigen Executionsgebühren durch¬ schnittlich nur die Hälfte von dem betragen, was die säumigen Steuerpflich¬ tigen zur französischen Zeit zu zahlen hatten. Allerdings ist die deutsche Be¬ hörde coulanter und präziser mit der (Anforderung der fälligen Anträge sowie im Säumungsfalle mit Einhaltung der Fristen für die Androhung und event. Vollziehung der Pfändung, wobei dann regelmäßig dem Executor ca. 2 Fras. (früher 5 Fras.) zukommen. Insofern aber eine correcte Geschäfts- führung in dieser Hinsicht selbst für die Steuerzahler angenehmer sein muß, als der alte Schlendrian, wo es von dem Belieben gewisser Subalternen ab¬ hing, wen sie die Schärfe des Gesetzes fühlen lassen wollten, insofern also Jedem mit gleichem Maße gemessen wird, ist ein wirklicher Grund zu Klagen 'n dieser Hinsicht nicht erkennbar. In Straßburg ist seit dem Beginn der gelinden Witterung — der Winter scheint uns schon seit Anfang Januar für immer Ade gesagt und seinem heitern Genossen, dem Frühling Platz gemacht zu haben - die Vaw Grenzboten 1, le>"5.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/233
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/233>, abgerufen am 23.07.2024.