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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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regend, mit welch weitem Blick die Erbauer schon bei Beginn dieses Jahr¬
hunderts die Bedürfnisse des Welthandels auf so lange Zeit hinaus richtig
zu ermessen verstanden.

Die London Dock Gesellschaft hat ihre Haupt-Anlagen unmittelbar an
der Grenze der City, unterhalb des Towers gemacht und besitzt dort die Se.
Katherine-Docks und die London-Docks und dann noch gegenüber Greenwich
das sehr ausgedehnte 2 engl. Meilen lange neue Victoria-Dock. Die zu zweit
aufgeführten Hafen-Bassins bieten wohl das interessanteste und regste Ver-
kehrsbild dar. Auch sie haben Raum für 400 große Schiffe und da sie durch
ihre Lage begünstigt sind, so wird in ihnen auch der intensivste Verkehr betrieben.

Hier in den Docks sieht man Menschen aller Racen und Farben, hört
alle Sprachen der Welt, manch trautes heimathliches Wort; und die stolzen
Schiffe mit ihren schlanken Masten und ihren bunten Wimpeln erzählen von
den Herrlichkeiten der Welt aber auch von den Gefahren und Nöthen der
muthigen Seefahrer. Und von den Herrlichkeiten bringen kräftige, braune,
weiße, schwarze Arme aus dem Innern der Schiffe große Massen heraufge¬
schleppt, Massen von solchem Werth, daß man staunt, wie viel dem tückischen
Meere anvertraut wird.

Da liegen in den Kellern tausende von Tonnen Wein, wirklicher echter
Wein, und wieder in andern Kellern der beste Jamaica Nun in unerme߬
lichen Quantitäten, aber wenn auch hier die Waaren noch unverfälscht sind,
so sind doch auch schon alle diejenigen Vorkehrungen getroffen, Wein und
Nun und sonstige Spirituosen zu -- mischen, wie'die Führer es harmlos
nennen, und es dem Geschmacke der einzelnen Völkerschaften mundgerecht zu
machen, setzen sie. gewißermaßen zur Entschuldigung hinzu! Ja echt kommen
wohl die meisten Waaren hier an. ob sie aber auch wieder echt aus den
Lagerräumen herauskommen, das. ist eine andere Frage.

Hier in den London-Docks liegen etwa 40,000 Ballen Wolle, 6000 Fässer
mit Zucker von je 25 Zentner Gewicht und doch werden gerade die größten
Massen und vor allen Dingen die werthvollsten Waaren nicht in den Ge¬
bäuden unmittelbar neben den Hafenbassins, sondern in ausgedehnten Lager¬
häusern aufbewahrt, welche in der City von den betreffenden Gesellschaften
erbaut worden sind und die mit ihren vielen Hosen und getrennten Gebäuden
in sich eine ganze kleine Stadt und zwar nicht die ärmste, bilden.

In diesen Waarenhäusern, wie sie der Engländer kurzweg nennt, sind
die Waaren den Kaufliebhabern zugänglich, und hier haben auch die ver¬
schiedenen Großhändler derselben Waarengattung ihre mehr oder minder
eleganten Schausäle. Lesezimmer. Speisezimmer u. s. w. sich selbst eingerichtet,
unter welchen besonders die der Jndigvherren als die besteingerichteten zu
nennen sind.


regend, mit welch weitem Blick die Erbauer schon bei Beginn dieses Jahr¬
hunderts die Bedürfnisse des Welthandels auf so lange Zeit hinaus richtig
zu ermessen verstanden.

Die London Dock Gesellschaft hat ihre Haupt-Anlagen unmittelbar an
der Grenze der City, unterhalb des Towers gemacht und besitzt dort die Se.
Katherine-Docks und die London-Docks und dann noch gegenüber Greenwich
das sehr ausgedehnte 2 engl. Meilen lange neue Victoria-Dock. Die zu zweit
aufgeführten Hafen-Bassins bieten wohl das interessanteste und regste Ver-
kehrsbild dar. Auch sie haben Raum für 400 große Schiffe und da sie durch
ihre Lage begünstigt sind, so wird in ihnen auch der intensivste Verkehr betrieben.

Hier in den Docks sieht man Menschen aller Racen und Farben, hört
alle Sprachen der Welt, manch trautes heimathliches Wort; und die stolzen
Schiffe mit ihren schlanken Masten und ihren bunten Wimpeln erzählen von
den Herrlichkeiten der Welt aber auch von den Gefahren und Nöthen der
muthigen Seefahrer. Und von den Herrlichkeiten bringen kräftige, braune,
weiße, schwarze Arme aus dem Innern der Schiffe große Massen heraufge¬
schleppt, Massen von solchem Werth, daß man staunt, wie viel dem tückischen
Meere anvertraut wird.

Da liegen in den Kellern tausende von Tonnen Wein, wirklicher echter
Wein, und wieder in andern Kellern der beste Jamaica Nun in unerme߬
lichen Quantitäten, aber wenn auch hier die Waaren noch unverfälscht sind,
so sind doch auch schon alle diejenigen Vorkehrungen getroffen, Wein und
Nun und sonstige Spirituosen zu — mischen, wie'die Führer es harmlos
nennen, und es dem Geschmacke der einzelnen Völkerschaften mundgerecht zu
machen, setzen sie. gewißermaßen zur Entschuldigung hinzu! Ja echt kommen
wohl die meisten Waaren hier an. ob sie aber auch wieder echt aus den
Lagerräumen herauskommen, das. ist eine andere Frage.

Hier in den London-Docks liegen etwa 40,000 Ballen Wolle, 6000 Fässer
mit Zucker von je 25 Zentner Gewicht und doch werden gerade die größten
Massen und vor allen Dingen die werthvollsten Waaren nicht in den Ge¬
bäuden unmittelbar neben den Hafenbassins, sondern in ausgedehnten Lager¬
häusern aufbewahrt, welche in der City von den betreffenden Gesellschaften
erbaut worden sind und die mit ihren vielen Hosen und getrennten Gebäuden
in sich eine ganze kleine Stadt und zwar nicht die ärmste, bilden.

In diesen Waarenhäusern, wie sie der Engländer kurzweg nennt, sind
die Waaren den Kaufliebhabern zugänglich, und hier haben auch die ver¬
schiedenen Großhändler derselben Waarengattung ihre mehr oder minder
eleganten Schausäle. Lesezimmer. Speisezimmer u. s. w. sich selbst eingerichtet,
unter welchen besonders die der Jndigvherren als die besteingerichteten zu
nennen sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/224>, abgerufen am 23.07.2024.