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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Reiz für mich, und ich kann Dir nicht nennen mit welchen Gefühlen ich über
den Lago ti Garda schiffend, in Italien einging. Verona, die erste von
mir besuchte Stadt dieses paradiesischen Landes, bot mir so viel Neuheit dar,
daß ich gar nicht verdrießlich war, auf meinen Koffer, der dahin spedirt werden
sollte, bei 14. Tage lange warten zu müssen, doch meine Freude wurde ge¬
waltig gestört, als die Nachricht kam, daß er bei Trident durch Räuber aus¬
geleert worden war. Ich kehrte dorthin zurück, um mit Hülfe der Gerichte
das Verlorne wieder zu erhalten; allein alles war vergeblich, und ich fand
es für klüger, meine Reise weiter fortzusetzen, anstatt durch ungewisses Proces¬
siren, an Zeit und Geld meinen Verlust nur noch empfindlicher zu machen.
Hiermit nahm mein bischen äußerer Glanz sein Ende, denn von meinen
militärischen Ehrenzeichen war mir nichts als mein Säbel geblieben, den ich
selbst auf meinen Schultern durch Tyrol trug, und der in diesem Augenblick
noch meine Wehr und Waffe ist. Ich gieng über Venedig, Bologna, Firenze,
(Florenz) nach Rom nun um so geschwinder, denn meine Casse war nur
mäßig zu meiner Reise versehen, und meine ganze Equipage bestand beinahe
nur in dem, was ich auf dem Leib trug. Von Rom aus wandte ich mich
wegen meines Verlustes an die Königl. Bairische Gesandtschaft daselbst, und
auch an den Minister Montgelas nach München, habe aber nie eine Silbe
anders darüber gehört, als daß man die Räuber nicht hatte habhaft werden
können. Die Herrlichkeit'Roms lies mir meinen Verlust verschmerzen. Hier
begann ein ganz neues Leben für mich, und ich glaubte oft zu träumen,
denn ich fühlte mich zu unwürdig solcher himmlischer Genüsse. Sie folgten
sich in der Menge und Mannigfaltigkeit für Herz und Geist. Für ersteres
war der erhabene Cultus der päpstlichen Kirche, und dann der Genuß in der
Betrachtung der alten und neuen Herrlichkeit der Welt zu Rom. Ich habe
auch hier bald das Glück gehabt, mich an gute Menschen anschließen zu
können , unter denen einige meine engern Freunde geworden sind, und von
denen ich Dir als die vorzüglichern, meinen lieben Links und Stackelberg
nenne. Ersterer ist ein ganz naher Landsmann von uns, aus Carlstadt, und
der zweite aus der bekannten Familie des Barons Stackelberg in Esthland.
Beide als Männer von außergewöhnlicher Bildung des Herzens und des
Geistes, lichens- und schätzenswürdig, und ich namentlich, danke ihrer Freund¬
schaft unendlich viel Gutes für meinen Geist und mein Herze. Mein lieber
Stackelberg zeichnet sich noch durch ein vorzügliches musikalisches Talent aus,
das er im Clavier - Spielen ausgebildet hat. Wir lebten in Rom beinahe
ganz ungetrennt zusammen, denn auch unsere Wohnungen waren die größte
Zeit sich so nahe, daß wir uns aus ihnen sprechen konnten.

So verstrichen mir dort 18 Monate schneller, als mir je eine ähnliche
Periode meines Lebens dahin gegangen ist.


Reiz für mich, und ich kann Dir nicht nennen mit welchen Gefühlen ich über
den Lago ti Garda schiffend, in Italien einging. Verona, die erste von
mir besuchte Stadt dieses paradiesischen Landes, bot mir so viel Neuheit dar,
daß ich gar nicht verdrießlich war, auf meinen Koffer, der dahin spedirt werden
sollte, bei 14. Tage lange warten zu müssen, doch meine Freude wurde ge¬
waltig gestört, als die Nachricht kam, daß er bei Trident durch Räuber aus¬
geleert worden war. Ich kehrte dorthin zurück, um mit Hülfe der Gerichte
das Verlorne wieder zu erhalten; allein alles war vergeblich, und ich fand
es für klüger, meine Reise weiter fortzusetzen, anstatt durch ungewisses Proces¬
siren, an Zeit und Geld meinen Verlust nur noch empfindlicher zu machen.
Hiermit nahm mein bischen äußerer Glanz sein Ende, denn von meinen
militärischen Ehrenzeichen war mir nichts als mein Säbel geblieben, den ich
selbst auf meinen Schultern durch Tyrol trug, und der in diesem Augenblick
noch meine Wehr und Waffe ist. Ich gieng über Venedig, Bologna, Firenze,
(Florenz) nach Rom nun um so geschwinder, denn meine Casse war nur
mäßig zu meiner Reise versehen, und meine ganze Equipage bestand beinahe
nur in dem, was ich auf dem Leib trug. Von Rom aus wandte ich mich
wegen meines Verlustes an die Königl. Bairische Gesandtschaft daselbst, und
auch an den Minister Montgelas nach München, habe aber nie eine Silbe
anders darüber gehört, als daß man die Räuber nicht hatte habhaft werden
können. Die Herrlichkeit'Roms lies mir meinen Verlust verschmerzen. Hier
begann ein ganz neues Leben für mich, und ich glaubte oft zu träumen,
denn ich fühlte mich zu unwürdig solcher himmlischer Genüsse. Sie folgten
sich in der Menge und Mannigfaltigkeit für Herz und Geist. Für ersteres
war der erhabene Cultus der päpstlichen Kirche, und dann der Genuß in der
Betrachtung der alten und neuen Herrlichkeit der Welt zu Rom. Ich habe
auch hier bald das Glück gehabt, mich an gute Menschen anschließen zu
können , unter denen einige meine engern Freunde geworden sind, und von
denen ich Dir als die vorzüglichern, meinen lieben Links und Stackelberg
nenne. Ersterer ist ein ganz naher Landsmann von uns, aus Carlstadt, und
der zweite aus der bekannten Familie des Barons Stackelberg in Esthland.
Beide als Männer von außergewöhnlicher Bildung des Herzens und des
Geistes, lichens- und schätzenswürdig, und ich namentlich, danke ihrer Freund¬
schaft unendlich viel Gutes für meinen Geist und mein Herze. Mein lieber
Stackelberg zeichnet sich noch durch ein vorzügliches musikalisches Talent aus,
das er im Clavier - Spielen ausgebildet hat. Wir lebten in Rom beinahe
ganz ungetrennt zusammen, denn auch unsere Wohnungen waren die größte
Zeit sich so nahe, daß wir uns aus ihnen sprechen konnten.

So verstrichen mir dort 18 Monate schneller, als mir je eine ähnliche
Periode meines Lebens dahin gegangen ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/212>, abgerufen am 23.07.2024.