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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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sich theils im Gehölze am Eisenbahndamme, theils in der östlichen Wald-
Parzelle, theils in der dahintergelegenen Lichtung ein und es begann ein ver¬
zehrendes, blutiges Schützengefecht. Die preußischen Compagnien schmolzen
bald sichtlich zusammen; aber sie behaupteten sich.

Während dessen führten drei Bataillone der Avantgarde (Magdeburger
Füsiliere und lauenburgische Jäger) unter General v, Blumenthal ein selbst¬
ständiges Gefecht beim Pachthofe Chantrenne, am Nordrande des Bois des
Genivaux. Man richtete ihn, unfähig weiter vorzudringen, möglichst gut zur Ver¬
theidigung ein. Offensivstöße unterblieben vorläufig auf beiden Seiten, und der
Kampf gestaltete sich zu einem zähen, stehenden Feuergefechte. -- Um 2 Uhr
waren 6 Bataillone Fußvolk im Gefecht.

Die Lage der preußischen Artillerie auf dem Höhenrücken südlich des
Bois de la Cusse wurde inzwischen immer mißlicher; endlich wurde die Batterie
des linken Flügels, welche den größten Theil der Mannschaft und fast alle
ihre Pferde verloren hatte, und nahezu wehrlos war, plötzlich von starken
Schwärmen der französischen Division Grenier angefallen. Zwar gelang es
den verzweifelten Anstrengungen des verwundeten Batteriechefs noch zwei
Geschütze zurückzuführen, die anderen aber fielen in die Hand des Feindes,
welcher zwei derselben dauernd (d. h. bis zur Capitulcttion von Metz) be¬
hauptete. -- Um 2 Uhr nachmittags waren die Batterien der Corps-Artillerie
kaum noch kampffähig. In ihrer nächsten Nähe hatten sich feindliche
Infanteriemassen eingenistet; jeder Augenblick konnte eine Katastrophe herbei¬
führen wie die, welche die linke Flügelbatterie ereilt -- da kam, gerade in
dem Moment, als sich der Feind zu neuem Vorstöße anschickte, das Füsilier-
Bataillon des holsteinschen Infanterie-Regimentes heran; todesmuthig warf
sich Major von Goddenthow den Gegnern in die Flanke, und wenn auch er
mit 12 Offizieren und 400 Mann siel -- die Schleswig-holsteinsche Artillerie
war gerettet.

Neben diese, im Wesentlichen nach Südosten gewendete Gefechtsgruppe
des 9. Armee-Corps war inzwischen aber auch eine nach Nordosten gerichtete
Hauptgruppe getreten.

Seit längerer Zeit war nämlich auch die großherzoglich hessische (25.)
Division in den Kampf eingetreten. Die reitende Batterie stand östlich von
Verneville in Thätigkeit, und als nun General v. Manstein jenen Befehl
erhielt, welcher ihm ein gemeinschaftliches Vorgehen mit der Garde gegen den
rechten Flügel des Feindes vorschrieb, beschloß er, da es dazu zu spät war,
wenigstens so weit als möglich gegen Norden auszuholen, und ordnete des¬
halb die Versammlung der hessischen Division nördlich des Bois de la Cusse
an, um hier das Eingreifen des Garde-Corps abzuwarten. -- Ungefähr um
, 1 Uhr trat die Avantgarde-Batterie der Hessen und bald darauf ihre ge-


sich theils im Gehölze am Eisenbahndamme, theils in der östlichen Wald-
Parzelle, theils in der dahintergelegenen Lichtung ein und es begann ein ver¬
zehrendes, blutiges Schützengefecht. Die preußischen Compagnien schmolzen
bald sichtlich zusammen; aber sie behaupteten sich.

Während dessen führten drei Bataillone der Avantgarde (Magdeburger
Füsiliere und lauenburgische Jäger) unter General v, Blumenthal ein selbst¬
ständiges Gefecht beim Pachthofe Chantrenne, am Nordrande des Bois des
Genivaux. Man richtete ihn, unfähig weiter vorzudringen, möglichst gut zur Ver¬
theidigung ein. Offensivstöße unterblieben vorläufig auf beiden Seiten, und der
Kampf gestaltete sich zu einem zähen, stehenden Feuergefechte. — Um 2 Uhr
waren 6 Bataillone Fußvolk im Gefecht.

Die Lage der preußischen Artillerie auf dem Höhenrücken südlich des
Bois de la Cusse wurde inzwischen immer mißlicher; endlich wurde die Batterie
des linken Flügels, welche den größten Theil der Mannschaft und fast alle
ihre Pferde verloren hatte, und nahezu wehrlos war, plötzlich von starken
Schwärmen der französischen Division Grenier angefallen. Zwar gelang es
den verzweifelten Anstrengungen des verwundeten Batteriechefs noch zwei
Geschütze zurückzuführen, die anderen aber fielen in die Hand des Feindes,
welcher zwei derselben dauernd (d. h. bis zur Capitulcttion von Metz) be¬
hauptete. — Um 2 Uhr nachmittags waren die Batterien der Corps-Artillerie
kaum noch kampffähig. In ihrer nächsten Nähe hatten sich feindliche
Infanteriemassen eingenistet; jeder Augenblick konnte eine Katastrophe herbei¬
führen wie die, welche die linke Flügelbatterie ereilt — da kam, gerade in
dem Moment, als sich der Feind zu neuem Vorstöße anschickte, das Füsilier-
Bataillon des holsteinschen Infanterie-Regimentes heran; todesmuthig warf
sich Major von Goddenthow den Gegnern in die Flanke, und wenn auch er
mit 12 Offizieren und 400 Mann siel — die Schleswig-holsteinsche Artillerie
war gerettet.

Neben diese, im Wesentlichen nach Südosten gewendete Gefechtsgruppe
des 9. Armee-Corps war inzwischen aber auch eine nach Nordosten gerichtete
Hauptgruppe getreten.

Seit längerer Zeit war nämlich auch die großherzoglich hessische (25.)
Division in den Kampf eingetreten. Die reitende Batterie stand östlich von
Verneville in Thätigkeit, und als nun General v. Manstein jenen Befehl
erhielt, welcher ihm ein gemeinschaftliches Vorgehen mit der Garde gegen den
rechten Flügel des Feindes vorschrieb, beschloß er, da es dazu zu spät war,
wenigstens so weit als möglich gegen Norden auszuholen, und ordnete des¬
halb die Versammlung der hessischen Division nördlich des Bois de la Cusse
an, um hier das Eingreifen des Garde-Corps abzuwarten. — Ungefähr um
, 1 Uhr trat die Avantgarde-Batterie der Hessen und bald darauf ihre ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/21>, abgerufen am 25.08.2024.