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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Debatten Theil nähmen, ehre so große moralische Pression auf sie ausüben,
daß sie unbedingt zu willigen Werkzeugen in seiner Hand oder in der Hand
der zeitweiligen Majorität werden müßten, und bei der großen Machtbefugnis
welche dem Storthing an und für sich schon zu Gebote steht, würde er als
lÄoto fast alle politische Gewalt an sich reißen und die Königlichen Befugnisse
ganz in den Hintergrund drängen.

Die Regierung hat aber trotzdem dem Wunsche des Storthings nach¬
geben wollen und zu dem Ende einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, welcher
die Theilnahme der Staatsräthe an den Storthingsdebatten von gewissen
anderen Bedingungen abhängig macht, die als Gegengewicht gegen die da¬
durch vergrößerte Macht des Storthings dienen sollen. Es sind dies z. B.
Beschränkung der Sitzungszeit des Storthings, Firirung der Diäten der
Storthingsmänner, Sicherstellung der Pensionen der Staatsminister u. s. w.
Im Storthing aber geht man von der Ansicht aus, daß einmal diese Be¬
stimmungen nicht annehmbar seien, überhaupt aber Nichts mit der Haupt¬
frage zu thun hätten und deßhalb Specialgesetzen vorbehalten werden müßten.

In der regierungsfreundlichen Partei des Storthings, der sog. conser-
vativen Partei hat man in Anlaß dieser Fragen einen anderen Ausweg vor¬
geschlagen, nämlich den Storthing zu reformiren und aus ihm statt einer ')
zwei Kammern zu bilden. Es würde dadurch eine vollständige, dem Gebrauche
anderer Nationen entsprechende konstitutionelle Verfassung mit einem aus zwei
Häusern bestehenden Parlamente geschaffen werden und man glaubt darin den
besten Ausweg zu finden, um die Staatsrathsfrage auf eine beide Parteien
befriedigende Weise zu lösen.

Es würde sich also darum handeln, ob es auf Grund der Verhältnisse
des Norwegischen Volkes möglich sei, das Zweikammersystem einzuführen, oder
ob es möglich sei, den jetzigen Storthing in eine aus einem Ober- und einem
Unterhause bestehende Volksvertretung umzuwandeln.

Die Vertreter dieser Ansicht sind hervorragende Mitglieder der konserva¬
tiven Partei und sie haben ihre Meinung niedergelegt in dem während der
diesjährigen Session von dem dazu bestimmten Comite abgegebenen Bericht
über die Staatsrathsfrage. Der Bericht ist als sog. Minoritätsvotum unter¬
zeichnet von den Storthingsmännern Aschehong und Kyhn, und man darf
annehmen, daß die in ihm ausgesprochene Ansicht die Ansicht der Führer der
konservativen und regierungsfreundlichen Partei ist.

Unter allen Vorschlägen, welche gemacht sind, um als Gegengewicht gegen
die dem Storthing durch die Theilnahme der Staatsräthe an seinen Verhand¬
lungen zufallende Machtvergrößerung zu dienen, ist dies der einzige, der auf



") Die 2 Abtheilungen des Stovthing, deren eine der Ausschuß aus dem Plenum ist, be¬
gründet kein Zweikcimmersustem- S. w, u.

Debatten Theil nähmen, ehre so große moralische Pression auf sie ausüben,
daß sie unbedingt zu willigen Werkzeugen in seiner Hand oder in der Hand
der zeitweiligen Majorität werden müßten, und bei der großen Machtbefugnis
welche dem Storthing an und für sich schon zu Gebote steht, würde er als
lÄoto fast alle politische Gewalt an sich reißen und die Königlichen Befugnisse
ganz in den Hintergrund drängen.

Die Regierung hat aber trotzdem dem Wunsche des Storthings nach¬
geben wollen und zu dem Ende einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, welcher
die Theilnahme der Staatsräthe an den Storthingsdebatten von gewissen
anderen Bedingungen abhängig macht, die als Gegengewicht gegen die da¬
durch vergrößerte Macht des Storthings dienen sollen. Es sind dies z. B.
Beschränkung der Sitzungszeit des Storthings, Firirung der Diäten der
Storthingsmänner, Sicherstellung der Pensionen der Staatsminister u. s. w.
Im Storthing aber geht man von der Ansicht aus, daß einmal diese Be¬
stimmungen nicht annehmbar seien, überhaupt aber Nichts mit der Haupt¬
frage zu thun hätten und deßhalb Specialgesetzen vorbehalten werden müßten.

In der regierungsfreundlichen Partei des Storthings, der sog. conser-
vativen Partei hat man in Anlaß dieser Fragen einen anderen Ausweg vor¬
geschlagen, nämlich den Storthing zu reformiren und aus ihm statt einer ')
zwei Kammern zu bilden. Es würde dadurch eine vollständige, dem Gebrauche
anderer Nationen entsprechende konstitutionelle Verfassung mit einem aus zwei
Häusern bestehenden Parlamente geschaffen werden und man glaubt darin den
besten Ausweg zu finden, um die Staatsrathsfrage auf eine beide Parteien
befriedigende Weise zu lösen.

Es würde sich also darum handeln, ob es auf Grund der Verhältnisse
des Norwegischen Volkes möglich sei, das Zweikammersystem einzuführen, oder
ob es möglich sei, den jetzigen Storthing in eine aus einem Ober- und einem
Unterhause bestehende Volksvertretung umzuwandeln.

Die Vertreter dieser Ansicht sind hervorragende Mitglieder der konserva¬
tiven Partei und sie haben ihre Meinung niedergelegt in dem während der
diesjährigen Session von dem dazu bestimmten Comite abgegebenen Bericht
über die Staatsrathsfrage. Der Bericht ist als sog. Minoritätsvotum unter¬
zeichnet von den Storthingsmännern Aschehong und Kyhn, und man darf
annehmen, daß die in ihm ausgesprochene Ansicht die Ansicht der Führer der
konservativen und regierungsfreundlichen Partei ist.

Unter allen Vorschlägen, welche gemacht sind, um als Gegengewicht gegen
die dem Storthing durch die Theilnahme der Staatsräthe an seinen Verhand¬
lungen zufallende Machtvergrößerung zu dienen, ist dies der einzige, der auf



") Die 2 Abtheilungen des Stovthing, deren eine der Ausschuß aus dem Plenum ist, be¬
gründet kein Zweikcimmersustem- S. w, u.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/186>, abgerufen am 23.07.2024.