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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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richtet werden sollte, war die bildende Kunst auf dem Punkte der Unfähigkeit
angekommen, daß ein älterer Bogen abgetragen werden mußte, um mit seinen
Bildwerken diesen Neubau zu schmücken. Die antike Kunst ist daher unter
den Faktoren der antiken Cultur zuerst erlahmt, und hat den Kampf gegen
die neue Cultur eigentlich gar nicht aufgenommen. Gleichsam im Bewußtsein
ihrer Unfähigkeit steigt sie herab ins Dunkel der Erde, klingt aus in Sar¬
kophagen, in Gräbern, von denen, allerdings unter ihrem Einfluß, die neuere
sogenannte christliche Kunst ihren Ausgang nimmt. Allmählich verschwinden
auch die erhaltnen Werke der ältern klassischen Kunst der Griechen von
der Oberfläche: sie werden, wenn nicht zerstört, verschüttet oder versteckt, und
ruhen nun über 1000 Jahre im Dunkel der Erde. Erst als sich im 15. Jahr¬
hundert in Italien ein neuer Geist regt, als der mit dem Christenthum in
die Welt getretene, aber durch die Hierarchie und den Feudalismus des
Mittelalters begrabene Geist des Humanismus von neuem erwacht, kommen
auch diese Meisterwerke der Antike wieder zu Tage, noch rechtzeitig um auf
die neuentstehende Kunst, welche erst jetzt den Namen Kunst in vollem Maße
wieder verdient, Einfluß zu üben. Erst das Jahrhundert des Humanismus
gewährt der Welt das Schauspiel einer Wiedergeburt der Kunst; das Jahr¬
hundert des Humanismus giebt der Welt eine zweite, der ersten ebenbürtige
Richard Förster. classische Kunst.




Norwegen und das ZweiKmmnersyfiem.

Die Debatten der Norwegischen Volksvertretung, des Storthings, be¬
wegen sich gewöhnlich in einem sehr ruhigen Tempo und nur selten tauchen
in dem Kreise seiner Verhandlungen Fragen auf, welche über die Gränzen
des eignen Landes hinaus auch im übrigen Europa die Aufmerksamkeit des
Publikums zu fesseln vermögen. Eine solche Frage war während der letzten
Session die sogenannte Staatsrathsfrage und die Verhandlungen, welche über
diese Frage und die mit ihr in Verbindung stehenden Verhältnisse des Nor¬
wegischen Staatslebens geführt worden sind, haben hier im Lande eine so
außergewöhnliche Aufmerksamkeit erregt, daß sie auch im Auslande ein tiefer
gehendes Interesse finden dürften.

Was ist nun die sogenannte Staatsrathsfrage? Wer mit den Norwegi¬
schen Verhältnissen vertraut ist, wird leicht eine Antwort geben können, wer
aber, und bei den meisten deutschen Lesern fürchten wir dies voraussetzen zu


richtet werden sollte, war die bildende Kunst auf dem Punkte der Unfähigkeit
angekommen, daß ein älterer Bogen abgetragen werden mußte, um mit seinen
Bildwerken diesen Neubau zu schmücken. Die antike Kunst ist daher unter
den Faktoren der antiken Cultur zuerst erlahmt, und hat den Kampf gegen
die neue Cultur eigentlich gar nicht aufgenommen. Gleichsam im Bewußtsein
ihrer Unfähigkeit steigt sie herab ins Dunkel der Erde, klingt aus in Sar¬
kophagen, in Gräbern, von denen, allerdings unter ihrem Einfluß, die neuere
sogenannte christliche Kunst ihren Ausgang nimmt. Allmählich verschwinden
auch die erhaltnen Werke der ältern klassischen Kunst der Griechen von
der Oberfläche: sie werden, wenn nicht zerstört, verschüttet oder versteckt, und
ruhen nun über 1000 Jahre im Dunkel der Erde. Erst als sich im 15. Jahr¬
hundert in Italien ein neuer Geist regt, als der mit dem Christenthum in
die Welt getretene, aber durch die Hierarchie und den Feudalismus des
Mittelalters begrabene Geist des Humanismus von neuem erwacht, kommen
auch diese Meisterwerke der Antike wieder zu Tage, noch rechtzeitig um auf
die neuentstehende Kunst, welche erst jetzt den Namen Kunst in vollem Maße
wieder verdient, Einfluß zu üben. Erst das Jahrhundert des Humanismus
gewährt der Welt das Schauspiel einer Wiedergeburt der Kunst; das Jahr¬
hundert des Humanismus giebt der Welt eine zweite, der ersten ebenbürtige
Richard Förster. classische Kunst.




Norwegen und das ZweiKmmnersyfiem.

Die Debatten der Norwegischen Volksvertretung, des Storthings, be¬
wegen sich gewöhnlich in einem sehr ruhigen Tempo und nur selten tauchen
in dem Kreise seiner Verhandlungen Fragen auf, welche über die Gränzen
des eignen Landes hinaus auch im übrigen Europa die Aufmerksamkeit des
Publikums zu fesseln vermögen. Eine solche Frage war während der letzten
Session die sogenannte Staatsrathsfrage und die Verhandlungen, welche über
diese Frage und die mit ihr in Verbindung stehenden Verhältnisse des Nor¬
wegischen Staatslebens geführt worden sind, haben hier im Lande eine so
außergewöhnliche Aufmerksamkeit erregt, daß sie auch im Auslande ein tiefer
gehendes Interesse finden dürften.

Was ist nun die sogenannte Staatsrathsfrage? Wer mit den Norwegi¬
schen Verhältnissen vertraut ist, wird leicht eine Antwort geben können, wer
aber, und bei den meisten deutschen Lesern fürchten wir dies voraussetzen zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/184>, abgerufen am 03.07.2024.