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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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lettant. Er war aber auch bei aller Vorliebe für Griechenland, griechische
Kunst und Wissenschaft doch nur ein "Gricchlein",

und hat von Hellas Geist nur einen Hauch gespürt.

Wie hätte er sonst an Stelle des ewig jungen Homer einen Epigonen
wie Antimachos von Kolophon setzen, wie hätte er einen Platon ver¬
achten können.

Hadrian war aber auch ein Kind seiner Zeit, die selbst keine Ideale
mehr hatte, keine Begeisterung mehr in sich trug, also auch für eine Wieder¬
geburt der Kunst unfähig war.

Es war kein Leben mehr hinzuopfern in hochherzigen Kampfe um poli¬
tische Ideale. Die Republik hatte sich selbst längst den Tod gegeben; der
kluge Augustus war nur ihr Todtengräber gewesen.

Die Zeit brachte auch keine Genies mehr hervor: sie hat keinen Dichter,
keinen Philosophen, keinen Staatsmann, nur Hofphilosophen und
Sophisten, die Sumpfpflanze des Hellenismus, Schönredner, Improvisatoren,
Versemacher, Romanschreiber, Grammatiker, Moralisten, bigotte wunder¬
glaubige schwärmerische Sonderlinge, Heuchler und Spötter. Auch die weni¬
gen hervorragenden Geister ranken sich an Gestalten des klassischen Griechen-
thum empor: Lucian an Aristophanes und Sokrates, Arrian am Z'enophon.

Man mag noch so sehr ein Freunds des Hellenenthums sein und seine
Freude darin finden auch unsrer Zeit seine Tugenden, seine Thaten und seinen
Einfluß zu schildern : das Hellenenthum jener Zeit war unfähig geworden eine
neue Cultur aus sich hervorzubringen, einen Fortschritt in der Entwicklung
der Geschichte der Menschheit aus eigner Kraft anzubahnen: dies Hellenenthum
mit aller seiner Bildung mußte weichen der neuen Weltanschauung, welche
auftrat als Religion des Gemüths und des Friedens, mit humanisti¬
schen kosmopolitischen Ideen. Und so war Hadrian's Versuch einer
Regeneration^der alten Kunst, obwohl mit all dem Eifer derartiger Naturen
unternommen, ebenso aussichtslos wie der zwei Jahrhunderte später auf dem
Gebiet des Kultus mit noch viel größerer Hast, ja Ungestüm unternommene
Versuch Julian's.

Die Kunst unter Hadrian gleicht dem letzten Strahl, welchen die Sonne
auf die Erde sendet oder,^um mit Winckelmann zu reden, der Nahrung, welche
der Arzt dem Kranken verordnet, welche ihn nicht sterben läßt, aber ihm auch
keine Nahrung giebt. Schon unter seinem Nachfolger Antoninus Pius zeigt
sich das Erlahmen ihrer Kraft: sie wird steif und altfränkisch; unter Septi-
mius Severus stellt sich bereits ein bedenklicher Verfall auch der Technik heraus.
Im Anfang des 4. Jahrhunderts ist sie schon in dem Zustande greisen¬
hafter Schwäche. Als Eonstantin der Große über seinen heidnischen Gegner Ma-
xentius an der milvischen Brücke gesiegt hatte und ihm ein Triumphbogen er-


lettant. Er war aber auch bei aller Vorliebe für Griechenland, griechische
Kunst und Wissenschaft doch nur ein „Gricchlein",

und hat von Hellas Geist nur einen Hauch gespürt.

Wie hätte er sonst an Stelle des ewig jungen Homer einen Epigonen
wie Antimachos von Kolophon setzen, wie hätte er einen Platon ver¬
achten können.

Hadrian war aber auch ein Kind seiner Zeit, die selbst keine Ideale
mehr hatte, keine Begeisterung mehr in sich trug, also auch für eine Wieder¬
geburt der Kunst unfähig war.

Es war kein Leben mehr hinzuopfern in hochherzigen Kampfe um poli¬
tische Ideale. Die Republik hatte sich selbst längst den Tod gegeben; der
kluge Augustus war nur ihr Todtengräber gewesen.

Die Zeit brachte auch keine Genies mehr hervor: sie hat keinen Dichter,
keinen Philosophen, keinen Staatsmann, nur Hofphilosophen und
Sophisten, die Sumpfpflanze des Hellenismus, Schönredner, Improvisatoren,
Versemacher, Romanschreiber, Grammatiker, Moralisten, bigotte wunder¬
glaubige schwärmerische Sonderlinge, Heuchler und Spötter. Auch die weni¬
gen hervorragenden Geister ranken sich an Gestalten des klassischen Griechen-
thum empor: Lucian an Aristophanes und Sokrates, Arrian am Z'enophon.

Man mag noch so sehr ein Freunds des Hellenenthums sein und seine
Freude darin finden auch unsrer Zeit seine Tugenden, seine Thaten und seinen
Einfluß zu schildern : das Hellenenthum jener Zeit war unfähig geworden eine
neue Cultur aus sich hervorzubringen, einen Fortschritt in der Entwicklung
der Geschichte der Menschheit aus eigner Kraft anzubahnen: dies Hellenenthum
mit aller seiner Bildung mußte weichen der neuen Weltanschauung, welche
auftrat als Religion des Gemüths und des Friedens, mit humanisti¬
schen kosmopolitischen Ideen. Und so war Hadrian's Versuch einer
Regeneration^der alten Kunst, obwohl mit all dem Eifer derartiger Naturen
unternommen, ebenso aussichtslos wie der zwei Jahrhunderte später auf dem
Gebiet des Kultus mit noch viel größerer Hast, ja Ungestüm unternommene
Versuch Julian's.

Die Kunst unter Hadrian gleicht dem letzten Strahl, welchen die Sonne
auf die Erde sendet oder,^um mit Winckelmann zu reden, der Nahrung, welche
der Arzt dem Kranken verordnet, welche ihn nicht sterben läßt, aber ihm auch
keine Nahrung giebt. Schon unter seinem Nachfolger Antoninus Pius zeigt
sich das Erlahmen ihrer Kraft: sie wird steif und altfränkisch; unter Septi-
mius Severus stellt sich bereits ein bedenklicher Verfall auch der Technik heraus.
Im Anfang des 4. Jahrhunderts ist sie schon in dem Zustande greisen¬
hafter Schwäche. Als Eonstantin der Große über seinen heidnischen Gegner Ma-
xentius an der milvischen Brücke gesiegt hatte und ihm ein Triumphbogen er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/183>, abgerufen am 23.07.2024.