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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Grabe des Epaminondas. Am meisten aber erfuhr die kaiserliche Gunst unter
den Städten Griechenlands Athen.

Wenn diese Metropole der Schönheit und Weisheit, auch als sie längst
aufgehört hatte politischen Einfluß zu üben und sich nur darauf beschränkte,
die Strahlen der griechischen Kultur zu sammeln, das Schooßkind asiatischer
wie europäischer Fürsten geworden ist, eines Ptolemäos Philadelphos, Attalos I.
und II., Eumenes II., Antiochos IV. Epiphanes, so ist Hadrian unter diesen
nur der jüngste, nicht der letzte.

Waren diese nur "Athener-Freunde" gewesen, so wollte er ein zweiter
Gründer der Stadt, ein anderer Theseus werden, der Schöpfer eines Neu-
Athen, welches sich von Alt-Athen durch das noch jetzt erhaltene Thor,
abgrenzt, dessen eine Seite die Inschrift trägt:


"Dies ist des Hadrian und nicht des Theseus Stadt.",

während auf der andern, der Altstadt zugekehrten, Seite steht:


"Dies ist das Alkalden, von Theseus einst gebaut."

Der Mittelpunkt dieses Neu-Athen, welches an einer Stelle, in deren
Nähe eine der ältesten Ansiedelungen auf dem Boden von Attika stattgefun¬
den hatte, in der Niederung des Jlissosflusses, angelegt wurde, sollte der
Tempel des olympischen Zeus werden.

Dieser Tempel gleicht dem Kölner Dom wie in seinen Schicksalen, so in
seiner Größe. Begonnen fast Jahrhundert v. Chr. von Pisistratus hatte
der Bau nach Vertreibung seiner Söhne drei und ein halbes Jahrhundert ge¬
ruht bis auf Antiochos Epiphanes, welcher, bezeichnend für Roms Stellung
zur Baukunst, die Ausführung einem römischen Baumeister Cossutius über¬
tragen hatte. Aber auch er war vor der Vollendung gestorben. Nicht besser
war diese den vereinten Bemühungen mehrerer mit den Römern verbündeten
Fürsten zur Zeit des Augustus gelungen. Erst der Romantiker Hadrian
ruhte nicht eher, als bis er den Tempel einweihen konnte, den größten aller
griechischen Tempel nächst denen der Artemis zu Ephesos und des Apoll zu
Milet, auch in seinen Ruinen eines der großartigsten Bauwerke der alten
Welt. -- Das Haus, in welchem der olympische Gott in einem Bild von
Gold und Elfenbein thronte, umgab ein Wald von Säulen, Säulen von 60'
Höhe und 61/2' Dicke, in schönem Verhältniß sich verjüngend; vor den Säulen
standen die Bildsäulen der athenischen Töchterstädte, in einiger Entfernung
in großer Menge die Statuen Hadrian's, Weihgeschenke aller Städte, welche
er besucht und beschenkt hatte. -- Heut stehen nur noch 15 Säulen -- ver¬
muthlich zum Bau des Antiochos gehörig -- mit Resten des Architrav, zum
Theil dadurch entstellt, daß sich ein Heiliger im Mittelalter auf ihnen seine luf¬
tige Zelle gebauthat; aber auch so sind sie beredte Zeugen der einstigen Herr¬
lichkeit, und mit Freude ruht auf ihnen das Auge, auch wenn es sich an der


Grabe des Epaminondas. Am meisten aber erfuhr die kaiserliche Gunst unter
den Städten Griechenlands Athen.

Wenn diese Metropole der Schönheit und Weisheit, auch als sie längst
aufgehört hatte politischen Einfluß zu üben und sich nur darauf beschränkte,
die Strahlen der griechischen Kultur zu sammeln, das Schooßkind asiatischer
wie europäischer Fürsten geworden ist, eines Ptolemäos Philadelphos, Attalos I.
und II., Eumenes II., Antiochos IV. Epiphanes, so ist Hadrian unter diesen
nur der jüngste, nicht der letzte.

Waren diese nur „Athener-Freunde" gewesen, so wollte er ein zweiter
Gründer der Stadt, ein anderer Theseus werden, der Schöpfer eines Neu-
Athen, welches sich von Alt-Athen durch das noch jetzt erhaltene Thor,
abgrenzt, dessen eine Seite die Inschrift trägt:


„Dies ist des Hadrian und nicht des Theseus Stadt.",

während auf der andern, der Altstadt zugekehrten, Seite steht:


„Dies ist das Alkalden, von Theseus einst gebaut."

Der Mittelpunkt dieses Neu-Athen, welches an einer Stelle, in deren
Nähe eine der ältesten Ansiedelungen auf dem Boden von Attika stattgefun¬
den hatte, in der Niederung des Jlissosflusses, angelegt wurde, sollte der
Tempel des olympischen Zeus werden.

Dieser Tempel gleicht dem Kölner Dom wie in seinen Schicksalen, so in
seiner Größe. Begonnen fast Jahrhundert v. Chr. von Pisistratus hatte
der Bau nach Vertreibung seiner Söhne drei und ein halbes Jahrhundert ge¬
ruht bis auf Antiochos Epiphanes, welcher, bezeichnend für Roms Stellung
zur Baukunst, die Ausführung einem römischen Baumeister Cossutius über¬
tragen hatte. Aber auch er war vor der Vollendung gestorben. Nicht besser
war diese den vereinten Bemühungen mehrerer mit den Römern verbündeten
Fürsten zur Zeit des Augustus gelungen. Erst der Romantiker Hadrian
ruhte nicht eher, als bis er den Tempel einweihen konnte, den größten aller
griechischen Tempel nächst denen der Artemis zu Ephesos und des Apoll zu
Milet, auch in seinen Ruinen eines der großartigsten Bauwerke der alten
Welt. — Das Haus, in welchem der olympische Gott in einem Bild von
Gold und Elfenbein thronte, umgab ein Wald von Säulen, Säulen von 60'
Höhe und 61/2' Dicke, in schönem Verhältniß sich verjüngend; vor den Säulen
standen die Bildsäulen der athenischen Töchterstädte, in einiger Entfernung
in großer Menge die Statuen Hadrian's, Weihgeschenke aller Städte, welche
er besucht und beschenkt hatte. — Heut stehen nur noch 15 Säulen — ver¬
muthlich zum Bau des Antiochos gehörig — mit Resten des Architrav, zum
Theil dadurch entstellt, daß sich ein Heiliger im Mittelalter auf ihnen seine luf¬
tige Zelle gebauthat; aber auch so sind sie beredte Zeugen der einstigen Herr¬
lichkeit, und mit Freude ruht auf ihnen das Auge, auch wenn es sich an der


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[0172] Grabe des Epaminondas. Am meisten aber erfuhr die kaiserliche Gunst unter den Städten Griechenlands Athen. Wenn diese Metropole der Schönheit und Weisheit, auch als sie längst aufgehört hatte politischen Einfluß zu üben und sich nur darauf beschränkte, die Strahlen der griechischen Kultur zu sammeln, das Schooßkind asiatischer wie europäischer Fürsten geworden ist, eines Ptolemäos Philadelphos, Attalos I. und II., Eumenes II., Antiochos IV. Epiphanes, so ist Hadrian unter diesen nur der jüngste, nicht der letzte. Waren diese nur „Athener-Freunde" gewesen, so wollte er ein zweiter Gründer der Stadt, ein anderer Theseus werden, der Schöpfer eines Neu- Athen, welches sich von Alt-Athen durch das noch jetzt erhaltene Thor, abgrenzt, dessen eine Seite die Inschrift trägt: „Dies ist des Hadrian und nicht des Theseus Stadt.", während auf der andern, der Altstadt zugekehrten, Seite steht: „Dies ist das Alkalden, von Theseus einst gebaut." Der Mittelpunkt dieses Neu-Athen, welches an einer Stelle, in deren Nähe eine der ältesten Ansiedelungen auf dem Boden von Attika stattgefun¬ den hatte, in der Niederung des Jlissosflusses, angelegt wurde, sollte der Tempel des olympischen Zeus werden. Dieser Tempel gleicht dem Kölner Dom wie in seinen Schicksalen, so in seiner Größe. Begonnen fast Jahrhundert v. Chr. von Pisistratus hatte der Bau nach Vertreibung seiner Söhne drei und ein halbes Jahrhundert ge¬ ruht bis auf Antiochos Epiphanes, welcher, bezeichnend für Roms Stellung zur Baukunst, die Ausführung einem römischen Baumeister Cossutius über¬ tragen hatte. Aber auch er war vor der Vollendung gestorben. Nicht besser war diese den vereinten Bemühungen mehrerer mit den Römern verbündeten Fürsten zur Zeit des Augustus gelungen. Erst der Romantiker Hadrian ruhte nicht eher, als bis er den Tempel einweihen konnte, den größten aller griechischen Tempel nächst denen der Artemis zu Ephesos und des Apoll zu Milet, auch in seinen Ruinen eines der großartigsten Bauwerke der alten Welt. — Das Haus, in welchem der olympische Gott in einem Bild von Gold und Elfenbein thronte, umgab ein Wald von Säulen, Säulen von 60' Höhe und 61/2' Dicke, in schönem Verhältniß sich verjüngend; vor den Säulen standen die Bildsäulen der athenischen Töchterstädte, in einiger Entfernung in großer Menge die Statuen Hadrian's, Weihgeschenke aller Städte, welche er besucht und beschenkt hatte. — Heut stehen nur noch 15 Säulen — ver¬ muthlich zum Bau des Antiochos gehörig — mit Resten des Architrav, zum Theil dadurch entstellt, daß sich ein Heiliger im Mittelalter auf ihnen seine luf¬ tige Zelle gebauthat; aber auch so sind sie beredte Zeugen der einstigen Herr¬ lichkeit, und mit Freude ruht auf ihnen das Auge, auch wenn es sich an der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/172>, abgerufen am 23.07.2024.