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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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In der That hat er auf dieses einen Einfluß geübt wie wenige Fürsten;
der Name des Hadrian ist ebenso sehr, ja vielleicht noch mehr. Signatur der
ganzen Zeit als beispielsweise der Name der Mediceer, Franz' I,, Ludwig's XIV.
und Friedrich's des Großen. Verhältnißmäßig am geringsten ist dieser sein
Einfluß auf das religiöse Leben -- dieses ist überhaupt weit unabhängiger
vom Einfluß des Einzelnen als die Arbeiten des Denkens und der Phantasie,
-- bedeutender auf das wissenschaftliche, am bedeutendsten auf das
künstlerische Leben.

Die Gesellschaft des Kaisers bestand zum großen Theil aus Gelehrten;
seine Freunde waren Philosophen; der Historiker Sueton sein Geheimschreiber;
Plutarch war sein Lehrer; Herennicus Philo sein Biograph, der Dichter Meso-
medes und Phlegon, der Wundergeschichtenmann, waren seine Jreigelassnen.
Der Geschichtsschreiber Arrian und der Rhetor Frontv wurden von ihm mit den
höchsten Ehren überhäuft; die Sophisten Dionysius von Milet und Favvrinus
von Arles, das Prototyp des modernen französischen Schöngeistes, genossen
wenigstens zeitweise sein unbedingtes Vertrauen; der Sophist Polemon, "der
Stern des Jahrhunderts" gewann seine volle Gunst und mit ihr Millionen
für seine Vaterstadt Smyrna, Für die öffentlichen Lehrstühle suchte der
Kaiser die besten und frischesten Kräfte zu gewinnen, für Institute, Akademien,
Bibliotheken spendete er stets mit freigebigster Hand. Auch trat er selbst in
der poetischen Arena auf, noch dazu in zwei Sprachen, griechisch und latei¬
nisch, mit allen Arten von Dichtungen (Lobgedichten, Räthseln, Epigrammen,
Epen), schrieb selbst Essays, fachwissenschastliche Arbeiten und Memoiren.

Und obwohl wir nach den erhaltnen Resten seiner Muse den Verlust der
meisten Werke nicht allzusehr beklagen dürfen, so werden wir doch nicht irren,
wenn wir dem Kaiser zum mindesten einen mitbestimmenden Einfluß auf
die dem Alterthümlichen zugewandte Geschmacksrichtung der Litera¬
tur seiner Zeit zusprechen.

Viel eingreifender aber ist sein Einfluß auf die bildende Kunst seiner
Zeit geworden: Man kann ohne Uebertreibung sagen: die Kunst verdankt so
gut wie alle ihre Anregungen dem Kaiser; fast nirgends zeigt sich ein Ansatz
zu einer unabhängigen, selbständigen Entwickelung derselben. -- Wir sind
berechtigt von einer Hadrianischen Kunst zu reden. Hadrian hat mehr
gebaut als irgend ein Kaiser vor oder nach ihm, und mit den Werken der
Plastik, ^welche er errichtet hat, sind noch heut die meisten Museen Europas
gefüllt, selbst solche, welche an Antiken arm sind, wie das von Stockholm,
enthalten glänzende Proben dieser Hadrianischen Kunst.

Der Kaiser, welcher selbst der Tektonik, Bildhauerkunst und Malerei
oblag, hielt sich für den gebornen Beschützer aller Künste und scheute keine
Kosten und Anstrengungen dieselben zu einer nie da gewesenen Blüthe zu bringen,


In der That hat er auf dieses einen Einfluß geübt wie wenige Fürsten;
der Name des Hadrian ist ebenso sehr, ja vielleicht noch mehr. Signatur der
ganzen Zeit als beispielsweise der Name der Mediceer, Franz' I,, Ludwig's XIV.
und Friedrich's des Großen. Verhältnißmäßig am geringsten ist dieser sein
Einfluß auf das religiöse Leben — dieses ist überhaupt weit unabhängiger
vom Einfluß des Einzelnen als die Arbeiten des Denkens und der Phantasie,
— bedeutender auf das wissenschaftliche, am bedeutendsten auf das
künstlerische Leben.

Die Gesellschaft des Kaisers bestand zum großen Theil aus Gelehrten;
seine Freunde waren Philosophen; der Historiker Sueton sein Geheimschreiber;
Plutarch war sein Lehrer; Herennicus Philo sein Biograph, der Dichter Meso-
medes und Phlegon, der Wundergeschichtenmann, waren seine Jreigelassnen.
Der Geschichtsschreiber Arrian und der Rhetor Frontv wurden von ihm mit den
höchsten Ehren überhäuft; die Sophisten Dionysius von Milet und Favvrinus
von Arles, das Prototyp des modernen französischen Schöngeistes, genossen
wenigstens zeitweise sein unbedingtes Vertrauen; der Sophist Polemon, „der
Stern des Jahrhunderts" gewann seine volle Gunst und mit ihr Millionen
für seine Vaterstadt Smyrna, Für die öffentlichen Lehrstühle suchte der
Kaiser die besten und frischesten Kräfte zu gewinnen, für Institute, Akademien,
Bibliotheken spendete er stets mit freigebigster Hand. Auch trat er selbst in
der poetischen Arena auf, noch dazu in zwei Sprachen, griechisch und latei¬
nisch, mit allen Arten von Dichtungen (Lobgedichten, Räthseln, Epigrammen,
Epen), schrieb selbst Essays, fachwissenschastliche Arbeiten und Memoiren.

Und obwohl wir nach den erhaltnen Resten seiner Muse den Verlust der
meisten Werke nicht allzusehr beklagen dürfen, so werden wir doch nicht irren,
wenn wir dem Kaiser zum mindesten einen mitbestimmenden Einfluß auf
die dem Alterthümlichen zugewandte Geschmacksrichtung der Litera¬
tur seiner Zeit zusprechen.

Viel eingreifender aber ist sein Einfluß auf die bildende Kunst seiner
Zeit geworden: Man kann ohne Uebertreibung sagen: die Kunst verdankt so
gut wie alle ihre Anregungen dem Kaiser; fast nirgends zeigt sich ein Ansatz
zu einer unabhängigen, selbständigen Entwickelung derselben. — Wir sind
berechtigt von einer Hadrianischen Kunst zu reden. Hadrian hat mehr
gebaut als irgend ein Kaiser vor oder nach ihm, und mit den Werken der
Plastik, ^welche er errichtet hat, sind noch heut die meisten Museen Europas
gefüllt, selbst solche, welche an Antiken arm sind, wie das von Stockholm,
enthalten glänzende Proben dieser Hadrianischen Kunst.

Der Kaiser, welcher selbst der Tektonik, Bildhauerkunst und Malerei
oblag, hielt sich für den gebornen Beschützer aller Künste und scheute keine
Kosten und Anstrengungen dieselben zu einer nie da gewesenen Blüthe zu bringen,


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[0170] In der That hat er auf dieses einen Einfluß geübt wie wenige Fürsten; der Name des Hadrian ist ebenso sehr, ja vielleicht noch mehr. Signatur der ganzen Zeit als beispielsweise der Name der Mediceer, Franz' I,, Ludwig's XIV. und Friedrich's des Großen. Verhältnißmäßig am geringsten ist dieser sein Einfluß auf das religiöse Leben — dieses ist überhaupt weit unabhängiger vom Einfluß des Einzelnen als die Arbeiten des Denkens und der Phantasie, — bedeutender auf das wissenschaftliche, am bedeutendsten auf das künstlerische Leben. Die Gesellschaft des Kaisers bestand zum großen Theil aus Gelehrten; seine Freunde waren Philosophen; der Historiker Sueton sein Geheimschreiber; Plutarch war sein Lehrer; Herennicus Philo sein Biograph, der Dichter Meso- medes und Phlegon, der Wundergeschichtenmann, waren seine Jreigelassnen. Der Geschichtsschreiber Arrian und der Rhetor Frontv wurden von ihm mit den höchsten Ehren überhäuft; die Sophisten Dionysius von Milet und Favvrinus von Arles, das Prototyp des modernen französischen Schöngeistes, genossen wenigstens zeitweise sein unbedingtes Vertrauen; der Sophist Polemon, „der Stern des Jahrhunderts" gewann seine volle Gunst und mit ihr Millionen für seine Vaterstadt Smyrna, Für die öffentlichen Lehrstühle suchte der Kaiser die besten und frischesten Kräfte zu gewinnen, für Institute, Akademien, Bibliotheken spendete er stets mit freigebigster Hand. Auch trat er selbst in der poetischen Arena auf, noch dazu in zwei Sprachen, griechisch und latei¬ nisch, mit allen Arten von Dichtungen (Lobgedichten, Räthseln, Epigrammen, Epen), schrieb selbst Essays, fachwissenschastliche Arbeiten und Memoiren. Und obwohl wir nach den erhaltnen Resten seiner Muse den Verlust der meisten Werke nicht allzusehr beklagen dürfen, so werden wir doch nicht irren, wenn wir dem Kaiser zum mindesten einen mitbestimmenden Einfluß auf die dem Alterthümlichen zugewandte Geschmacksrichtung der Litera¬ tur seiner Zeit zusprechen. Viel eingreifender aber ist sein Einfluß auf die bildende Kunst seiner Zeit geworden: Man kann ohne Uebertreibung sagen: die Kunst verdankt so gut wie alle ihre Anregungen dem Kaiser; fast nirgends zeigt sich ein Ansatz zu einer unabhängigen, selbständigen Entwickelung derselben. — Wir sind berechtigt von einer Hadrianischen Kunst zu reden. Hadrian hat mehr gebaut als irgend ein Kaiser vor oder nach ihm, und mit den Werken der Plastik, ^welche er errichtet hat, sind noch heut die meisten Museen Europas gefüllt, selbst solche, welche an Antiken arm sind, wie das von Stockholm, enthalten glänzende Proben dieser Hadrianischen Kunst. Der Kaiser, welcher selbst der Tektonik, Bildhauerkunst und Malerei oblag, hielt sich für den gebornen Beschützer aller Künste und scheute keine Kosten und Anstrengungen dieselben zu einer nie da gewesenen Blüthe zu bringen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/170>, abgerufen am 23.07.2024.