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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Landsturm aufzubieten, wenn es sich darum handelt, den letzten Widerstand
im feindlichen Lande zu brechen, Wir vertrauen indeß auf das inde-r urna,
Älevt leges. Bei einem andern Punkt des Gesetzes sind die Veränderungs-
vorschläge erfreulicherweise abgeschlagen worden. Man wollte nämlich ver¬
bieten, die Mannschaften des Landsturmes selbst im Nothfall in die regel¬
mäßigen Abtheilungen des Heeres einzureihen; der Landsturm sollte nur in
eigenen Abtheilungen formirt werden dürfen. Der Reichstag hat indeß nur
beschlossen, daß dieser Modus die Regel sein soll, während in Fällen außer¬
ordentlichen Bedarfs die Landwehr aus den Landsturmpflichtigen ergänzt wer¬
den darf/ Somit ist der Hauptzweck des Gesetzes unangetastet geblieben, und
mit den untergeordneten Einzelheiten desselben brauchen wir uns nicht mehr
zu befassen.

Am 12. Januar berieth der Reichstag das Gesetz über die Beurkundung
des Personenstandes und die Eheschließung. Man weiß wie ein entsprechendes
Gesetz erst im vorigen Jahre für Preußen erlassen worden. Der alsbaldige
Erlaß eines Reichsgesetzes über denselben Gegenstand hat sich aber als unab¬
weisbares Bedürfniß herausgestellt. Theils ist die einheitliche Regelung des¬
selben ein wahrhaftes Bedürfniß des Nationallebens, theils wäre die Rege¬
lung für manche Landesvertretung bei dem Einfluß der ultramontanen Par¬
tei in derselben eine Unmöglichkeit gewesen. Die Einzelberathung des Gesetzes
folgte auf die erste Berathung am 14. Januar ohne Dazwischenkunft einer
Commission. Die Ultramontanen, nachdem sie bei der ersten Berathung die
Kompetenz des Reiches zum Erlaß eines solchen Gesetzes wenigstens im Bezug
auf Bayern zu bestreiten gesucht, machten bei der zweiten Berathung den
Versuch, die Einrichtung der Standesämter an die Concurrenz der Landes¬
vertretungen zu binden, anstatt an die alleinige Befugniß der Oberbehörden
in den Bundesstaaten, wie der Gesetzentwurf vorschrieb. Das ganze Gesetz
sollte auf diesem Wege durch eine Hinterthür lahm gelegt werden. Der Reichs¬
tag ging indeß nicht in diese Falle. -- Von dem betreffenden preußischen
Gesetz unterscheidet sich das jetzige Reichsgesetz durch die Aufnahme der Be¬
dingungen für die Eheschließung. Die betreffenden Bestimmungen haben im
Reichstag einige Verbesserungen erfahren. Zunächst dadurch, daß das Lebens¬
alter, an welches die Befugniß zur Eingehung der Ehe gebunden ist, die so¬
genannte Ehemündigkeit, bei Männern auf das 20. bei Frauen auf
das 16. Lebensjahr hinaufgesetzt worden ist, anstatt des 18. und 14.
Nicht minder ist es eine Verbesserung, daß die elterliche Einwilligung nach
dem Beschluß des Reichstags für Söhne nur bis zum 2S. anstatt bis zum
30. Lebensjahr erforderlich ist, wie der Gesetzentwurf vorgeschlagen hatte. Für
Töchter ist der Reichstag dem Vorschlag des Gesetzentwurfs beigetreten, die
Einwilligung bis zum 24. Lebensjahr zu erfordern. Unglücklicherweise hat aber


Landsturm aufzubieten, wenn es sich darum handelt, den letzten Widerstand
im feindlichen Lande zu brechen, Wir vertrauen indeß auf das inde-r urna,
Älevt leges. Bei einem andern Punkt des Gesetzes sind die Veränderungs-
vorschläge erfreulicherweise abgeschlagen worden. Man wollte nämlich ver¬
bieten, die Mannschaften des Landsturmes selbst im Nothfall in die regel¬
mäßigen Abtheilungen des Heeres einzureihen; der Landsturm sollte nur in
eigenen Abtheilungen formirt werden dürfen. Der Reichstag hat indeß nur
beschlossen, daß dieser Modus die Regel sein soll, während in Fällen außer¬
ordentlichen Bedarfs die Landwehr aus den Landsturmpflichtigen ergänzt wer¬
den darf/ Somit ist der Hauptzweck des Gesetzes unangetastet geblieben, und
mit den untergeordneten Einzelheiten desselben brauchen wir uns nicht mehr
zu befassen.

Am 12. Januar berieth der Reichstag das Gesetz über die Beurkundung
des Personenstandes und die Eheschließung. Man weiß wie ein entsprechendes
Gesetz erst im vorigen Jahre für Preußen erlassen worden. Der alsbaldige
Erlaß eines Reichsgesetzes über denselben Gegenstand hat sich aber als unab¬
weisbares Bedürfniß herausgestellt. Theils ist die einheitliche Regelung des¬
selben ein wahrhaftes Bedürfniß des Nationallebens, theils wäre die Rege¬
lung für manche Landesvertretung bei dem Einfluß der ultramontanen Par¬
tei in derselben eine Unmöglichkeit gewesen. Die Einzelberathung des Gesetzes
folgte auf die erste Berathung am 14. Januar ohne Dazwischenkunft einer
Commission. Die Ultramontanen, nachdem sie bei der ersten Berathung die
Kompetenz des Reiches zum Erlaß eines solchen Gesetzes wenigstens im Bezug
auf Bayern zu bestreiten gesucht, machten bei der zweiten Berathung den
Versuch, die Einrichtung der Standesämter an die Concurrenz der Landes¬
vertretungen zu binden, anstatt an die alleinige Befugniß der Oberbehörden
in den Bundesstaaten, wie der Gesetzentwurf vorschrieb. Das ganze Gesetz
sollte auf diesem Wege durch eine Hinterthür lahm gelegt werden. Der Reichs¬
tag ging indeß nicht in diese Falle. — Von dem betreffenden preußischen
Gesetz unterscheidet sich das jetzige Reichsgesetz durch die Aufnahme der Be¬
dingungen für die Eheschließung. Die betreffenden Bestimmungen haben im
Reichstag einige Verbesserungen erfahren. Zunächst dadurch, daß das Lebens¬
alter, an welches die Befugniß zur Eingehung der Ehe gebunden ist, die so¬
genannte Ehemündigkeit, bei Männern auf das 20. bei Frauen auf
das 16. Lebensjahr hinaufgesetzt worden ist, anstatt des 18. und 14.
Nicht minder ist es eine Verbesserung, daß die elterliche Einwilligung nach
dem Beschluß des Reichstags für Söhne nur bis zum 2S. anstatt bis zum
30. Lebensjahr erforderlich ist, wie der Gesetzentwurf vorgeschlagen hatte. Für
Töchter ist der Reichstag dem Vorschlag des Gesetzentwurfs beigetreten, die
Einwilligung bis zum 24. Lebensjahr zu erfordern. Unglücklicherweise hat aber


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[0164] Landsturm aufzubieten, wenn es sich darum handelt, den letzten Widerstand im feindlichen Lande zu brechen, Wir vertrauen indeß auf das inde-r urna, Älevt leges. Bei einem andern Punkt des Gesetzes sind die Veränderungs- vorschläge erfreulicherweise abgeschlagen worden. Man wollte nämlich ver¬ bieten, die Mannschaften des Landsturmes selbst im Nothfall in die regel¬ mäßigen Abtheilungen des Heeres einzureihen; der Landsturm sollte nur in eigenen Abtheilungen formirt werden dürfen. Der Reichstag hat indeß nur beschlossen, daß dieser Modus die Regel sein soll, während in Fällen außer¬ ordentlichen Bedarfs die Landwehr aus den Landsturmpflichtigen ergänzt wer¬ den darf/ Somit ist der Hauptzweck des Gesetzes unangetastet geblieben, und mit den untergeordneten Einzelheiten desselben brauchen wir uns nicht mehr zu befassen. Am 12. Januar berieth der Reichstag das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung. Man weiß wie ein entsprechendes Gesetz erst im vorigen Jahre für Preußen erlassen worden. Der alsbaldige Erlaß eines Reichsgesetzes über denselben Gegenstand hat sich aber als unab¬ weisbares Bedürfniß herausgestellt. Theils ist die einheitliche Regelung des¬ selben ein wahrhaftes Bedürfniß des Nationallebens, theils wäre die Rege¬ lung für manche Landesvertretung bei dem Einfluß der ultramontanen Par¬ tei in derselben eine Unmöglichkeit gewesen. Die Einzelberathung des Gesetzes folgte auf die erste Berathung am 14. Januar ohne Dazwischenkunft einer Commission. Die Ultramontanen, nachdem sie bei der ersten Berathung die Kompetenz des Reiches zum Erlaß eines solchen Gesetzes wenigstens im Bezug auf Bayern zu bestreiten gesucht, machten bei der zweiten Berathung den Versuch, die Einrichtung der Standesämter an die Concurrenz der Landes¬ vertretungen zu binden, anstatt an die alleinige Befugniß der Oberbehörden in den Bundesstaaten, wie der Gesetzentwurf vorschrieb. Das ganze Gesetz sollte auf diesem Wege durch eine Hinterthür lahm gelegt werden. Der Reichs¬ tag ging indeß nicht in diese Falle. — Von dem betreffenden preußischen Gesetz unterscheidet sich das jetzige Reichsgesetz durch die Aufnahme der Be¬ dingungen für die Eheschließung. Die betreffenden Bestimmungen haben im Reichstag einige Verbesserungen erfahren. Zunächst dadurch, daß das Lebens¬ alter, an welches die Befugniß zur Eingehung der Ehe gebunden ist, die so¬ genannte Ehemündigkeit, bei Männern auf das 20. bei Frauen auf das 16. Lebensjahr hinaufgesetzt worden ist, anstatt des 18. und 14. Nicht minder ist es eine Verbesserung, daß die elterliche Einwilligung nach dem Beschluß des Reichstags für Söhne nur bis zum 2S. anstatt bis zum 30. Lebensjahr erforderlich ist, wie der Gesetzentwurf vorgeschlagen hatte. Für Töchter ist der Reichstag dem Vorschlag des Gesetzentwurfs beigetreten, die Einwilligung bis zum 24. Lebensjahr zu erfordern. Unglücklicherweise hat aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/164>, abgerufen am 23.07.2024.