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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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setzten Stellen vorkommt, es müßte denn zur Strafe oder wegen Widerspenstig¬
keit, schlechten Betragens, Streit mit der Gemeinde ze. geschehen. Die meisten
dieser Herren Suceursal-Pfarrer Kleider vielmehr auf ihren idyllischen Land¬
sitzen bis zu ihrem seligen Ende. Der Streit über die vom Gesetze verlangte
definitive Besetzung dieser Stellen ist darum in erster Linie nur ein theore¬
tischer, aber immerhin so geartet, daß darob die ganze katholische Christen¬
heit in Empörung und Aufregung gesetzt werden und Religion und Kirche
dadurch in ihren Grundfesten erschüttert werden müssen! flie volo, sie luteo!
Rom P0S8UMUS, und damit Basta!

Fragen wir uns nun, welche Stellung das canonische Recht d. h.
die Bestimmungen des Loipus M'is Oanonici, des kirchlichen Gesetzbuches, auf
welches sich die Herren Geistlichen doch sonst als auf ihr Privilegium und
ihre feste Burg und Schutzwehr gern berufen, zu den nicht fest und lebens¬
länglich besetzten Benefizien einnimmt, so finden wir darin eine entschiedene
Abneigung gegen derartige Organisationen, ja ein directes Verbot derselben.
Seit dem 9. Jahrhundert wurden den Kapiteln und Klöstern, welchen ge¬
meiniglich die Seelsorge in den einzelnen Pfarreien zustand, noch andere
kleinere Parochien einverleibt, deren reiche Einkünfte ihnen natürlich will¬
kommen waren, deren Seelsorge sie aber von schlecht besoldeten, nach Wunsch
absetzbaren und darum meist nachlässigen und wenig fähigen Reetoren und
Vicarien ausüben ließen. Die Kirche sprach sich gegen einen derartigen Mi߬
brauch auf ihren Synoden, die Päpste in ihren Decretalen wiederholt äußerst
mißbilligend aus und bezeichneten die also commissarisch beschäftigten Pfarrer
(xiesb^ter! Mrodiiani, viearii et reewres oeele"ig.e) mit den schärfsten Aus¬
drücken als Miethlinge (saeerclotes mereenNÜ), Solddiener:c. Um diesem Un¬
wesen ein für allemal zu steuern, verordneten die Gesetze Papst Urban's II. und
seiner Nachfolger in <ü. d. o. 1l> c^u. 2; eax. IX. as capeU. monaed. (3. 37)
eÄp. 30 X. ve praedencl. (3. 5): "daß solche Richter nur mit Genehmigung
des Bischofs und regelmäßig auf Lebenszeit (perxetuo) angestellt
werden sollten." (Walter: Kirchenrecht 7. Aufl. §143.) Namentlich die deutschen
Provinzialshnoden eiferten gegen derartige nur temporäre Anstellungen von Geist¬
lichen auf das Energischste. So die Synode zu Mainz i. I. 1223 can. 12:
"Eine enorme (abnorme) Gewohnheit (enormis i. e. yuoä extra, vvrmum lit,
cluaeäam eovZuetuäo) hat sich in gewissen Theilen Deutschlands gegen die
canonischen Satzungen eingeschlichen, dadurch daß man an den Kirchen
"Miethpriester" auf Zeit anstellt. Das soll in Zukunft nicht mehr geschehen
-- und wir verbieten es unter allen Umständen. Sondern, wenn ein solcher
Stellvertreter (olearius) angestellt werden muß, so soll er auf Lebenszeit
(s>el'ix!wu?, definitiv) angestellt werden und zwar mit Zustimmung des Diö-
cesanbischofes und des Archidiacons jenes Ortes."


GmiMe" I. 1875. 20

setzten Stellen vorkommt, es müßte denn zur Strafe oder wegen Widerspenstig¬
keit, schlechten Betragens, Streit mit der Gemeinde ze. geschehen. Die meisten
dieser Herren Suceursal-Pfarrer Kleider vielmehr auf ihren idyllischen Land¬
sitzen bis zu ihrem seligen Ende. Der Streit über die vom Gesetze verlangte
definitive Besetzung dieser Stellen ist darum in erster Linie nur ein theore¬
tischer, aber immerhin so geartet, daß darob die ganze katholische Christen¬
heit in Empörung und Aufregung gesetzt werden und Religion und Kirche
dadurch in ihren Grundfesten erschüttert werden müssen! flie volo, sie luteo!
Rom P0S8UMUS, und damit Basta!

Fragen wir uns nun, welche Stellung das canonische Recht d. h.
die Bestimmungen des Loipus M'is Oanonici, des kirchlichen Gesetzbuches, auf
welches sich die Herren Geistlichen doch sonst als auf ihr Privilegium und
ihre feste Burg und Schutzwehr gern berufen, zu den nicht fest und lebens¬
länglich besetzten Benefizien einnimmt, so finden wir darin eine entschiedene
Abneigung gegen derartige Organisationen, ja ein directes Verbot derselben.
Seit dem 9. Jahrhundert wurden den Kapiteln und Klöstern, welchen ge¬
meiniglich die Seelsorge in den einzelnen Pfarreien zustand, noch andere
kleinere Parochien einverleibt, deren reiche Einkünfte ihnen natürlich will¬
kommen waren, deren Seelsorge sie aber von schlecht besoldeten, nach Wunsch
absetzbaren und darum meist nachlässigen und wenig fähigen Reetoren und
Vicarien ausüben ließen. Die Kirche sprach sich gegen einen derartigen Mi߬
brauch auf ihren Synoden, die Päpste in ihren Decretalen wiederholt äußerst
mißbilligend aus und bezeichneten die also commissarisch beschäftigten Pfarrer
(xiesb^ter! Mrodiiani, viearii et reewres oeele»ig.e) mit den schärfsten Aus¬
drücken als Miethlinge (saeerclotes mereenNÜ), Solddiener:c. Um diesem Un¬
wesen ein für allemal zu steuern, verordneten die Gesetze Papst Urban's II. und
seiner Nachfolger in <ü. d. o. 1l> c^u. 2; eax. IX. as capeU. monaed. (3. 37)
eÄp. 30 X. ve praedencl. (3. 5): „daß solche Richter nur mit Genehmigung
des Bischofs und regelmäßig auf Lebenszeit (perxetuo) angestellt
werden sollten." (Walter: Kirchenrecht 7. Aufl. §143.) Namentlich die deutschen
Provinzialshnoden eiferten gegen derartige nur temporäre Anstellungen von Geist¬
lichen auf das Energischste. So die Synode zu Mainz i. I. 1223 can. 12:
„Eine enorme (abnorme) Gewohnheit (enormis i. e. yuoä extra, vvrmum lit,
cluaeäam eovZuetuäo) hat sich in gewissen Theilen Deutschlands gegen die
canonischen Satzungen eingeschlichen, dadurch daß man an den Kirchen
„Miethpriester" auf Zeit anstellt. Das soll in Zukunft nicht mehr geschehen
— und wir verbieten es unter allen Umständen. Sondern, wenn ein solcher
Stellvertreter (olearius) angestellt werden muß, so soll er auf Lebenszeit
(s>el'ix!wu?, definitiv) angestellt werden und zwar mit Zustimmung des Diö-
cesanbischofes und des Archidiacons jenes Ortes."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/161>, abgerufen am 23.07.2024.