Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gesagt, darin, daß der erstere mit der Verleihung seines Beneficiums ein festes
und lebenslängliches Amt erhält, die letztern hingegen nicht fest angestellt sind,
sondern vom Bischöfe nach Belieben abgesetzt und verschickt werden können,
und daß sie außerdem ein geringeres Staatsgehalt beziehen. Dabei mag
beiläufig bemerkt werden, daß die sonstigen persönlichen Einkünfte dieser
Pfarrer aus den meist reich dotirter Kirchenfonds, -- mit Ausnahme einiger
Stellen an der Eifel, welche gewöhnlich als eine Art Strafort für etwas hart¬
köpfige und widerspenstige Geistliche angesehen werden, die sich aber rückstcht-
lich der örtlichen Annehmlichkeit noch immer mit manchen Pfarrstellen in der
Mark Brandenburg und in den korr"," missionis messen können -- derart
sind, daß sie sich gegenüber ihren festangestellten Amtsbrüdern in den Städten
und größern Ortschaften durchaus nicht zu beklagen haben. Ein Dorfpastor
am Rhein führt in der Regel ein so behäbiges und gemüthliches Leben, daß
die meisten derselben als das Prototyp eines wohlgenährten, feisten Pfäff-
leins gelten können und sie gewöhnlich in der Lage sind, sich zur Aushülfe
in ihren nicht allzu überhäuften Amtsgeschäften noch einen oder zwei Hülfs¬
geistliche in Gestalt eines jungen Vicars oder Rectors anzuschaffen. Und da¬
bei werden sie von den Bauern mit wenigen Ausnahmen fast allenthalben
auf den Händen getragen und spielen meist die erste Rangperson im Dorfe,
ihre Köchinnen und respectiven Schwestern im canonischen Alter die zweite.
Da ist kein Kindtauf- oder Hochzeitsschmauß, zu dem der Herr Pastor mit seiner
getreuen Penelope nichr eingeladen, kein privates oder communales Geschäft
von einiger Wichtigkeit, zu dem nicht vor Allem des Pfarrers Rath und
Meinung erholt wird. Und wehe demjenigen Dorf- und Gemeindegenossen,
der seinen Wünschen und Befehlen oder denen der "Madame" nicht an eoux
den schuldigen Gehorsam erweist oder gar ketzerischen altkatholischen Grund¬
sätzen huldigt; er wird bei jeder Gelegenheit mit Worten und Blicken gezüchtigt,
und, wenn nicht das kirchliche, so doch das gesellschaftliche Anathem über ihn
verhängt, ein traurig Loos, das gewöhnlich die armen und freisinnigen Dorf¬
schulmeister trifft, die dann natürlich allemal den Sündenbock in der Gemeinde
spielen müssen. Ihre Kirchen sind überall ein Schmuck der Gegend, ihre
Pfarrhäuser wahre Dorfpaläste, geräumig gebaut und comfortabel eingerichtet,
meist in Verbindung mit Oeconomie-Gebäuden und einem kleinen bäuerlichen
Anwesen nebst wohlgepflegtem Obst- und Ziergarten. Ja Einige von ihnen
verdienen unbedingt das Prädicat "reich", das ihnen auch von ihren Pfarrge¬
nossen beigelegt wird, wenn diese es sich gleich nicht nehmen lassen, hier und
da und namentlich am Wirthshaustische zu behaupten, daß "Pfaffgut --
Raffgut" sei.

In Frankreich kommen auf diese Weise im Ganzen nur 3424 Cure's
auf 30,044 Desservcmts; in der Erzdiözese Köln befinden sich unter 629 Pfar-


gesagt, darin, daß der erstere mit der Verleihung seines Beneficiums ein festes
und lebenslängliches Amt erhält, die letztern hingegen nicht fest angestellt sind,
sondern vom Bischöfe nach Belieben abgesetzt und verschickt werden können,
und daß sie außerdem ein geringeres Staatsgehalt beziehen. Dabei mag
beiläufig bemerkt werden, daß die sonstigen persönlichen Einkünfte dieser
Pfarrer aus den meist reich dotirter Kirchenfonds, — mit Ausnahme einiger
Stellen an der Eifel, welche gewöhnlich als eine Art Strafort für etwas hart¬
köpfige und widerspenstige Geistliche angesehen werden, die sich aber rückstcht-
lich der örtlichen Annehmlichkeit noch immer mit manchen Pfarrstellen in der
Mark Brandenburg und in den korr»,« missionis messen können — derart
sind, daß sie sich gegenüber ihren festangestellten Amtsbrüdern in den Städten
und größern Ortschaften durchaus nicht zu beklagen haben. Ein Dorfpastor
am Rhein führt in der Regel ein so behäbiges und gemüthliches Leben, daß
die meisten derselben als das Prototyp eines wohlgenährten, feisten Pfäff-
leins gelten können und sie gewöhnlich in der Lage sind, sich zur Aushülfe
in ihren nicht allzu überhäuften Amtsgeschäften noch einen oder zwei Hülfs¬
geistliche in Gestalt eines jungen Vicars oder Rectors anzuschaffen. Und da¬
bei werden sie von den Bauern mit wenigen Ausnahmen fast allenthalben
auf den Händen getragen und spielen meist die erste Rangperson im Dorfe,
ihre Köchinnen und respectiven Schwestern im canonischen Alter die zweite.
Da ist kein Kindtauf- oder Hochzeitsschmauß, zu dem der Herr Pastor mit seiner
getreuen Penelope nichr eingeladen, kein privates oder communales Geschäft
von einiger Wichtigkeit, zu dem nicht vor Allem des Pfarrers Rath und
Meinung erholt wird. Und wehe demjenigen Dorf- und Gemeindegenossen,
der seinen Wünschen und Befehlen oder denen der „Madame" nicht an eoux
den schuldigen Gehorsam erweist oder gar ketzerischen altkatholischen Grund¬
sätzen huldigt; er wird bei jeder Gelegenheit mit Worten und Blicken gezüchtigt,
und, wenn nicht das kirchliche, so doch das gesellschaftliche Anathem über ihn
verhängt, ein traurig Loos, das gewöhnlich die armen und freisinnigen Dorf¬
schulmeister trifft, die dann natürlich allemal den Sündenbock in der Gemeinde
spielen müssen. Ihre Kirchen sind überall ein Schmuck der Gegend, ihre
Pfarrhäuser wahre Dorfpaläste, geräumig gebaut und comfortabel eingerichtet,
meist in Verbindung mit Oeconomie-Gebäuden und einem kleinen bäuerlichen
Anwesen nebst wohlgepflegtem Obst- und Ziergarten. Ja Einige von ihnen
verdienen unbedingt das Prädicat „reich", das ihnen auch von ihren Pfarrge¬
nossen beigelegt wird, wenn diese es sich gleich nicht nehmen lassen, hier und
da und namentlich am Wirthshaustische zu behaupten, daß „Pfaffgut —
Raffgut" sei.

In Frankreich kommen auf diese Weise im Ganzen nur 3424 Cure's
auf 30,044 Desservcmts; in der Erzdiözese Köln befinden sich unter 629 Pfar-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132917"/>
          <p xml:id="ID_529" prev="#ID_528"> gesagt, darin, daß der erstere mit der Verleihung seines Beneficiums ein festes<lb/>
und lebenslängliches Amt erhält, die letztern hingegen nicht fest angestellt sind,<lb/>
sondern vom Bischöfe nach Belieben abgesetzt und verschickt werden können,<lb/>
und daß sie außerdem ein geringeres Staatsgehalt beziehen. Dabei mag<lb/>
beiläufig bemerkt werden, daß die sonstigen persönlichen Einkünfte dieser<lb/>
Pfarrer aus den meist reich dotirter Kirchenfonds, &#x2014; mit Ausnahme einiger<lb/>
Stellen an der Eifel, welche gewöhnlich als eine Art Strafort für etwas hart¬<lb/>
köpfige und widerspenstige Geistliche angesehen werden, die sich aber rückstcht-<lb/>
lich der örtlichen Annehmlichkeit noch immer mit manchen Pfarrstellen in der<lb/>
Mark Brandenburg und in den korr»,« missionis messen können &#x2014; derart<lb/>
sind, daß sie sich gegenüber ihren festangestellten Amtsbrüdern in den Städten<lb/>
und größern Ortschaften durchaus nicht zu beklagen haben. Ein Dorfpastor<lb/>
am Rhein führt in der Regel ein so behäbiges und gemüthliches Leben, daß<lb/>
die meisten derselben als das Prototyp eines wohlgenährten, feisten Pfäff-<lb/>
leins gelten können und sie gewöhnlich in der Lage sind, sich zur Aushülfe<lb/>
in ihren nicht allzu überhäuften Amtsgeschäften noch einen oder zwei Hülfs¬<lb/>
geistliche in Gestalt eines jungen Vicars oder Rectors anzuschaffen. Und da¬<lb/>
bei werden sie von den Bauern mit wenigen Ausnahmen fast allenthalben<lb/>
auf den Händen getragen und spielen meist die erste Rangperson im Dorfe,<lb/>
ihre Köchinnen und respectiven Schwestern im canonischen Alter die zweite.<lb/>
Da ist kein Kindtauf- oder Hochzeitsschmauß, zu dem der Herr Pastor mit seiner<lb/>
getreuen Penelope nichr eingeladen, kein privates oder communales Geschäft<lb/>
von einiger Wichtigkeit, zu dem nicht vor Allem des Pfarrers Rath und<lb/>
Meinung erholt wird. Und wehe demjenigen Dorf- und Gemeindegenossen,<lb/>
der seinen Wünschen und Befehlen oder denen der &#x201E;Madame" nicht an eoux<lb/>
den schuldigen Gehorsam erweist oder gar ketzerischen altkatholischen Grund¬<lb/>
sätzen huldigt; er wird bei jeder Gelegenheit mit Worten und Blicken gezüchtigt,<lb/>
und, wenn nicht das kirchliche, so doch das gesellschaftliche Anathem über ihn<lb/>
verhängt, ein traurig Loos, das gewöhnlich die armen und freisinnigen Dorf¬<lb/>
schulmeister trifft, die dann natürlich allemal den Sündenbock in der Gemeinde<lb/>
spielen müssen. Ihre Kirchen sind überall ein Schmuck der Gegend, ihre<lb/>
Pfarrhäuser wahre Dorfpaläste, geräumig gebaut und comfortabel eingerichtet,<lb/>
meist in Verbindung mit Oeconomie-Gebäuden und einem kleinen bäuerlichen<lb/>
Anwesen nebst wohlgepflegtem Obst- und Ziergarten. Ja Einige von ihnen<lb/>
verdienen unbedingt das Prädicat &#x201E;reich", das ihnen auch von ihren Pfarrge¬<lb/>
nossen beigelegt wird, wenn diese es sich gleich nicht nehmen lassen, hier und<lb/>
da und namentlich am Wirthshaustische zu behaupten, daß &#x201E;Pfaffgut &#x2014;<lb/>
Raffgut" sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_530" next="#ID_531"> In Frankreich kommen auf diese Weise im Ganzen nur 3424 Cure's<lb/>
auf 30,044 Desservcmts; in der Erzdiözese Köln befinden sich unter 629 Pfar-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0157] gesagt, darin, daß der erstere mit der Verleihung seines Beneficiums ein festes und lebenslängliches Amt erhält, die letztern hingegen nicht fest angestellt sind, sondern vom Bischöfe nach Belieben abgesetzt und verschickt werden können, und daß sie außerdem ein geringeres Staatsgehalt beziehen. Dabei mag beiläufig bemerkt werden, daß die sonstigen persönlichen Einkünfte dieser Pfarrer aus den meist reich dotirter Kirchenfonds, — mit Ausnahme einiger Stellen an der Eifel, welche gewöhnlich als eine Art Strafort für etwas hart¬ köpfige und widerspenstige Geistliche angesehen werden, die sich aber rückstcht- lich der örtlichen Annehmlichkeit noch immer mit manchen Pfarrstellen in der Mark Brandenburg und in den korr»,« missionis messen können — derart sind, daß sie sich gegenüber ihren festangestellten Amtsbrüdern in den Städten und größern Ortschaften durchaus nicht zu beklagen haben. Ein Dorfpastor am Rhein führt in der Regel ein so behäbiges und gemüthliches Leben, daß die meisten derselben als das Prototyp eines wohlgenährten, feisten Pfäff- leins gelten können und sie gewöhnlich in der Lage sind, sich zur Aushülfe in ihren nicht allzu überhäuften Amtsgeschäften noch einen oder zwei Hülfs¬ geistliche in Gestalt eines jungen Vicars oder Rectors anzuschaffen. Und da¬ bei werden sie von den Bauern mit wenigen Ausnahmen fast allenthalben auf den Händen getragen und spielen meist die erste Rangperson im Dorfe, ihre Köchinnen und respectiven Schwestern im canonischen Alter die zweite. Da ist kein Kindtauf- oder Hochzeitsschmauß, zu dem der Herr Pastor mit seiner getreuen Penelope nichr eingeladen, kein privates oder communales Geschäft von einiger Wichtigkeit, zu dem nicht vor Allem des Pfarrers Rath und Meinung erholt wird. Und wehe demjenigen Dorf- und Gemeindegenossen, der seinen Wünschen und Befehlen oder denen der „Madame" nicht an eoux den schuldigen Gehorsam erweist oder gar ketzerischen altkatholischen Grund¬ sätzen huldigt; er wird bei jeder Gelegenheit mit Worten und Blicken gezüchtigt, und, wenn nicht das kirchliche, so doch das gesellschaftliche Anathem über ihn verhängt, ein traurig Loos, das gewöhnlich die armen und freisinnigen Dorf¬ schulmeister trifft, die dann natürlich allemal den Sündenbock in der Gemeinde spielen müssen. Ihre Kirchen sind überall ein Schmuck der Gegend, ihre Pfarrhäuser wahre Dorfpaläste, geräumig gebaut und comfortabel eingerichtet, meist in Verbindung mit Oeconomie-Gebäuden und einem kleinen bäuerlichen Anwesen nebst wohlgepflegtem Obst- und Ziergarten. Ja Einige von ihnen verdienen unbedingt das Prädicat „reich", das ihnen auch von ihren Pfarrge¬ nossen beigelegt wird, wenn diese es sich gleich nicht nehmen lassen, hier und da und namentlich am Wirthshaustische zu behaupten, daß „Pfaffgut — Raffgut" sei. In Frankreich kommen auf diese Weise im Ganzen nur 3424 Cure's auf 30,044 Desservcmts; in der Erzdiözese Köln befinden sich unter 629 Pfar-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/157
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/157>, abgerufen am 23.07.2024.