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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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weiter zu ersinnen weiß, als die Vertröstung auf Hinwegfall der Matrikular--
betträge und die alsdann zu verhoffenden Verwilligungen, wenn er bekennt,
daß das seinen einzigen Hoffnungsblick in die Zukunft hinein ausmacht, dann
bleibt demjenigen, der von der Nothlage der Universität geredet hat, nur
übrig, für die künftige Unterstützung herzlichen Dank abzustatten.

Auf etwaige weitere Entgegnungen werde ich nur antworten, wenn sie
durch den Namen des Verfassers gedeckt sind.


W. Endemann.
D. Red.

Damit erklären wir die Acten für geschlossen.




Ariefe aus der Kaiserstadt.

Man hat Mühe, sein Berlin wiederzuerkennen, wenn man dermalen aus
der Sommerfrische zurückkehrt. Die Leipzigerstraße gleich am Anfang gesperrt,
von baumhohem Erdwall bedeckt -- was soll das bedeuten? fragt sich sinnend
der vom Potsdamer Bahnhof kommende Wanderer, bis er inne wird, daß
mit der Canalisation nun wirklich Ernst gemacht wird, "Wäre sie nur erst
vollendet!" hat sicherlich Mancher in den letzten Wochen geseufzt; denn die
verspätete Hundstagshitze dieser Zeit hatte unseren skandalösen Rinnsteinen
nochmals alle Wohlgerüche Arabiens entlockt. Gar mancher der Heim¬
kehrenden hätte wohl am liebsten sofort wieder Kehrt gemacht. Aber wer
nichts versäumen will, muß es doch über sich gewinnen und da bleiben. Ist
ja doch die "Saison" bereits in vollem Zuge! Schon am 6. September hat
sie begonnen; denn an diesem Tage wurde die Kunstausstellung der Kgl.
Akademie der Künste eröffnet. Sie ist noch Heute das Ereigniß des Tages
und wird es bis zum 1. November bleiben. Kommen wir also später auf
sie zurück; nach erst einmaligem Besuch geht Einem die reiche Fülle des Ge¬
sehenen nur wie ein Mühlrad im Kopf herum. Für heute ein Blick in die
hauptstädtische Theaterwelt!

Erfreulicherweise ist diesmal vom Kgl. Schauspielhause eine respectable
That zu verzeichnen, die Aufführung von Hebbel's "Herodes und Marianne".
Es gehört einiger Muth dazu, diese in des Wortes vollster Bedeutung ent¬
setzliche Tragödie auf die Bretter zu bringen. Kaum ist ein Drama denkbar,
welches an die Ausdauer der Spieler wie der Zuschauer größere Anforderungen
stellte, als dieses. Vom ersten Augenblicke an liegt der tragische Conflict
zwischen den beiden Gatten in seiner ganzen UnVersöhnlichkeit vor uns; vom
ersten Augenblicke an drückt uns die traurige Gewißheit: da ist kein Ausweg


Grenzboten IV. 1814, 10

weiter zu ersinnen weiß, als die Vertröstung auf Hinwegfall der Matrikular--
betträge und die alsdann zu verhoffenden Verwilligungen, wenn er bekennt,
daß das seinen einzigen Hoffnungsblick in die Zukunft hinein ausmacht, dann
bleibt demjenigen, der von der Nothlage der Universität geredet hat, nur
übrig, für die künftige Unterstützung herzlichen Dank abzustatten.

Auf etwaige weitere Entgegnungen werde ich nur antworten, wenn sie
durch den Namen des Verfassers gedeckt sind.


W. Endemann.
D. Red.

Damit erklären wir die Acten für geschlossen.




Ariefe aus der Kaiserstadt.

Man hat Mühe, sein Berlin wiederzuerkennen, wenn man dermalen aus
der Sommerfrische zurückkehrt. Die Leipzigerstraße gleich am Anfang gesperrt,
von baumhohem Erdwall bedeckt — was soll das bedeuten? fragt sich sinnend
der vom Potsdamer Bahnhof kommende Wanderer, bis er inne wird, daß
mit der Canalisation nun wirklich Ernst gemacht wird, „Wäre sie nur erst
vollendet!" hat sicherlich Mancher in den letzten Wochen geseufzt; denn die
verspätete Hundstagshitze dieser Zeit hatte unseren skandalösen Rinnsteinen
nochmals alle Wohlgerüche Arabiens entlockt. Gar mancher der Heim¬
kehrenden hätte wohl am liebsten sofort wieder Kehrt gemacht. Aber wer
nichts versäumen will, muß es doch über sich gewinnen und da bleiben. Ist
ja doch die „Saison" bereits in vollem Zuge! Schon am 6. September hat
sie begonnen; denn an diesem Tage wurde die Kunstausstellung der Kgl.
Akademie der Künste eröffnet. Sie ist noch Heute das Ereigniß des Tages
und wird es bis zum 1. November bleiben. Kommen wir also später auf
sie zurück; nach erst einmaligem Besuch geht Einem die reiche Fülle des Ge¬
sehenen nur wie ein Mühlrad im Kopf herum. Für heute ein Blick in die
hauptstädtische Theaterwelt!

Erfreulicherweise ist diesmal vom Kgl. Schauspielhause eine respectable
That zu verzeichnen, die Aufführung von Hebbel's „Herodes und Marianne".
Es gehört einiger Muth dazu, diese in des Wortes vollster Bedeutung ent¬
setzliche Tragödie auf die Bretter zu bringen. Kaum ist ein Drama denkbar,
welches an die Ausdauer der Spieler wie der Zuschauer größere Anforderungen
stellte, als dieses. Vom ersten Augenblicke an liegt der tragische Conflict
zwischen den beiden Gatten in seiner ganzen UnVersöhnlichkeit vor uns; vom
ersten Augenblicke an drückt uns die traurige Gewißheit: da ist kein Ausweg


Grenzboten IV. 1814, 10
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/77>, abgerufen am 28.12.2024.