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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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eigenthümlicher Weise, daß der gemeine Mann, welcher die "zwanzig Jahre
der Wohlfahrt unter dem Kaiserreich" noch nicht vergessen hat, vielfach nur
die erstere herauslesen und beherzigen wird. Das Blatt Gambetta's, die
"ü-epubl. krantz." verbirgt denn auch ihren Aerger über diese Schrift in einem
kurzen Artikel voll erzwungener Heiterkeit. "All diese schönen Dinge", sagt
sie (nämlich die vier "Thesen" des Herrn Dugue) "sind in jener Broschüre
den Wählern auseinandergesetzt. Natürlich beweist der Verfasser dieser
Sensationsschrift, daß die Opposition alles verschuldet, daß sie dem Staats¬
oberhaupt die Hände gebunden, die Arsenale geleert, unsere Festungen und
Armeen übergeben hat! Diese These ist zur Genüge bekannt. Sie hat nichts
gegen sich, als die bekanntesten Thatsachen, die officiellen Schriftstücke, die
Meinung von ganz Europa und die Ueberzeugung aller vernünftigen Menschen!
Trotzdem kann derjenige, welcher Lust hat, 25.000 Fr. zum Besten der Armen
zu gewinnen, sich das Vergnügen machen, sie zum hundertsten und tausendsten
Mal zu widerlegen. Nur sagt Herr de la Fauconnerie nicht, wer der Richter
über die Wette sein soll, und darauf kommt es doch an. Es erübrigt ihm
noch zu sagen, wie und von wem die Jury gebildet werden soll. Es gäbe
das Stoff zu einem zweiten Plakat. Aber wie dem auch sei, die Bonapartisten
sind auf dem Platz, und machen derartige Demonstrationen, ohne zu ge¬
wahren, daß sie eine nicht nur komische, sondern jede Partei discreditirende
Rolle spielen. Oder meinen sie, daß ihre Partei diese Gefahr nicht mehr zu
fürchten hat?"

Diese Erwiderung des republikanischen Blattes trifft augenscheinlich nur
eine schwache Seite der bonapartistischen Broschüre, die politische Reclame
nämlich, die sich darin breit macht. Aber werden nicht gerade diese
25,000 Franks dem großen Haufen auf dem flachen Land imponiren, ja
wird nicht auch mancher gebildetere Leser dem gegenüber ein Auge zudrücken,
indem er sich sagen muß, daß hinter dieser Reclame denn doch ein bedeutendes
Stück Wahrheit verborgen ist? Daß sich aber die Bonapartisten durch der¬
artige Mittel nicht "discreditiren", wissen die Republikaner selbst am besten,
Haben sie doch lediglich dadurch den unleugbar großen Kredit wieder erworben
den sie thatsächlich genießen und der sie heute schon zum furchtbarsten Feind
der Republikaner gemacht hat. Der Knabe von Chislehurst hat bereits
längst angefangen, ihnen fürchterlich zu werden!




eigenthümlicher Weise, daß der gemeine Mann, welcher die „zwanzig Jahre
der Wohlfahrt unter dem Kaiserreich" noch nicht vergessen hat, vielfach nur
die erstere herauslesen und beherzigen wird. Das Blatt Gambetta's, die
„ü-epubl. krantz." verbirgt denn auch ihren Aerger über diese Schrift in einem
kurzen Artikel voll erzwungener Heiterkeit. „All diese schönen Dinge", sagt
sie (nämlich die vier „Thesen" des Herrn Dugue) „sind in jener Broschüre
den Wählern auseinandergesetzt. Natürlich beweist der Verfasser dieser
Sensationsschrift, daß die Opposition alles verschuldet, daß sie dem Staats¬
oberhaupt die Hände gebunden, die Arsenale geleert, unsere Festungen und
Armeen übergeben hat! Diese These ist zur Genüge bekannt. Sie hat nichts
gegen sich, als die bekanntesten Thatsachen, die officiellen Schriftstücke, die
Meinung von ganz Europa und die Ueberzeugung aller vernünftigen Menschen!
Trotzdem kann derjenige, welcher Lust hat, 25.000 Fr. zum Besten der Armen
zu gewinnen, sich das Vergnügen machen, sie zum hundertsten und tausendsten
Mal zu widerlegen. Nur sagt Herr de la Fauconnerie nicht, wer der Richter
über die Wette sein soll, und darauf kommt es doch an. Es erübrigt ihm
noch zu sagen, wie und von wem die Jury gebildet werden soll. Es gäbe
das Stoff zu einem zweiten Plakat. Aber wie dem auch sei, die Bonapartisten
sind auf dem Platz, und machen derartige Demonstrationen, ohne zu ge¬
wahren, daß sie eine nicht nur komische, sondern jede Partei discreditirende
Rolle spielen. Oder meinen sie, daß ihre Partei diese Gefahr nicht mehr zu
fürchten hat?"

Diese Erwiderung des republikanischen Blattes trifft augenscheinlich nur
eine schwache Seite der bonapartistischen Broschüre, die politische Reclame
nämlich, die sich darin breit macht. Aber werden nicht gerade diese
25,000 Franks dem großen Haufen auf dem flachen Land imponiren, ja
wird nicht auch mancher gebildetere Leser dem gegenüber ein Auge zudrücken,
indem er sich sagen muß, daß hinter dieser Reclame denn doch ein bedeutendes
Stück Wahrheit verborgen ist? Daß sich aber die Bonapartisten durch der¬
artige Mittel nicht „discreditiren", wissen die Republikaner selbst am besten,
Haben sie doch lediglich dadurch den unleugbar großen Kredit wieder erworben
den sie thatsächlich genießen und der sie heute schon zum furchtbarsten Feind
der Republikaner gemacht hat. Der Knabe von Chislehurst hat bereits
längst angefangen, ihnen fürchterlich zu werden!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/72>, abgerufen am 27.07.2024.