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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Landungsplätzen der so zahlreichen Dampfboote, die unablässig die Themse auf-
und abwärts fahren, und an die Straße reihen sich die schönsten grünen
Parks, über denen die Häusermassen und Thürme der unermeßlichen Stadt
herausragen. An Stelle dieses wirklich prachtvollen Anblicks zeigten sich noch
bis vor wenigen Jahren die widerwärtigsten Sümpfe und Moräste, welche die
ganze Gegend zur Ebbezeit verpesteten, und um diesem Uebelstand abzuhelfen,
hat die Stadt das Thamesembankment mit einem wirklich enormen Kosten¬
aufwand ausgeführt. Es besteht aus einer mächtigen Ufermauer, die unter
den ungünstigsten Fundirungsverhältnissen bei einer Fluth- und Ebbedifferenz
von 6 M. auf eine Länge von etwa einer halben deutschen Meile aus dem
festesten Granit ausgeführt ist. Und hinter dieser Mauer liegen übereinander
die unterirdische Eisenbahn, deren Sohle unter dem Hochwasserspiegel der
Themse liegt und die schöne breite Uferstraße, die auf der einen Seite den
Verkehr mit dem so belebten Strome und auf der anderen mit den herrlichen
Park- und Gartenanlagen vermittelt. Wahrlich beim Anblicke dieses gro߬
artigen Unternehmens kann man mit gerechtem Stolze von dem menschlichen
Schaffenstriebe erfüllt werden, der vor keiner Schwierigkeit zurückschreckt, der
sich die widerwärtigsten Naturereignisse nutzbar zu machen weiß und, wenn
auch oft von den Naturkräften arg bedrängt, dieselben doch schließlich siegreich
überwindet.

Dieses Themseembankment ist in der Baugeschichte Londons gleich epoche¬
machend als verkehrserleichternde und gesundheitsfördernde Schöpfung und,
nebst der Canalisation wohl das großartigste, was die Stadtgemeinde in den
letzten Jahrzehnten in baulicher Beziehung geleistet hat.

Aber auch aller Orten in der ganzen großen Metropole wird mit rühm¬
lichem Eifer danach gestrebt, den Bewohnern derselben ein möglichst großes
Quantum guter Luft zuzuführen. Am sichersten läßt sich dies ja stets durch
Vertheilung von Bäumen und Sträuchern durch die Stadt erreichen und so
sehen wir denn auch eine solche Masse von Parks und grünen Plätzen inner¬
halb Londons, wie sie wohl keine zweite Stadt auch nur annähernd aufzu¬
weisen hat. Zunächst sind hier die weltberühmten großen Parks zu nennen,
die im Osten und Westen, Norden und Süden angebracht sind, und mit ihren
unvergleichlich schönen Rasen Alt und Jung. Hoch und Niedrig gleich sehr
erfreuen. An schönen Baumpartien und vor allen Dingen an der Massen-
haftigkeit derselben mögen die Parks unserer deutschen Großstädte den eng¬
lischen Rivalen weit überlegen sein; unsere öffentlichen Promenaden und
Gärten zeigen beinahe überall einen waldartigen Charakter, der sicherlich
ihren eigenthümlichen Reiz wesentlich erhöht und ich muß offen bekennen,
daß trotz der englischen Rasen unsere deutschen urwäldlichen Gärten auf mich
einen schöneren und tieferen Eindruck machen, als die Londoner Parks mit


Landungsplätzen der so zahlreichen Dampfboote, die unablässig die Themse auf-
und abwärts fahren, und an die Straße reihen sich die schönsten grünen
Parks, über denen die Häusermassen und Thürme der unermeßlichen Stadt
herausragen. An Stelle dieses wirklich prachtvollen Anblicks zeigten sich noch
bis vor wenigen Jahren die widerwärtigsten Sümpfe und Moräste, welche die
ganze Gegend zur Ebbezeit verpesteten, und um diesem Uebelstand abzuhelfen,
hat die Stadt das Thamesembankment mit einem wirklich enormen Kosten¬
aufwand ausgeführt. Es besteht aus einer mächtigen Ufermauer, die unter
den ungünstigsten Fundirungsverhältnissen bei einer Fluth- und Ebbedifferenz
von 6 M. auf eine Länge von etwa einer halben deutschen Meile aus dem
festesten Granit ausgeführt ist. Und hinter dieser Mauer liegen übereinander
die unterirdische Eisenbahn, deren Sohle unter dem Hochwasserspiegel der
Themse liegt und die schöne breite Uferstraße, die auf der einen Seite den
Verkehr mit dem so belebten Strome und auf der anderen mit den herrlichen
Park- und Gartenanlagen vermittelt. Wahrlich beim Anblicke dieses gro߬
artigen Unternehmens kann man mit gerechtem Stolze von dem menschlichen
Schaffenstriebe erfüllt werden, der vor keiner Schwierigkeit zurückschreckt, der
sich die widerwärtigsten Naturereignisse nutzbar zu machen weiß und, wenn
auch oft von den Naturkräften arg bedrängt, dieselben doch schließlich siegreich
überwindet.

Dieses Themseembankment ist in der Baugeschichte Londons gleich epoche¬
machend als verkehrserleichternde und gesundheitsfördernde Schöpfung und,
nebst der Canalisation wohl das großartigste, was die Stadtgemeinde in den
letzten Jahrzehnten in baulicher Beziehung geleistet hat.

Aber auch aller Orten in der ganzen großen Metropole wird mit rühm¬
lichem Eifer danach gestrebt, den Bewohnern derselben ein möglichst großes
Quantum guter Luft zuzuführen. Am sichersten läßt sich dies ja stets durch
Vertheilung von Bäumen und Sträuchern durch die Stadt erreichen und so
sehen wir denn auch eine solche Masse von Parks und grünen Plätzen inner¬
halb Londons, wie sie wohl keine zweite Stadt auch nur annähernd aufzu¬
weisen hat. Zunächst sind hier die weltberühmten großen Parks zu nennen,
die im Osten und Westen, Norden und Süden angebracht sind, und mit ihren
unvergleichlich schönen Rasen Alt und Jung. Hoch und Niedrig gleich sehr
erfreuen. An schönen Baumpartien und vor allen Dingen an der Massen-
haftigkeit derselben mögen die Parks unserer deutschen Großstädte den eng¬
lischen Rivalen weit überlegen sein; unsere öffentlichen Promenaden und
Gärten zeigen beinahe überall einen waldartigen Charakter, der sicherlich
ihren eigenthümlichen Reiz wesentlich erhöht und ich muß offen bekennen,
daß trotz der englischen Rasen unsere deutschen urwäldlichen Gärten auf mich
einen schöneren und tieferen Eindruck machen, als die Londoner Parks mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/499>, abgerufen am 28.07.2024.