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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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ja bekanntlich allen Behörden bei weitem nicht in demselben Maaße möglich
ist, faktisch auch ohne Expropriationsrecht genießen. Nach dem alten Expro¬
priationsgesetz war dies unmöglich; und während der Engländer das baare
Geld einem noch ungewissen Gewinn, der sich aus dem etwaigen Steigen eines
Werthes seines Grundstücksrechtes ergeben könne, vorzieht, -- der durch die
neue Straßenanlage ja immerhin sehr wahrscheinlich ist, -- und daher ganz
von selbst auf vollständigen Ankauf seines Grundstäcks drängt, so hält im
Gegentheil der Berliner auch noch den kleinsten Rest desselben mit bewunderns-
werther Energie fest, alles von der immensen Entwickelung des Verkehrs der
neuen Straße erhoffend und erschwert und vertheuert dadurch den städtischen
Behörden die Anlagen gemeinnütziger neuer Verkehrswege sehr erheblich.

Jeder Fremde, der das Parlamentsgebäude in Westminster und die
daran anstoßende neue Westminsterbrücke betrachtet, wird auch unwillkürlich
sein Augenmerk auf das jenseits der Themse gelegene neue Se. Thomas-
Hospital richten, welches mit seinem saubern Ziegelrohbau aus schöner grüner
Umgebung so freundlich herausschaue, daß es unwillkürlich zur Betrachtung
herausfordert. Und wenn man dasselbe einer näheren Besichtigung unter¬
zieht, so wird man ob all der schönen zweckmäßigen Einrichtungen staunen,
die von einem ungewöhnlichen Reichthum Zeugniß ablegen und man wird
die gütigen Spender desselben höchlich loben. Doch nur nicht zu voreilig mit
diesem Lob, denn, von milden Gaben ist hier keine Rede. Wir haben hier
einfach ein eklatantes Beispiel vor uns, wie Korporationen, die mit dem Ex¬
propriationsrecht ausgestattet worden sind, auf Verlangen dazu gezwungen
werden, ganze ausgedehnte Besitzungen selbst dann erwerben zu müssen, wenn
der absolut nothwendige Grunderwerb auch noch so unbedeutend ist. Es war
hier eine Eisenbahngesellschaft, die das alte Hospital beschneiden wollte, und
dieses hat es verstanden, seine alten schlechten Anlagen nicht allein los zu
werden, sondern dieselben auch durch vorzügliche zu ersetzen, alles auf Kosten
der South Eastern Eisenbahngesellschaft, die beim Bau der Eisenbahn von
London Bridge nach Charing Croß nur die Wahl hatte, eine der größten
Brauereien der Welt, nämlich die von Barclay, Perkins u. Cie., oder das
alte Thomashospital zu erwerben und von zwei Uebeln das kleinere vorzog;
von milder Stiftung aber ist hier nicht die Rede, ganz im Gegentheil.

Da wir uns einmal auf der Westminsterbrücke befinden, sei es auch ge¬
stattet, des schon vorhin erwähnten Thamesembankments zu gedenken, welches
bei dieser Brücke seinen Anfang nimmt und in der City bet der Blackfnars-
brücke endet. Von der Westminsterbrücke aus bietet sich dem Beschauer ein
überaus anmuthiges und anregendes Bild dar. Eine 30 M. breite Ufer¬
straße von Wagen und Spaziergängern stark belebt, zieht sich am linken Ufer
stromabwärts, von derselben führen zahlreiche Landungsbrücken nach den


ja bekanntlich allen Behörden bei weitem nicht in demselben Maaße möglich
ist, faktisch auch ohne Expropriationsrecht genießen. Nach dem alten Expro¬
priationsgesetz war dies unmöglich; und während der Engländer das baare
Geld einem noch ungewissen Gewinn, der sich aus dem etwaigen Steigen eines
Werthes seines Grundstücksrechtes ergeben könne, vorzieht, — der durch die
neue Straßenanlage ja immerhin sehr wahrscheinlich ist, — und daher ganz
von selbst auf vollständigen Ankauf seines Grundstäcks drängt, so hält im
Gegentheil der Berliner auch noch den kleinsten Rest desselben mit bewunderns-
werther Energie fest, alles von der immensen Entwickelung des Verkehrs der
neuen Straße erhoffend und erschwert und vertheuert dadurch den städtischen
Behörden die Anlagen gemeinnütziger neuer Verkehrswege sehr erheblich.

Jeder Fremde, der das Parlamentsgebäude in Westminster und die
daran anstoßende neue Westminsterbrücke betrachtet, wird auch unwillkürlich
sein Augenmerk auf das jenseits der Themse gelegene neue Se. Thomas-
Hospital richten, welches mit seinem saubern Ziegelrohbau aus schöner grüner
Umgebung so freundlich herausschaue, daß es unwillkürlich zur Betrachtung
herausfordert. Und wenn man dasselbe einer näheren Besichtigung unter¬
zieht, so wird man ob all der schönen zweckmäßigen Einrichtungen staunen,
die von einem ungewöhnlichen Reichthum Zeugniß ablegen und man wird
die gütigen Spender desselben höchlich loben. Doch nur nicht zu voreilig mit
diesem Lob, denn, von milden Gaben ist hier keine Rede. Wir haben hier
einfach ein eklatantes Beispiel vor uns, wie Korporationen, die mit dem Ex¬
propriationsrecht ausgestattet worden sind, auf Verlangen dazu gezwungen
werden, ganze ausgedehnte Besitzungen selbst dann erwerben zu müssen, wenn
der absolut nothwendige Grunderwerb auch noch so unbedeutend ist. Es war
hier eine Eisenbahngesellschaft, die das alte Hospital beschneiden wollte, und
dieses hat es verstanden, seine alten schlechten Anlagen nicht allein los zu
werden, sondern dieselben auch durch vorzügliche zu ersetzen, alles auf Kosten
der South Eastern Eisenbahngesellschaft, die beim Bau der Eisenbahn von
London Bridge nach Charing Croß nur die Wahl hatte, eine der größten
Brauereien der Welt, nämlich die von Barclay, Perkins u. Cie., oder das
alte Thomashospital zu erwerben und von zwei Uebeln das kleinere vorzog;
von milder Stiftung aber ist hier nicht die Rede, ganz im Gegentheil.

Da wir uns einmal auf der Westminsterbrücke befinden, sei es auch ge¬
stattet, des schon vorhin erwähnten Thamesembankments zu gedenken, welches
bei dieser Brücke seinen Anfang nimmt und in der City bet der Blackfnars-
brücke endet. Von der Westminsterbrücke aus bietet sich dem Beschauer ein
überaus anmuthiges und anregendes Bild dar. Eine 30 M. breite Ufer¬
straße von Wagen und Spaziergängern stark belebt, zieht sich am linken Ufer
stromabwärts, von derselben führen zahlreiche Landungsbrücken nach den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/498>, abgerufen am 28.07.2024.