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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Maßregel ergriffen werden: Nach dem Neichsmünzgesetz, Art. 9 ist Niemand
verpflichtet, nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, Reichssilbermünzen im Betrage
von mehr als 20 Mark und Nickel- und Kupfermünzen im Betrage von
mehr als einer Mark in Zahlung zu nehmen. Da nun nach demselben Ge¬
setze die Anordnungen der Außercurssetzung der Landesmünzen u. s. w. durch
den Bundesrath zu erfolgen hat, so stände es in dem Bereich derMegierung,
dem Ziele durch Zwischenmaßregeln sich allmälig zu nähern, indem sie
provisorisch die höchste Summe des zu Zahlungen gesetzlich erlaubten Silbers
z. B. auf 100 Thaler festsetzt. Freilich wären dabei gewisse Vorsichtsma߬
regeln, z. B. eine Ausnahmestellung der Banken unentbehrlich, weil die
Metallhändler sonst diese Maßregel gerade als ein Mittel zum Herausziehen
der Goldbestände aus den Baarbeständen der Banken benutzen könnten. Wir
würden wegen dieser Gefahr deshalb auch auf dieses Provisorium nur wenig
Gewicht legen. Die unter 1) und 2) aufgeführten Maßregeln aber halten
wir unbedingt für nothwendig, sei der Zinsverlust, welchen der Präsident des
Reichskanzleramtes befürchtet, auch noch so groß.

Für ganz ungeeignet aber, die der Münzreform drohenden Gefahren zu
zerstreuen, halten wir den vorgelegten Bankgesetzentwurf, weil darin von der
Errichtung einer Reichsbank Umgang genommen war. Diese Frage bildete
den zweiten Theil der Eröffnungen der Vertreter der Reichsregierung. Wir
müssen gestehen, daß wir über die Schwäche, ja den Mangel aller stich¬
haltigen Gründe gegen die Reichsbank in wahrhaftes Erstaunen gerathen
sind. Wir können dieß hier nicht näher motiviren, -- nur einen Punkt er¬
lauben wir uns zu berühren. Man scheint das Hauptgewicht auf die durch
die Sprocentige Notensteuer bezweckte indirecte Contingentirung zu legen, welche
eine indirecte Nachahmung der in der Praxis so kläglich verunglückten Con¬
tingentirung der Bank von England ist. Wie die Sachen stehen, scheint
dabei die Einrichtung einer Reichsbank nach dem Muster der englischen Bank
viele Anhänger zu haben. Wir wundern uns besonders darüber, daß Camp¬
hausen, der doch die Vorzüglichkeit der Einrichtung der französischen und
preußischen Bank vor der der englischen zu gut kennen sollte, eine solche
Forderung stellen zu können meint. Wir wollen heute aber nur "die Haupt¬
wirkung hervorheben, welche jene indirecte Contingentirung haben würde.
Bekanntlich ist das Bedürfniß an Cireulationsmitteln am stärksten beim
Ausbruch einer politischen oder wirthschaftlichen Krisis, gegen welche gerade
die Kontingentirung ein Schutzmittel bilden soll. Das Mißtrauen, welches
beim Ausbruch einer Krisis einzutreten pflegt und oft bis zu einer Panique
sich steigert, hat noch jedesmal bewirkt, daß alle Welt seine Geldvorräthe
einsperrt, weil die Banken ihren Credit beschränken oder kündigen ^und daß
ein Mangel an Umlaufsmitteln eintritt, dem nur durch größere Notenausgabe


Maßregel ergriffen werden: Nach dem Neichsmünzgesetz, Art. 9 ist Niemand
verpflichtet, nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, Reichssilbermünzen im Betrage
von mehr als 20 Mark und Nickel- und Kupfermünzen im Betrage von
mehr als einer Mark in Zahlung zu nehmen. Da nun nach demselben Ge¬
setze die Anordnungen der Außercurssetzung der Landesmünzen u. s. w. durch
den Bundesrath zu erfolgen hat, so stände es in dem Bereich derMegierung,
dem Ziele durch Zwischenmaßregeln sich allmälig zu nähern, indem sie
provisorisch die höchste Summe des zu Zahlungen gesetzlich erlaubten Silbers
z. B. auf 100 Thaler festsetzt. Freilich wären dabei gewisse Vorsichtsma߬
regeln, z. B. eine Ausnahmestellung der Banken unentbehrlich, weil die
Metallhändler sonst diese Maßregel gerade als ein Mittel zum Herausziehen
der Goldbestände aus den Baarbeständen der Banken benutzen könnten. Wir
würden wegen dieser Gefahr deshalb auch auf dieses Provisorium nur wenig
Gewicht legen. Die unter 1) und 2) aufgeführten Maßregeln aber halten
wir unbedingt für nothwendig, sei der Zinsverlust, welchen der Präsident des
Reichskanzleramtes befürchtet, auch noch so groß.

Für ganz ungeeignet aber, die der Münzreform drohenden Gefahren zu
zerstreuen, halten wir den vorgelegten Bankgesetzentwurf, weil darin von der
Errichtung einer Reichsbank Umgang genommen war. Diese Frage bildete
den zweiten Theil der Eröffnungen der Vertreter der Reichsregierung. Wir
müssen gestehen, daß wir über die Schwäche, ja den Mangel aller stich¬
haltigen Gründe gegen die Reichsbank in wahrhaftes Erstaunen gerathen
sind. Wir können dieß hier nicht näher motiviren, — nur einen Punkt er¬
lauben wir uns zu berühren. Man scheint das Hauptgewicht auf die durch
die Sprocentige Notensteuer bezweckte indirecte Contingentirung zu legen, welche
eine indirecte Nachahmung der in der Praxis so kläglich verunglückten Con¬
tingentirung der Bank von England ist. Wie die Sachen stehen, scheint
dabei die Einrichtung einer Reichsbank nach dem Muster der englischen Bank
viele Anhänger zu haben. Wir wundern uns besonders darüber, daß Camp¬
hausen, der doch die Vorzüglichkeit der Einrichtung der französischen und
preußischen Bank vor der der englischen zu gut kennen sollte, eine solche
Forderung stellen zu können meint. Wir wollen heute aber nur "die Haupt¬
wirkung hervorheben, welche jene indirecte Contingentirung haben würde.
Bekanntlich ist das Bedürfniß an Cireulationsmitteln am stärksten beim
Ausbruch einer politischen oder wirthschaftlichen Krisis, gegen welche gerade
die Kontingentirung ein Schutzmittel bilden soll. Das Mißtrauen, welches
beim Ausbruch einer Krisis einzutreten pflegt und oft bis zu einer Panique
sich steigert, hat noch jedesmal bewirkt, daß alle Welt seine Geldvorräthe
einsperrt, weil die Banken ihren Credit beschränken oder kündigen ^und daß
ein Mangel an Umlaufsmitteln eintritt, dem nur durch größere Notenausgabe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/490>, abgerufen am 27.07.2024.