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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Circulationsmittel würden in Folge der Annahme des Entwurfes sich unter
den Normalbedarf vermindern und die Gefahr bringen, die Preise später
ebenso zu drücken, wie sie bisher gesteigert worden sind.

Der Vertreter der Reichsregierung betheuerte, daß dieselbe es sich als
ihre Aufgabe gestellt habe, bet der Ausführung des Münzgesetzes sowohl
für einen starken Vorrath von Goldmünzen zu sorgen, als auch die Prägung
von 1 - Markstücken, von 20 - Pfennigstücken, sowie von Nickel- und Kupfer¬
münzen sich angelegen sein zu lassen. Wir müssen gestehen, so gern wir diese
Betheuerung vernehmen, so wenig sieht sie mit den Thatsachen in Ueberein¬
stimmung. Uns scheinen die Prägungen, namentlich der Scheidemünzen, mit
ungewöhnlicher Langsamkeit vorzugehen, insbesondere, wenn man bedenkt,
daß noch keinem Staate in ähnlicher Lage soviele Münzstätten zu Gebote
standen, wie dem deutschen Reiche, dem überdies noch die Hilfe der öster¬
reichischen Präge-Anstalt ohne Zweifel zugestanden werden würde. Man
muß in der That staunen, wenn man bedenkt, daß die Ausprägung sämmtlicher
Schweizer Münzen bei der Münzreform 1862 innerhalb eines Jahres vollendet
war, während am 10. October d. I. im deutschen Reiche erst 11 Millionen
Thaler an Silbermünzen, 1 Million Thaler an Nickelmünzen und 0,5 Millio¬
nen Thaler an Kupfermünzen ausgeprägt waren. Denn bedenkt man, daß
nach Artikel 4 des Münzgesetzes der Gesammtbetrag der Reichssilbermünzen
bis auf 410 Millionen Mark und nach Artikel 6 die Nickel- und Kupfer
münzen bis auf 102 Millionen Mark erhoben werden können, und daß diese
Summe von zusammen 170 Millionen Thaler von dem Verkehre, der bisher
an das Silber gewöhnt war, auch vollständig in Anspruch genommen werden
wird, so hätte man 10 Jahre zu prägen, wenn man in dem Tempo fort¬
fahren würde, welches in diesem Jahre eingehalten worden. Auch die Her¬
stellung der Reichsgoldmünzen hätte mehr beschleuMt werden können; indessen
würden wir uns in Beziehung auf sie leichter zufrieden stellen lassen, wenn
sie nur vorsichtiger zurückgehalten worden wären. Denn in diesem Falle ließe
sich von jetzt an in kurzer Zeit der nöthige Vorrath ergänzen, um die Aus¬
führung des Münzgesetzes rasch zu vollenden. Leider ist dies nicht geschehen.
Unsere Befürchtung bleibt vielmehr nach den Geständnissen des Präsidenten
des Reichskanzleramtes bestehen. Derselbe hat nämlich die nachfolgende Er¬
klärung abgegeben:

"Wir hatten am Schlüsse des vorigen Monats 362 Millionen Thaler
in Gold geprägt. Von diesen befinden sich 40 Millionen im Reichskriegs¬
schatz zu Spandau und, von dem Rest von 322 Millionen ist in Abzug zu
bringen der, gewissen Schwankungen unterliegende Bestand, welcher dauernd
in der Bank steckt. Der Baarvorrath, den die deutschen Banken, mit Aus¬
nahme der baierischen, Ende September hatten, betrug 289^ Millionen. Es


Circulationsmittel würden in Folge der Annahme des Entwurfes sich unter
den Normalbedarf vermindern und die Gefahr bringen, die Preise später
ebenso zu drücken, wie sie bisher gesteigert worden sind.

Der Vertreter der Reichsregierung betheuerte, daß dieselbe es sich als
ihre Aufgabe gestellt habe, bet der Ausführung des Münzgesetzes sowohl
für einen starken Vorrath von Goldmünzen zu sorgen, als auch die Prägung
von 1 - Markstücken, von 20 - Pfennigstücken, sowie von Nickel- und Kupfer¬
münzen sich angelegen sein zu lassen. Wir müssen gestehen, so gern wir diese
Betheuerung vernehmen, so wenig sieht sie mit den Thatsachen in Ueberein¬
stimmung. Uns scheinen die Prägungen, namentlich der Scheidemünzen, mit
ungewöhnlicher Langsamkeit vorzugehen, insbesondere, wenn man bedenkt,
daß noch keinem Staate in ähnlicher Lage soviele Münzstätten zu Gebote
standen, wie dem deutschen Reiche, dem überdies noch die Hilfe der öster¬
reichischen Präge-Anstalt ohne Zweifel zugestanden werden würde. Man
muß in der That staunen, wenn man bedenkt, daß die Ausprägung sämmtlicher
Schweizer Münzen bei der Münzreform 1862 innerhalb eines Jahres vollendet
war, während am 10. October d. I. im deutschen Reiche erst 11 Millionen
Thaler an Silbermünzen, 1 Million Thaler an Nickelmünzen und 0,5 Millio¬
nen Thaler an Kupfermünzen ausgeprägt waren. Denn bedenkt man, daß
nach Artikel 4 des Münzgesetzes der Gesammtbetrag der Reichssilbermünzen
bis auf 410 Millionen Mark und nach Artikel 6 die Nickel- und Kupfer
münzen bis auf 102 Millionen Mark erhoben werden können, und daß diese
Summe von zusammen 170 Millionen Thaler von dem Verkehre, der bisher
an das Silber gewöhnt war, auch vollständig in Anspruch genommen werden
wird, so hätte man 10 Jahre zu prägen, wenn man in dem Tempo fort¬
fahren würde, welches in diesem Jahre eingehalten worden. Auch die Her¬
stellung der Reichsgoldmünzen hätte mehr beschleuMt werden können; indessen
würden wir uns in Beziehung auf sie leichter zufrieden stellen lassen, wenn
sie nur vorsichtiger zurückgehalten worden wären. Denn in diesem Falle ließe
sich von jetzt an in kurzer Zeit der nöthige Vorrath ergänzen, um die Aus¬
führung des Münzgesetzes rasch zu vollenden. Leider ist dies nicht geschehen.
Unsere Befürchtung bleibt vielmehr nach den Geständnissen des Präsidenten
des Reichskanzleramtes bestehen. Derselbe hat nämlich die nachfolgende Er¬
klärung abgegeben:

„Wir hatten am Schlüsse des vorigen Monats 362 Millionen Thaler
in Gold geprägt. Von diesen befinden sich 40 Millionen im Reichskriegs¬
schatz zu Spandau und, von dem Rest von 322 Millionen ist in Abzug zu
bringen der, gewissen Schwankungen unterliegende Bestand, welcher dauernd
in der Bank steckt. Der Baarvorrath, den die deutschen Banken, mit Aus¬
nahme der baierischen, Ende September hatten, betrug 289^ Millionen. Es


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[0486] Circulationsmittel würden in Folge der Annahme des Entwurfes sich unter den Normalbedarf vermindern und die Gefahr bringen, die Preise später ebenso zu drücken, wie sie bisher gesteigert worden sind. Der Vertreter der Reichsregierung betheuerte, daß dieselbe es sich als ihre Aufgabe gestellt habe, bet der Ausführung des Münzgesetzes sowohl für einen starken Vorrath von Goldmünzen zu sorgen, als auch die Prägung von 1 - Markstücken, von 20 - Pfennigstücken, sowie von Nickel- und Kupfer¬ münzen sich angelegen sein zu lassen. Wir müssen gestehen, so gern wir diese Betheuerung vernehmen, so wenig sieht sie mit den Thatsachen in Ueberein¬ stimmung. Uns scheinen die Prägungen, namentlich der Scheidemünzen, mit ungewöhnlicher Langsamkeit vorzugehen, insbesondere, wenn man bedenkt, daß noch keinem Staate in ähnlicher Lage soviele Münzstätten zu Gebote standen, wie dem deutschen Reiche, dem überdies noch die Hilfe der öster¬ reichischen Präge-Anstalt ohne Zweifel zugestanden werden würde. Man muß in der That staunen, wenn man bedenkt, daß die Ausprägung sämmtlicher Schweizer Münzen bei der Münzreform 1862 innerhalb eines Jahres vollendet war, während am 10. October d. I. im deutschen Reiche erst 11 Millionen Thaler an Silbermünzen, 1 Million Thaler an Nickelmünzen und 0,5 Millio¬ nen Thaler an Kupfermünzen ausgeprägt waren. Denn bedenkt man, daß nach Artikel 4 des Münzgesetzes der Gesammtbetrag der Reichssilbermünzen bis auf 410 Millionen Mark und nach Artikel 6 die Nickel- und Kupfer münzen bis auf 102 Millionen Mark erhoben werden können, und daß diese Summe von zusammen 170 Millionen Thaler von dem Verkehre, der bisher an das Silber gewöhnt war, auch vollständig in Anspruch genommen werden wird, so hätte man 10 Jahre zu prägen, wenn man in dem Tempo fort¬ fahren würde, welches in diesem Jahre eingehalten worden. Auch die Her¬ stellung der Reichsgoldmünzen hätte mehr beschleuMt werden können; indessen würden wir uns in Beziehung auf sie leichter zufrieden stellen lassen, wenn sie nur vorsichtiger zurückgehalten worden wären. Denn in diesem Falle ließe sich von jetzt an in kurzer Zeit der nöthige Vorrath ergänzen, um die Aus¬ führung des Münzgesetzes rasch zu vollenden. Leider ist dies nicht geschehen. Unsere Befürchtung bleibt vielmehr nach den Geständnissen des Präsidenten des Reichskanzleramtes bestehen. Derselbe hat nämlich die nachfolgende Er¬ klärung abgegeben: „Wir hatten am Schlüsse des vorigen Monats 362 Millionen Thaler in Gold geprägt. Von diesen befinden sich 40 Millionen im Reichskriegs¬ schatz zu Spandau und, von dem Rest von 322 Millionen ist in Abzug zu bringen der, gewissen Schwankungen unterliegende Bestand, welcher dauernd in der Bank steckt. Der Baarvorrath, den die deutschen Banken, mit Aus¬ nahme der baierischen, Ende September hatten, betrug 289^ Millionen. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/486>, abgerufen am 27.07.2024.