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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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worden sei. Hiernach allenthalben bietet uns der ganze bedauerliche^ Vorfall
zu einem Einschreiten gegen G., -- dem übrigens von seinen unmittelbaren
Vorgesetzten bezüglich seiner Artigkeit gegen jedermann das beste Zeugniß ge¬
geben wird, keine Veranlassung. -- Ob die königliche Polizeidirection Ihrer
Ansicht, es sei bei Ankunft eines jeden Zuges ein Gensdarm auf dem
Perron aufzustellen, beipflichten würde, lassen wir dahingestellt sein. Gegen
uns hat bis jetzt noch niemand solchen Wunsch ausgesprochen.


Königliche Generaldirection der
sächsischen Staatseisenbahnen,
Freiherr v. Biedermann.

Dresden, am 23. Juli 1873.
Herrn Dr. MI. Max Krenkel
hier.

Als ich diesen Bescheid gelesen hatte, war ich um eine Erfahrung reicher.
Bis dahin hatte ich es nämlich nicht für möglich gehalten, daß ein Collegium.
in dem, um mit Philipp zu reden, das juristische Element außerordentlich
überwiegt, so leicht durch eine Aussage zu täuschen sei, welche das Gepräge
der UnWahrscheinlichkeit an der Stirn trägt. Selbst wenn mir die königliche
Generaldirection die Rohheit zutraute, welche sich in der mir von G. ange¬
dichteten Aeußerung bekundet, hätte sie mich doch nicht für so unklug halten
sollen, einem Beamten eine derartige Beleidigung, die für mich leicht unan¬
genehme Folgen haben konnte, an einem öffentlichen Orte und vor vielen
Zeugen ins Gesicht zu schleudern. Und das konnte sie sich wohl auch sagen,
daß ein gebildeter Mann, einem Beamten, den er um Beistand angeht, nicht
in demselben Augenblicke durch ganz unmotivirte Grobheiten, die Neigung,
diesem Verlangen zu entsprechen, gründlich benehmen wird. Wie endlich die
Generaldirection, nachdem sie sich um meine vier Zeugen nicht im Geringsten
gekümmert hatte, von "angestellten Erörterungen" sprechen konnte, war mir
gleichfalls nicht völlig verständlich. -- Der denkwürdige Bescheid wurde zu¬
nächst von diesen vier Zeugen durch folgendes Schreiben beantwortet:

"An die königliche Generaldirection der sächsischen Staatseisenbahnen hier. --
Die königliche Generaldirection hat auf die Beschwerde des Herrn Dr. Krenkel
vom 3. Juli d. I. eine Antwort ertheilt, welche uns. die ergebenst Unter¬
zeichneten, als Augenzeugen des in dem gedachten Schreiben berührten Vor¬
falles zu nachstehender Erklärung veranlaßt- Wir sind bereit, die uns be¬
kannte Sachdarstellung des Herrn Dr. K., jeder an seinem Theile, mit unserm
Zeugnisse zu vertreten. Ja, diese Darstellung läßt, weit entfernt, irgendwie
zu übertreiben, das Benehmen des Packmeisters G. in noch zu mildem Lichte
erscheinen, wie denn z. B. in derselben nicht ausdrücklich erwähnt ist. daß G.
Herrn Dr. K. verspottend, die Stimme desselben in carrikirender Weise nachge¬
ahmt hat. Wir lassen dahingestellt, ob G.'s Unwillfährigkeit durch die Behaup¬
tung genügend entschuldigt wird, daß derselbe im Momente der Ankunft des
Zuges durch anderweite Dienstgeschäfte stark in Anspruch genommen gewesen


worden sei. Hiernach allenthalben bietet uns der ganze bedauerliche^ Vorfall
zu einem Einschreiten gegen G., — dem übrigens von seinen unmittelbaren
Vorgesetzten bezüglich seiner Artigkeit gegen jedermann das beste Zeugniß ge¬
geben wird, keine Veranlassung. — Ob die königliche Polizeidirection Ihrer
Ansicht, es sei bei Ankunft eines jeden Zuges ein Gensdarm auf dem
Perron aufzustellen, beipflichten würde, lassen wir dahingestellt sein. Gegen
uns hat bis jetzt noch niemand solchen Wunsch ausgesprochen.


Königliche Generaldirection der
sächsischen Staatseisenbahnen,
Freiherr v. Biedermann.

Dresden, am 23. Juli 1873.
Herrn Dr. MI. Max Krenkel
hier.

Als ich diesen Bescheid gelesen hatte, war ich um eine Erfahrung reicher.
Bis dahin hatte ich es nämlich nicht für möglich gehalten, daß ein Collegium.
in dem, um mit Philipp zu reden, das juristische Element außerordentlich
überwiegt, so leicht durch eine Aussage zu täuschen sei, welche das Gepräge
der UnWahrscheinlichkeit an der Stirn trägt. Selbst wenn mir die königliche
Generaldirection die Rohheit zutraute, welche sich in der mir von G. ange¬
dichteten Aeußerung bekundet, hätte sie mich doch nicht für so unklug halten
sollen, einem Beamten eine derartige Beleidigung, die für mich leicht unan¬
genehme Folgen haben konnte, an einem öffentlichen Orte und vor vielen
Zeugen ins Gesicht zu schleudern. Und das konnte sie sich wohl auch sagen,
daß ein gebildeter Mann, einem Beamten, den er um Beistand angeht, nicht
in demselben Augenblicke durch ganz unmotivirte Grobheiten, die Neigung,
diesem Verlangen zu entsprechen, gründlich benehmen wird. Wie endlich die
Generaldirection, nachdem sie sich um meine vier Zeugen nicht im Geringsten
gekümmert hatte, von „angestellten Erörterungen" sprechen konnte, war mir
gleichfalls nicht völlig verständlich. — Der denkwürdige Bescheid wurde zu¬
nächst von diesen vier Zeugen durch folgendes Schreiben beantwortet:

„An die königliche Generaldirection der sächsischen Staatseisenbahnen hier. —
Die königliche Generaldirection hat auf die Beschwerde des Herrn Dr. Krenkel
vom 3. Juli d. I. eine Antwort ertheilt, welche uns. die ergebenst Unter¬
zeichneten, als Augenzeugen des in dem gedachten Schreiben berührten Vor¬
falles zu nachstehender Erklärung veranlaßt- Wir sind bereit, die uns be¬
kannte Sachdarstellung des Herrn Dr. K., jeder an seinem Theile, mit unserm
Zeugnisse zu vertreten. Ja, diese Darstellung läßt, weit entfernt, irgendwie
zu übertreiben, das Benehmen des Packmeisters G. in noch zu mildem Lichte
erscheinen, wie denn z. B. in derselben nicht ausdrücklich erwähnt ist. daß G.
Herrn Dr. K. verspottend, die Stimme desselben in carrikirender Weise nachge¬
ahmt hat. Wir lassen dahingestellt, ob G.'s Unwillfährigkeit durch die Behaup¬
tung genügend entschuldigt wird, daß derselbe im Momente der Ankunft des
Zuges durch anderweite Dienstgeschäfte stark in Anspruch genommen gewesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/463>, abgerufen am 28.07.2024.