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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Dienste zu haben. Jene "Jnstructionen" (wir pflegten als geistige Turn¬
übung jeden Morgen ein Kapitel und jeden Sabbath in der Sonntagsschule
ein paar Kapitel daraus zu lesen; denn sie behandelten alle möglichen Dinge
unter der Sonne und enthielten neben anderm statistischen Material auch
viele schätzbare Sachen religiöser Natur), jene "Jnstructionen" also befahlen,
daß den Mitgliedern der Gesetzgebung Federmesser, Briefcouverts, Federn und
Schreibpapier geliefert werde. So kaufte der Secretär diese Sachen und ver¬
theilte sie, die Messer kosteten das Stück drei Dollars. Es war eins zu viel,
und der Secretär gab es dem Schreiber des Abgeordnetenhauses. Die Ver¬
einigten Staaten sagten, der Schreiber des Hauses sei kein "Mitglied", und
zogen wie gewöhnlich jene drei Dollars vom Gehalte des Secretärs ab. --
Weiße Leute verlangten für das Kleinmachen einer Ladung Brennholz drei
oder vier Dollars. Der Secretär war scharfblickend genug, um einzusehen,
daß die Vereinigten Staaten niemals einen solchen Preis zahlen würden, und
so ließ er sich von einem Indianer eine Ladung Bureauholz für anderthalb
Dollars kleinsägen. Er machte die übliche Empfangsbescheinigung zurecht,
aber unterzeichnete sie mit keinem Namen, sondern fügte einfach eine Notiz
hinzu, welche erklärte, daß ein Indianer die Arbeit verrichtet und zwar in
sehr geschickter und zufriedenstellender Weise verrichtet habe, aber die Empfangs¬
bescheinigung aus Mangel an Kenntniß in der erforderlichen Richtung nicht
unterzeichnen könne. Der Secretär hatte diese anderthalb Dollars aus seiner
Tasche zu bezahlen. Er dachte, die Vereinigten Staaten würden sowohl seine
Sparsamkeit als seine Ehrlichkeit bewundern, daß er die Arbeit für den
halben Preis bekommen, und daß, er keines angeblichen Indianers Unterschrift
unter die Empfangsbescheinigung gesetzt habe, allein die Vereinigten Staaten
sahen es nicht in dem Lichte an. Die Vereinigten Staaten waren zu sehr
gewöhnt, Anderthalb-Dollar-Diebe in allerhand öffentlichen Aemtern zu be¬
schäftigen, um seine Erklärung der Empfangsbescheinigung für irgendwie
thatsächlich begründet zu erachten. Aber das nächste Mal, wo der Indianer
Holz für uns sägte, lehrte ich ihm, am Ende der Empfangsbescheinigung ein
Kreuz machen -- es"sah wie ein Kreuz aus, das ein ganzes Jahr lang be¬
trunken gewesen war -- und dann "bezeugte" ich es, und es wurde ganz in
der Ordnung befunden. Die Vereinigten Staaten sagten nie ein Wort. Ich
bedauerte, die Empfangsbescheinigung nicht über tausend Ladungen Holz aus¬
gestellt zu haben, statt über nur eine. Die Regierung meines Vaterlandes
schilt die ehrliche Einfalt aus und streichelt die geriebne Schurkenhaftigkeit,
und ich denke, ich würde mich zu einem recht geschickten Spitzbuben entwickelt
haben, wenn ich ein oder zwei Jahre im Staatsdienste verblieben wäre."

Es mag genug sein an diesen Auszügen aus der bedeutendsten Er¬
zählung Mark Twain's in der Grunow'schen Ausgabe "Amerikanischer


Dienste zu haben. Jene „Jnstructionen" (wir pflegten als geistige Turn¬
übung jeden Morgen ein Kapitel und jeden Sabbath in der Sonntagsschule
ein paar Kapitel daraus zu lesen; denn sie behandelten alle möglichen Dinge
unter der Sonne und enthielten neben anderm statistischen Material auch
viele schätzbare Sachen religiöser Natur), jene „Jnstructionen" also befahlen,
daß den Mitgliedern der Gesetzgebung Federmesser, Briefcouverts, Federn und
Schreibpapier geliefert werde. So kaufte der Secretär diese Sachen und ver¬
theilte sie, die Messer kosteten das Stück drei Dollars. Es war eins zu viel,
und der Secretär gab es dem Schreiber des Abgeordnetenhauses. Die Ver¬
einigten Staaten sagten, der Schreiber des Hauses sei kein „Mitglied", und
zogen wie gewöhnlich jene drei Dollars vom Gehalte des Secretärs ab. —
Weiße Leute verlangten für das Kleinmachen einer Ladung Brennholz drei
oder vier Dollars. Der Secretär war scharfblickend genug, um einzusehen,
daß die Vereinigten Staaten niemals einen solchen Preis zahlen würden, und
so ließ er sich von einem Indianer eine Ladung Bureauholz für anderthalb
Dollars kleinsägen. Er machte die übliche Empfangsbescheinigung zurecht,
aber unterzeichnete sie mit keinem Namen, sondern fügte einfach eine Notiz
hinzu, welche erklärte, daß ein Indianer die Arbeit verrichtet und zwar in
sehr geschickter und zufriedenstellender Weise verrichtet habe, aber die Empfangs¬
bescheinigung aus Mangel an Kenntniß in der erforderlichen Richtung nicht
unterzeichnen könne. Der Secretär hatte diese anderthalb Dollars aus seiner
Tasche zu bezahlen. Er dachte, die Vereinigten Staaten würden sowohl seine
Sparsamkeit als seine Ehrlichkeit bewundern, daß er die Arbeit für den
halben Preis bekommen, und daß, er keines angeblichen Indianers Unterschrift
unter die Empfangsbescheinigung gesetzt habe, allein die Vereinigten Staaten
sahen es nicht in dem Lichte an. Die Vereinigten Staaten waren zu sehr
gewöhnt, Anderthalb-Dollar-Diebe in allerhand öffentlichen Aemtern zu be¬
schäftigen, um seine Erklärung der Empfangsbescheinigung für irgendwie
thatsächlich begründet zu erachten. Aber das nächste Mal, wo der Indianer
Holz für uns sägte, lehrte ich ihm, am Ende der Empfangsbescheinigung ein
Kreuz machen — es„sah wie ein Kreuz aus, das ein ganzes Jahr lang be¬
trunken gewesen war — und dann „bezeugte" ich es, und es wurde ganz in
der Ordnung befunden. Die Vereinigten Staaten sagten nie ein Wort. Ich
bedauerte, die Empfangsbescheinigung nicht über tausend Ladungen Holz aus¬
gestellt zu haben, statt über nur eine. Die Regierung meines Vaterlandes
schilt die ehrliche Einfalt aus und streichelt die geriebne Schurkenhaftigkeit,
und ich denke, ich würde mich zu einem recht geschickten Spitzbuben entwickelt
haben, wenn ich ein oder zwei Jahre im Staatsdienste verblieben wäre."

Es mag genug sein an diesen Auszügen aus der bedeutendsten Er¬
zählung Mark Twain's in der Grunow'schen Ausgabe „Amerikanischer


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[0379] Dienste zu haben. Jene „Jnstructionen" (wir pflegten als geistige Turn¬ übung jeden Morgen ein Kapitel und jeden Sabbath in der Sonntagsschule ein paar Kapitel daraus zu lesen; denn sie behandelten alle möglichen Dinge unter der Sonne und enthielten neben anderm statistischen Material auch viele schätzbare Sachen religiöser Natur), jene „Jnstructionen" also befahlen, daß den Mitgliedern der Gesetzgebung Federmesser, Briefcouverts, Federn und Schreibpapier geliefert werde. So kaufte der Secretär diese Sachen und ver¬ theilte sie, die Messer kosteten das Stück drei Dollars. Es war eins zu viel, und der Secretär gab es dem Schreiber des Abgeordnetenhauses. Die Ver¬ einigten Staaten sagten, der Schreiber des Hauses sei kein „Mitglied", und zogen wie gewöhnlich jene drei Dollars vom Gehalte des Secretärs ab. — Weiße Leute verlangten für das Kleinmachen einer Ladung Brennholz drei oder vier Dollars. Der Secretär war scharfblickend genug, um einzusehen, daß die Vereinigten Staaten niemals einen solchen Preis zahlen würden, und so ließ er sich von einem Indianer eine Ladung Bureauholz für anderthalb Dollars kleinsägen. Er machte die übliche Empfangsbescheinigung zurecht, aber unterzeichnete sie mit keinem Namen, sondern fügte einfach eine Notiz hinzu, welche erklärte, daß ein Indianer die Arbeit verrichtet und zwar in sehr geschickter und zufriedenstellender Weise verrichtet habe, aber die Empfangs¬ bescheinigung aus Mangel an Kenntniß in der erforderlichen Richtung nicht unterzeichnen könne. Der Secretär hatte diese anderthalb Dollars aus seiner Tasche zu bezahlen. Er dachte, die Vereinigten Staaten würden sowohl seine Sparsamkeit als seine Ehrlichkeit bewundern, daß er die Arbeit für den halben Preis bekommen, und daß, er keines angeblichen Indianers Unterschrift unter die Empfangsbescheinigung gesetzt habe, allein die Vereinigten Staaten sahen es nicht in dem Lichte an. Die Vereinigten Staaten waren zu sehr gewöhnt, Anderthalb-Dollar-Diebe in allerhand öffentlichen Aemtern zu be¬ schäftigen, um seine Erklärung der Empfangsbescheinigung für irgendwie thatsächlich begründet zu erachten. Aber das nächste Mal, wo der Indianer Holz für uns sägte, lehrte ich ihm, am Ende der Empfangsbescheinigung ein Kreuz machen — es„sah wie ein Kreuz aus, das ein ganzes Jahr lang be¬ trunken gewesen war — und dann „bezeugte" ich es, und es wurde ganz in der Ordnung befunden. Die Vereinigten Staaten sagten nie ein Wort. Ich bedauerte, die Empfangsbescheinigung nicht über tausend Ladungen Holz aus¬ gestellt zu haben, statt über nur eine. Die Regierung meines Vaterlandes schilt die ehrliche Einfalt aus und streichelt die geriebne Schurkenhaftigkeit, und ich denke, ich würde mich zu einem recht geschickten Spitzbuben entwickelt haben, wenn ich ein oder zwei Jahre im Staatsdienste verblieben wäre." Es mag genug sein an diesen Auszügen aus der bedeutendsten Er¬ zählung Mark Twain's in der Grunow'schen Ausgabe „Amerikanischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/379>, abgerufen am 27.07.2024.