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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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das Territorium bedürft. Sie hatten ohne Zweifel Recht, die Sache so anzu¬
sehen. Die neuen Beamten waren "Auswanderer", und das verlieh kein
Anrecht auf irgend jemandes Liebe oder Bewunderung. Die neue Regierung
wurde mit beträchtlicher Kälte aufgenommen. Sie drängte sich nicht nur von
fremd her auf, sondern war arm. Sie war nicht einmal werth, daß man
sie rupfte, nur die geringste Sorte der Streber nach Aemtchen fand das.
Jedermann wußte, daß der Congreß nur zwanzigtausend Dollars in Staats¬
noten jährlich zu ihrem Unterhalt ausgesetzt hatte -- ungefähr so viel Geld,
um ein Quarz-Pochwerk einen Monat in Betrieb zu erhalten. Und jeder¬
mann wußte ferner, daß das Geld für das erste Jahr noch in Washington
war, und daß die Herschaffung desselben ein langwieriger und schwieriger
Proceß sein würde. Carson City war zu feindselig und zu klug, um dem
importirten Wickelkinde mit irgendwelcher unschicklicher Hast ein Conto zu
eröffnen. Es liegt etwas halb Ernstes halb spashaftes in den Kämpfen,
mit denen eine neugeborne Territorial-Regierung sich in dieser Welt geltend
zu machen sucht. Die unsrige hatte dabei eine schwere Zeit durchzumachen.
Die Organische Acte und die "Jnstructtonen" vom Staats-Departement be¬
fahlen, daß eine Gesetzgebung in der und der Zeit gewählt und daß ihre
Sitzungen an dem und dem Tage eröffnet werden sollten. Es war leicht,
Gesetzgeber zu bekommen, selbst für drei Dollars den Tag, obwohl Kost und
Wohnung fünfthalb Dollars kosteten; denn Auszeichnung hat ihren Reiz in
Nevada ganz so wie anderswo, und es gab eine Menge patriotischer Seelen
ohne Beschäftigung. Aber eine Halle für die Gesetzgebung zu beschaffen, war
eine ganz und gar andere Sache. Carson City lehnte höflich ab, einen Saal
miethfrei herzugeben oder der Regierung einen auf Credit zu überlassen.
Aber als Curry von der Schwierigkeit hörte, trat er einsam und allein vor,
nahm das Staatsschiff auf die Schultern, hob es über die Barre und machte
es wieder flott. Ich meine den "Alten Curry", den "Alten Abe Curry."
Wäre er nicht gewesen, so hätte die Gesetzgebung ihre Sitzungen in der Wüste
abhalten müssen. Er bot sein großes steinernes Gebäude dicht neben der
Stadtgrenze miethfrei an, und es wurde gern genommen. Dann baute er
eine Pferdebahn von der Stadt nach dem Kapitol und beförderte die Gesetz¬
geber gratis. Er lieferte ferner finstere Bänke und Stühle für dieselbe und
bedeckte die Dielen mit reinen Sägespähnen, die Teppich und Spucknapf zu¬
gleich vertraten. Ohne Curry wäre die Regierung in den Windeln gestorben.
Der Secretär beschaffte eine Zwischenwand von Sackleinwand, um den Senat
vom Abgeordnetenhause zu trennen, aber obwohl dieselbe nur drei Dollars
und vierzig Cents kostete, weigerten die Vereinigten Staaten sich, dafür
Zahlung zu leisten. Als man sie daran erinnerte, daß die "Jnstructionen"
die Zahlung einer reichlichen Miethe für eine Gesetzgebüngshalle gestatteten,


das Territorium bedürft. Sie hatten ohne Zweifel Recht, die Sache so anzu¬
sehen. Die neuen Beamten waren „Auswanderer", und das verlieh kein
Anrecht auf irgend jemandes Liebe oder Bewunderung. Die neue Regierung
wurde mit beträchtlicher Kälte aufgenommen. Sie drängte sich nicht nur von
fremd her auf, sondern war arm. Sie war nicht einmal werth, daß man
sie rupfte, nur die geringste Sorte der Streber nach Aemtchen fand das.
Jedermann wußte, daß der Congreß nur zwanzigtausend Dollars in Staats¬
noten jährlich zu ihrem Unterhalt ausgesetzt hatte — ungefähr so viel Geld,
um ein Quarz-Pochwerk einen Monat in Betrieb zu erhalten. Und jeder¬
mann wußte ferner, daß das Geld für das erste Jahr noch in Washington
war, und daß die Herschaffung desselben ein langwieriger und schwieriger
Proceß sein würde. Carson City war zu feindselig und zu klug, um dem
importirten Wickelkinde mit irgendwelcher unschicklicher Hast ein Conto zu
eröffnen. Es liegt etwas halb Ernstes halb spashaftes in den Kämpfen,
mit denen eine neugeborne Territorial-Regierung sich in dieser Welt geltend
zu machen sucht. Die unsrige hatte dabei eine schwere Zeit durchzumachen.
Die Organische Acte und die „Jnstructtonen" vom Staats-Departement be¬
fahlen, daß eine Gesetzgebung in der und der Zeit gewählt und daß ihre
Sitzungen an dem und dem Tage eröffnet werden sollten. Es war leicht,
Gesetzgeber zu bekommen, selbst für drei Dollars den Tag, obwohl Kost und
Wohnung fünfthalb Dollars kosteten; denn Auszeichnung hat ihren Reiz in
Nevada ganz so wie anderswo, und es gab eine Menge patriotischer Seelen
ohne Beschäftigung. Aber eine Halle für die Gesetzgebung zu beschaffen, war
eine ganz und gar andere Sache. Carson City lehnte höflich ab, einen Saal
miethfrei herzugeben oder der Regierung einen auf Credit zu überlassen.
Aber als Curry von der Schwierigkeit hörte, trat er einsam und allein vor,
nahm das Staatsschiff auf die Schultern, hob es über die Barre und machte
es wieder flott. Ich meine den „Alten Curry", den „Alten Abe Curry."
Wäre er nicht gewesen, so hätte die Gesetzgebung ihre Sitzungen in der Wüste
abhalten müssen. Er bot sein großes steinernes Gebäude dicht neben der
Stadtgrenze miethfrei an, und es wurde gern genommen. Dann baute er
eine Pferdebahn von der Stadt nach dem Kapitol und beförderte die Gesetz¬
geber gratis. Er lieferte ferner finstere Bänke und Stühle für dieselbe und
bedeckte die Dielen mit reinen Sägespähnen, die Teppich und Spucknapf zu¬
gleich vertraten. Ohne Curry wäre die Regierung in den Windeln gestorben.
Der Secretär beschaffte eine Zwischenwand von Sackleinwand, um den Senat
vom Abgeordnetenhause zu trennen, aber obwohl dieselbe nur drei Dollars
und vierzig Cents kostete, weigerten die Vereinigten Staaten sich, dafür
Zahlung zu leisten. Als man sie daran erinnerte, daß die „Jnstructionen"
die Zahlung einer reichlichen Miethe für eine Gesetzgebüngshalle gestatteten,


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[0377] das Territorium bedürft. Sie hatten ohne Zweifel Recht, die Sache so anzu¬ sehen. Die neuen Beamten waren „Auswanderer", und das verlieh kein Anrecht auf irgend jemandes Liebe oder Bewunderung. Die neue Regierung wurde mit beträchtlicher Kälte aufgenommen. Sie drängte sich nicht nur von fremd her auf, sondern war arm. Sie war nicht einmal werth, daß man sie rupfte, nur die geringste Sorte der Streber nach Aemtchen fand das. Jedermann wußte, daß der Congreß nur zwanzigtausend Dollars in Staats¬ noten jährlich zu ihrem Unterhalt ausgesetzt hatte — ungefähr so viel Geld, um ein Quarz-Pochwerk einen Monat in Betrieb zu erhalten. Und jeder¬ mann wußte ferner, daß das Geld für das erste Jahr noch in Washington war, und daß die Herschaffung desselben ein langwieriger und schwieriger Proceß sein würde. Carson City war zu feindselig und zu klug, um dem importirten Wickelkinde mit irgendwelcher unschicklicher Hast ein Conto zu eröffnen. Es liegt etwas halb Ernstes halb spashaftes in den Kämpfen, mit denen eine neugeborne Territorial-Regierung sich in dieser Welt geltend zu machen sucht. Die unsrige hatte dabei eine schwere Zeit durchzumachen. Die Organische Acte und die „Jnstructtonen" vom Staats-Departement be¬ fahlen, daß eine Gesetzgebung in der und der Zeit gewählt und daß ihre Sitzungen an dem und dem Tage eröffnet werden sollten. Es war leicht, Gesetzgeber zu bekommen, selbst für drei Dollars den Tag, obwohl Kost und Wohnung fünfthalb Dollars kosteten; denn Auszeichnung hat ihren Reiz in Nevada ganz so wie anderswo, und es gab eine Menge patriotischer Seelen ohne Beschäftigung. Aber eine Halle für die Gesetzgebung zu beschaffen, war eine ganz und gar andere Sache. Carson City lehnte höflich ab, einen Saal miethfrei herzugeben oder der Regierung einen auf Credit zu überlassen. Aber als Curry von der Schwierigkeit hörte, trat er einsam und allein vor, nahm das Staatsschiff auf die Schultern, hob es über die Barre und machte es wieder flott. Ich meine den „Alten Curry", den „Alten Abe Curry." Wäre er nicht gewesen, so hätte die Gesetzgebung ihre Sitzungen in der Wüste abhalten müssen. Er bot sein großes steinernes Gebäude dicht neben der Stadtgrenze miethfrei an, und es wurde gern genommen. Dann baute er eine Pferdebahn von der Stadt nach dem Kapitol und beförderte die Gesetz¬ geber gratis. Er lieferte ferner finstere Bänke und Stühle für dieselbe und bedeckte die Dielen mit reinen Sägespähnen, die Teppich und Spucknapf zu¬ gleich vertraten. Ohne Curry wäre die Regierung in den Windeln gestorben. Der Secretär beschaffte eine Zwischenwand von Sackleinwand, um den Senat vom Abgeordnetenhause zu trennen, aber obwohl dieselbe nur drei Dollars und vierzig Cents kostete, weigerten die Vereinigten Staaten sich, dafür Zahlung zu leisten. Als man sie daran erinnerte, daß die „Jnstructionen" die Zahlung einer reichlichen Miethe für eine Gesetzgebüngshalle gestatteten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/377>, abgerufen am 28.07.2024.