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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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heimnißvollen Fäden, welche eine der hier entwickelten nationalökonomischen
Theorien und Ideen an die andere knüpfen, eine Wirthschaftsepoche an die
andere. Das heißt mit anderen Worten: der Verfasser mußte die gesammte
Entwickelung des ökonomischen Wissens und Strebens vom Ausgange des
Mittelalters bis auf unsere Tage, in ihren größten und kleinsten Vertretern
mit beherrschenden Blicke umfassen, ehe er an diese Aufgabe ging, und das
vorliegende Werk zeigt, daß er diese ungewöhnlichen Bedingungen in sich
vereinigte. Darum ist dieses Buch auch im Grunde ein weit größerer Schatz
für unsere Nationalliteratur, als der bescheidene Titel und der bescheidene
Verfasser verrathen mögen. Jeder, der die Wichtigkeit der Volkswirthschaft
für das nationale Volksleben überhaupt erkennt, jeder der weiß, wie in
Wirklichkeit keine andere Function des Völkerlebens so sehr international
angelegt ist, so sehr Einwirkungen von außerhalb der Landesgrenzen unter¬
worfen und zu solchen über die Volksgrenzen hinaus fähig ist, als die Theorie
und praktische Entwickelung der Staatswirthschaft -- der wird auch erkennen,
daß in diesem Werke nicht blos für unser Volk, sondern für alle Völker, die
mit uns seit Ausgang des Mittelalters geistig und wirthschaftlich im Verkehr
gestanden -- das will sagen so gut wie für die ganze Menschheit -- sowohl
in historischer als in nationalökonomischer Hinsicht ein ungewöhnlich bedeut¬
samer Erfolg errungen ist.

In unserer gelehrten Literatur läßt sich das neueste Werk Noscher's wohl
nur einem andern ganz vergleichen an ebenbürtigem Werthe: Robert von
Mohl's Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften. Weiter ist in diesem
der historische Rahmen gespannt, als bei Röscher. Ins unendliche scheint der
Blick Mohl's zu schweifen unter den Völkern der Erde. Und dennoch, wer
in Kürze Rechenschaft geben sollte von dem Inhalt des köstlichen Buches, der
würde wohl nicht fehl gehen, wenn er sagte: er habe daraus Fingerzeige er¬
halten für die wunderbaren Accorde, welche zu harmonischer Stimmung die
Kulturstaaten Europas bewegten seit Luther's und Machiavelli's Tagen bis
in unsere Zeit. Auch bei Mohl bietet den höchsten Werth die durch seine um¬
fassende Forschung vermittelte Erkenntniß, wie die vornehmsten politischen
Denker Europas befruchtend auf einander wirkten, wie sie immer reiner und
untadeliger die Rechte und Pflichten des modernen Staates construiren und
wie bedeutsam vor allen Dingen das deutsche Staats- und Pflichtbewußtsein
von dem Beispiel und der Lehre der englischen Staatsmänner und Staats¬
rechtslehrer gehoben wird. Und der nämliche Grundgedanke verleiht auch
Noscher's Werk den höchsten Werth.

Von den vornehmsten literarischen Vertretern unsres Volkes wird unser
Zeitalter so oft, und wir meinen im Ganzen nicht mit Unrecht, als die Epoche
des letzten Entscheidungskampfes zwischen den romanischen und germanischen


heimnißvollen Fäden, welche eine der hier entwickelten nationalökonomischen
Theorien und Ideen an die andere knüpfen, eine Wirthschaftsepoche an die
andere. Das heißt mit anderen Worten: der Verfasser mußte die gesammte
Entwickelung des ökonomischen Wissens und Strebens vom Ausgange des
Mittelalters bis auf unsere Tage, in ihren größten und kleinsten Vertretern
mit beherrschenden Blicke umfassen, ehe er an diese Aufgabe ging, und das
vorliegende Werk zeigt, daß er diese ungewöhnlichen Bedingungen in sich
vereinigte. Darum ist dieses Buch auch im Grunde ein weit größerer Schatz
für unsere Nationalliteratur, als der bescheidene Titel und der bescheidene
Verfasser verrathen mögen. Jeder, der die Wichtigkeit der Volkswirthschaft
für das nationale Volksleben überhaupt erkennt, jeder der weiß, wie in
Wirklichkeit keine andere Function des Völkerlebens so sehr international
angelegt ist, so sehr Einwirkungen von außerhalb der Landesgrenzen unter¬
worfen und zu solchen über die Volksgrenzen hinaus fähig ist, als die Theorie
und praktische Entwickelung der Staatswirthschaft — der wird auch erkennen,
daß in diesem Werke nicht blos für unser Volk, sondern für alle Völker, die
mit uns seit Ausgang des Mittelalters geistig und wirthschaftlich im Verkehr
gestanden — das will sagen so gut wie für die ganze Menschheit — sowohl
in historischer als in nationalökonomischer Hinsicht ein ungewöhnlich bedeut¬
samer Erfolg errungen ist.

In unserer gelehrten Literatur läßt sich das neueste Werk Noscher's wohl
nur einem andern ganz vergleichen an ebenbürtigem Werthe: Robert von
Mohl's Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften. Weiter ist in diesem
der historische Rahmen gespannt, als bei Röscher. Ins unendliche scheint der
Blick Mohl's zu schweifen unter den Völkern der Erde. Und dennoch, wer
in Kürze Rechenschaft geben sollte von dem Inhalt des köstlichen Buches, der
würde wohl nicht fehl gehen, wenn er sagte: er habe daraus Fingerzeige er¬
halten für die wunderbaren Accorde, welche zu harmonischer Stimmung die
Kulturstaaten Europas bewegten seit Luther's und Machiavelli's Tagen bis
in unsere Zeit. Auch bei Mohl bietet den höchsten Werth die durch seine um¬
fassende Forschung vermittelte Erkenntniß, wie die vornehmsten politischen
Denker Europas befruchtend auf einander wirkten, wie sie immer reiner und
untadeliger die Rechte und Pflichten des modernen Staates construiren und
wie bedeutsam vor allen Dingen das deutsche Staats- und Pflichtbewußtsein
von dem Beispiel und der Lehre der englischen Staatsmänner und Staats¬
rechtslehrer gehoben wird. Und der nämliche Grundgedanke verleiht auch
Noscher's Werk den höchsten Werth.

Von den vornehmsten literarischen Vertretern unsres Volkes wird unser
Zeitalter so oft, und wir meinen im Ganzen nicht mit Unrecht, als die Epoche
des letzten Entscheidungskampfes zwischen den romanischen und germanischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/368>, abgerufen am 28.07.2024.